Die Stadt Herne macht angehende Führungskräfte gezielt für ihre neuen Aufgaben fit. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei der Förderung von Frauen mit Ambitionen auf einen Chefsessel. Ein spezielles Mentoring-Programm soll den Anteil weiblicher Beschäftigter in leitenden Positionen steigern helfen.
Führungspositionen innerhalb einer Stadtverwaltung sind nicht immer einfach zu besetzen. Altersbedingt werden in den kommenden Jahren etliche Mitarbeiter in Führungspositionen ausscheiden – so auch bei der Stadt Herne (Nordrhein-Westfalen). Da es nicht ausreicht, Personal zu dem Zeitpunkt zu qualifizieren, wenn sie in der Führungsposition benötigt werden, bereitet die Stadtverwaltung Beschäftigte frühzeitig auf ihre zukünftige Rolle vor. Dafür wurden in den vergangenen Jahren unterschiedliche Programme aufgelegt, wie Claudia Spitzer, im Herner Rathaus zuständig für die Personalentwicklung, erläutert: „Es ist wichtig, dass sich Mitarbeitende umfassend mit den Aufgaben und Herausforderungen einer Führungskraft auseinander setzen, bevor sie sich für eine Führungsposition entscheiden.“
Mentoring-Programm für Frauen
Speziell für Frauen wird seit 2007 ein Mentoring-Programm angeboten. „Wir wollen Frauen ermutigen, sich persönlich für ihre berufliche Laufbahn einzusetzen“, erklärt Sabine Schirmer-Klug, Leiterin der städtischen Gleichstellungsstelle, und ergänzt: „Das Programm richtet sich explizit an Kolleginnen ohne Führungserfahrung und ist eine von vielen Maßnahmen im Frauenförderplan, mit denen wir versuchen, den Anteil der Frauen in Führungspositionen zu steigern.“ Bei diesem Programm werden nur weibliche Tandems gebildet: jeweils mit einer erfahrenen Führungsperson und einer Frau, die noch überlegt, ob eine Führungsposition für sie infrage kommt. In vertraulichen Gesprächen können individuelle Fragen zum Thema „Frauen in Führung“ geklärt werden.
„Ich habe durch die Treffen und die Meilensteinveranstaltungen im Rahmen des Mentoring-Programms abschließend entscheiden können, dass ich eine Führungsposition anstrebe“, erläutert Sandra Podwojewski, die 2013 teilgenommen hat. „Das Programm war für mich ein Mosaikstein zur Erreichung dieses Ziels und bot die Gelegenheit zum Austausch und zum Ausbau meiner persönlichen Fähigkeiten im Hinblick auf Führungsqualitäten.“
Mittlerweile wurden mehr als 50 Tandems gebildet. Bei den Begleitveranstaltungen steht die Frage im Vordergrund „Wäre Führung etwas für mich?“. Zusätzlich treffen sich die Tandems alle vier bis sechs Wochen für persönliche Gespräche. Das Programm geht über einen Zeitraum von etwa eineinhalb Jahren.
Mehr Bewerbungen als Plätze
Wenn die Frauen sich vorstellen können, eine Führungsposition zu übernehmen, können sie sich – wie auch ihre männlichen Kollegen – für das Qualifizierungsprogramm für angehende Führungskräfte bewerben. Dieses Projekt wurde vor etwa vier Jahren entwickelt, um nicht erst dann Nachwuchskräfte auszubilden, wenn Führungskräftepositionen dringend besetzt werden müssten.
Der erste Jahrgang schloss das Programm 2016 ab. Die Motivation in der Mitarbeiterschaft ist hoch. „Es gibt unter den Mitarbeitenden einige, die nach Führungsverantwortung streben. Wir haben bisher immer mehr Bewerbungen als Plätze“, erklärt Spitzer, die weiß, dass das Verfahren in einem großen Beteiligungsprozess entstanden ist. Die Teilnehmer werden auf der Basis eines „Letter of motivation“, einem Assessment Center sowie von Empfehlungsschreiben ausgewählt.
