Was treibt eine Stadtverwaltung an, die Karrieren weiblicher Führungskräfte besonders zu fördern? Welche Erfahrungen macht sie hierbei, und was zeichnet Frauen auf dem Chefsessel aus? Dr. Frank Dudda, Oberbürgermeister von Herne, antwortet auf Fragen unserer Redaktion zum „Frauen-Mentoring“.
Herr Oberbürgermeister, mehr noch als im privatgewerblichen Sektor gelten die Führungsetagen der deutschen Rathäuser als Horte männlicher „Monokulturen“. Warum ist das Ihrer Meinung trotz erheblicher politischer Bemühungen um die Gleichstellung von Frauen in den vergangenen Jahrzehnten immer noch so?
Dudda: Diese Entwicklung voranzubringen, braucht Zeit. Aber die Stadtverwaltung Herne ist auf einem sehr guten Weg, den Anteil von Frauen in Führungspositionen stetig zu erhöhen. Wir haben seit Jahren eine kontinuierliche Steigerung des Frauenanteils in den Gehalts- und Besoldungsgruppen, aus denen man in Führungspositionen aufsteigen kann. Auch den Anteil der Frauen auf den verschiedenen Führungsebenen konnten wir in den vergangenen Jahren deutlich steigern. Bei den Fachbereichsleitungen zum Beispiel hat sich der Anteil der Frauen seit 2009 mehr als verdoppelt. Das konnten wir durch gezielte Personalentwicklung und durch die gute Zusammenarbeit mit der Gleichstellungsstelle erreichen.
Welche Erwartungen verbinden sich mit der Karriereförderung von Frauen in den Rathäusern?
Dudda: Führungspositionen auch mit Frauen zu besetzen, ist nicht zuletzt eine Frage der Gerechtigkeit. Vor allem müssen wir als Stadtverwaltung auch zusehen, dass wir die Potenziale unserer Beschäftigten heben und unsere personellen Ressourcen optimal nutzen. Dazu gehört auch, Frauen den Aufstieg in verantwortungsvolle Positionen zu ermöglichen. Außerdem will die Stadt Herne ein attraktiver Arbeitgeber sein im Wettbewerb um die besten Köpfe. Das geht nur, wenn wir für unsere Beschäftigen Entwicklungsperspektiven schaffen.
Was machen weibliche Chefs anders, eventuell sogar besser als ihre männlichen Pendants?
Dudda: Frauen haben oft eine stark ausgeprägte Sozialkompetenz, was für Führungskräfte besonders wichtig ist. In einer immer stärker vernetzten Arbeitswelt brauchen Führungskräfte auch eine besonders gute Kommunikationsfähigkeit. Darin sind Frauen oft stark. Konstruktive Wege der Konfliktlösung werden in unserer Arbeit immer wichtiger, auch hier haben sich Frauen als sehr fähig erwiesen. Ebenso sind Frauen sehr bedacht in ihren Entscheidungen, dazu zählt auch gutes wirtschaftliches Denken. Gerade in einer schwierigen Haushaltssituation unserer Stadt sind das wichtige Eigenschaften.
Was sind die Barrieren für Frauen, die in Stadtverwaltungen in Führungspositionen gelangen wollen?
Dudda: Frauen unterschätzen oft ihre Fähigkeiten, sie sind besonders kritisch mit sich selbst und zögern eher, sich um eine Führungsposition zu bewerben. Viele Frauen kümmern sich neben der Arbeit noch um Kinder, Haushalt oder pflegebedürftige Angehörige. Diese Doppelbelastung macht es ihnen schwerer, beruflich den nächsten Schritt zu machen. Manche Vorgesetzten ziehen daraus den Schluss mangelnder Einsatzbereitschaft oder mangelnden Durchsetzungsvermögens von Mitarbeiterinnen. Gerade wenn es um Beurteilungen geht, müssen Vorgesetzte darauf achten, sich nicht von diesen Stereotypen über Frauen leiten zu lassen.
Können mit einem speziellen Frauenförderplan und einem Frauen-Mentoring-Programm, wie es beides bei der Stadt Herne gibt, solche Hürden tatsächlich beseitigt werden?
Dudda: Ja, diese Hürden können wir beseitigen, indem wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dahingehend fortbilden. In unseren standardisierten Stellenbesetzungsverfahren machen wir uns für faire Beförderungsentscheidungen stark. In der Evaluation unserer Mentoring-Projekte haben wir deutlich festgestellt, dass die Teilnehmerinnen ihre persönlichen Stärken kennengelernt haben und sich jetzt häufiger Führungspositionen zutrauen.
Benachteiligen Frauenförderprogramme nicht die männlichen Kandidaten für Führungspositionen?
Dudda: Nein, wir haben ein spezielles Qualifizierungsprogramm für angehende Führungskräfte, egal ob sie männlich oder weiblich sind. Außerdem wählen wir unsere Kandidaten für Stellenbesetzungen nach einem standardisierten Verfahren aus. Da geht es um Kompetenz und nicht um das Geschlecht. Immerhin sind wir auch gesetzlich verpflichtet, uns an das Prinzip der Bestenauslese zu halten. Das nehmen wir sehr ernst.
Auf welche Führungspositionen bewerben sich in Herne Frauen bevorzugt und in welchen Bereichen wünschen Sie sich als Oberbürgermeister mehr weibliche Chefs?
Dudda: Derzeit bewerben sich viele Frauen auf Teamleiterstellen, ich würde mich auch über ein ausgeglichenes Verhältnis von Frauen und Männern auf der Ebene der Fachbereichsleiter und sukzessive auf Dezernentenebene freuen.
Lässt sich der Wunsch weiblicher Chefs, mit Rücksicht auf Familie und Kinder durchaus auch einmal Teilzeit arbeiten zu wollen, mit den hohen Anforderungen an Führungspositionen im Rathaus, die im Grunde ja eine dauernde Präsenz erfordern, vereinen?
Dudda: Führungspositionen erfordern grundsätzlich keine dauernde Präsenz am Schreibtisch. Gerade Führungskräfte sind viel unterwegs, in Besprechungen, Gremien oder Arbeitskreisen. An jede Führungskraft stellen wir insbesondere den Anspruch, organisatorisch flexibel zu sein. Messlatte ist die optimale Aufgabenerfüllung. Führungskräfte mit reduzierter Stundenzahl sind bei uns daher keine Ausnahme.
Interview: Wolfram Markus
Zur Person
Dr. Frank Dudda (Jg. 1963) wurde am 13. September 2015 im ersten Wahlgang mit absoluter Mehrheit zum Oberbürgermeister seiner Heimatstadt Herne (Nordrhein-Westfalen) gewählt. Von 1997 bis zu seiner Wahl war der Jurist als Geschäftsführer des Bundesverbands selbstständiger Physiotherapeuten (IFK) und Justiziar der Bundesarbeitsgemeinschaft der Heilmittelverbände (BHV) tätig. Zudem war er seit 2002 Sozius einer Anwaltskanzlei in Essen. Das SPD-Parteimitglied Dudda ist verheiratet und hat einen Sohn.
Zum Weiterlesen: „Per Tandem auf den Chefsessel“ – das Frauen-Mentoring der Stadt Herne