Eineinhalb Jahre dauert das Programm im Anschluss und beinhaltet sechs Module: Diversity-Kompetenz, Standortbestimmung, Rolle und Aufgaben Teamleitung, Konflikte in Teams und Schnittstellen, Handlungssicherheit in Zeiten knapper Ressourcen und Projektmanagement.
„Besonders auf das Thema Projektmanagement legen wir viel Wert, da wir die interdisziplinäre Arbeit fördern wollen“, sagt Spitzer. Deswegen sei auch das Netzwerken unter den Teilnehmenden sehr wichtig. Mit Lernpartnerschaften oder in Gruppen müssen regelmäßige Aufgaben erfüllt werden. „Die Kernaufgabe ist, sich selbst zu verstehen und zu positionieren. Die Teilnehmenden müssen ihre Selbstreflexion stärken, bevor sie als Führungskraft versuchen, andere zu verstehen“, erklärt Spitzer und erläutert weiter: „Die Präsenzphase zeichnet sich durch die Verbindung von Wissensvermittlung, Wissensanwendung und persönlicher Reflexion aus.“ Die Abschlussprüfung beinhaltet eine schriftliche Hausarbeit und eine mündliche Prüfung. „Zukünftig wird der erfolgreiche Abschluss des Qualifizierungsprogramms eine Voraussetzung für Teamleitungsstellen sein“, erklärt Spitzer.
Vier von 16 Teilnehmern haben mittlerweile eine Führungsfunktion übernommen. So auch Sandra Podwojewski: „Besonders gereizt an diesem Programm hat mich die Gelegenheit, sich dem Thema Führung, losgelöst von einer schon bestehenden Führungsverantwortung, zu widmen. Durch das vorgeschaltete Auswahlverfahren und das Feedback-Gespräch wurde ich hinsichtlich meiner Stärken und Schwächen sensibilisiert und hatte in der Qualifizierung die Gelegenheit, in der Gruppe gezielt daran zu arbeiten. Ich habe nochmal viel über mich gelernt.“ Zurzeit läuft das Programm zum zweiten Mal – mit gleichbleibender Resonanz.
Begleitung auf dem Karriereweg
Mitarbeitern, die in der Teamleitungsposition angekommen sind, bietet die Stadt Herne ein weiteres Mentoring-Programm an. Erfahrene Führungskräfte als Mentoren besprechen mit den „frischgebackenen“ Teamleitern Fragen des Alltags, Konfliktsituationen oder Verhaltensweisen.
Frauen-Mentoring, Qualifizierungsprogramm für angehende Führungskräfte und Mentoring für neue Führungskräfte bilden einen Teil des Personalentwicklungsprozesses der Stadt. Für die Teilnehmer entstehen dabei keinerlei Kosten. Diese Projekte sind mittlerweile fest etabliert und bei Mitarbeitern sehr beliebt. Regelmäßige Evaluierungen sorgen für langfristige Erfolgssicherung. „Es handelt sich dabei um die Grundlage für eine zukünftige Ausrichtung der Führungskultur bei der Stadtverwaltung Herne“, fasst Spitzer zusammen.
Anja Gladisch
Die Autorin
Anja Gladisch ist Mitarbeiterin der Pressestelle der Stadt Herne anja.gladisch@herne.de
Info: Stadt Herne
Die nordrhein-westfälische Stadt Herne hat rund 160.000 Einwohner. Im vorigen Jahrhundert war die Stadt stark durch Kohlebergbau und Montanindustrie geprägt. Nun wandelt sie sich zu einem wichtigen Standort für Gesundheit und Logistik, aber auch die Wirtschaftszweige Chemie und Maschinenbau sind stark vertreten. Die Arbeitslosenquote liegt derzeit bei 12,8 Prozent (Februar 2017). Gelegen am Rhein-Herne-Kanal und an der Emscher verfügt die kreisfreie Stadt über zwei Schleusen, fünf Häfen und ein Containerterminal. Erst 2016 hat im Stadtteil Wanne das neue Sport- und Freizeitbad Wananas eröffnet, eines der modernsten Schwimmbäder im Ruhrgebiet.
Zum Weiterlesen: Interview mit Oberbürgermeister Frank Dudda über das Frauen-Mentioringder Stadt Herne