Klimaschutz geht alle an und erfordert Maßnahmen vor Ort. Nach dieser Devise handelt der Oberbürgermeister von Bottrop, Bernd Tischler. Im Interview spricht er über die Projekte und ehrgeizigen Ziele seiner Stadt, den Austausch mit anderen Bürgermeistern – und die Beschaffung wiederverwertbarer Büromöbel.
Herr Tischler, der Klimaschutz ist ein zentraler Bestandteil nachhaltigen Wirtschaftens. Sie arbeiten im europäischen Konvent der Bürgermeister für Klima und Energie mit. Was waren Ihre Gründe, sich dem Bündnis anzuschließen?
Tischler: Seit 2009 wird Bottrop durch mich im Convenant of Mayors vertreten. Der Austausch mit anderen Kommunen ist wichtig für die Weiterentwicklung der Klimaschutzziele in der eigenen Kommune. Die Verbesserung des Klimas ist keine nationale Angelegenheit. Nur wenn wir gemeinsam Ziele entwickeln und diese anhand von konkreten Maßnahmen vor Ort umsetzen, haben wir eine Chance, wirksam gegen die Auswirkungen des Klimawandels vorzugehen. Unser Aktionsplan für nachhaltige Energien auf der Grundlage des Klimaschutzkonzeptes liegt mittlerweile bis 2019 vor. Außerdem verfolgen Leitprojekte der Stadt wie „Innovation City Ruhr / Modellstadt Bottrop“ oder auch „Zukunftsstadt 2030+“ sehr ähnliche Ziele.
Welche Impulse gibt Ihnen der kollegiale Austausch auf internationaler Ebene?
Tischler: Neben dem Austausch auf europäischer Ebene unterhalte ich auch Partnerschaften und kollegialen Austausch in den USA und Kanada zum Beispiel über „Transatlantic Urban Climate Dialogue“ oder „Dialogues for Change“ sowie China und Japan. Auf Einladung des russischen Energieministeriums war ich gerade in Moskau, um über unsere erfolgreichen Projekte zum Schutz des Klimas im Rahmen einer Energieeffizienzkonferenz zu berichten. Der persönliche Austausch mit Fachleuten anderer Länder macht deutlich, dass wir alle vor ähnlichen Problemen stehen, wenn es um Themen wie Energie- und Verkehrswende geht. Durch meine zahlreichen Kontakte kann ich aber auch Menschen zusammenbringen, die voneinander profitieren. So hat die Hochschule Ruhr West in Bottrop starkes Interesse bekundet, in den wissenschaftlichen Austausch mit russischen Instituten zu treten. Allein die Energieeffizienzpotenziale in Russland werden auf über 45 Prozent geschätzt.
Mit welchen Projekten ist Ihre Stadt im kommunalen Klimaschutz aktiv?
Tischler: Wir verfolgen nicht ausschließlich Einzelprojekte, sondern fassen unsere Aktivitäten in einer städtischen Gesamtstrategie, im Projekt „InnovationCity“, zusammen. Dieses Leitbild des klimagerechten Stadtumbaus wurde 2010 vom Rat der Stadt einstimmig beschlossen. Untermauert wurde dieses Leitbild durch einen Masterplan, der 2014 vom Rat der Stadt ebenfalls einstimmig beschlossen wurde. 350 Einzelprojekte bilden wie ein Drehbuch die Grundlage für die Stadtentwicklung und die Innovation City. Im „Labor Bottrop“ wird demonstriert, wie ein klimagerechter Stadtumbau unter
Sicherung des Industriestandorts aussehen kann. Ziel ist es, die CO2-Emissionen im Vergleich zu 2010 zu halbieren und die Lebensqualität zu steigern.
Was geschieht konkret?
Tischler: Weit über 250 Vorhaben aus den Handlungsfeldern Wohnen, Arbeiten, Energie, Mobilität und Stadt wurden angestoßen und zu einem großen Teil auch umgesetzt. Hier sind beispielsweise die energetisch modernisierten Zukunftshäuser zu nennen. Sie zeigen, dass Einfamilien-, Mehrfamilien- und Geschäftshäuser aus dem Bestand zu Plus-Energie-Häusern saniert werden können. Hinzu kommen weitere Projekte wie der Ausbau von Radwegen und die Entwicklung von Verkehrskonzepten. Auch der Aufbau von Gemeinschaftsgärten, die Schaffung eines lebenswerteren Stadtraums oder Schulprojekte beschäftigen sich mit verschiedenen Facetten des Klima-und Umweltschutzes. Bei diesem bundesweit beispiellosen Projekt arbeitet die Stadt Bottrop und die Innovation City Management mit allen relevanten Akteuren aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sowie der Bürgerschaft Hand in Hand.
Welche Rolle spielen die Bürger?
Tischler: Für den Erfolg der Innovation City Ruhr sind die Bottroper Bürger und Eigenheimbesitzer von entscheidender Bedeutung. Schließlich tragen sie mit der energetischen Modernisierung ihrer Gebäude zum Projektziel, der Halbierung der CO2-Emissionen, maßgeblich bei. Hier ist das Beratungs- und Informationsangebot ein Schlüsselelement des Projekts. Im Zentrum für Information und Beratung (ZIB) werden Aktivierungs- und Beratungsmaßnahmen angeboten, die die Stadt in Kooperation mit der Managementgesellschaft und Partnerunternehmen umsetzt. Zusammen mit dem Land Nordrhein-Westfalen hat die Stadt eine Förderrichtlinie entwickelt, die eine durchschnittliche energetische Modernisierungsquote von 3,5 Prozent erreicht hat. Bundesweit liegt die Quote bei 0,9 Prozent.
Wo stehen Sie heute mit Ihren CO2-Einsparbemühungen?
Tischler: Zum jetzigen Zeitpunkt gehen wir davon aus, dass wir das gesteckte Ziel, die Halbierung des CO2-Ausstoßes, bis zum Jahr 2020 erreichen werden. Das hat das Land überzeugt, das Bottroper Modellprojekt auf bisher 20 weitere Stadtquartiere im Ruhrgebiet zu übertragen. Weitere Ausweitungen auch in andere Bundesländer sind andiskutiert.
Wo sehen Sie im Vergleich mit anderen europäischen Ländern die deutschen Kommunen im Klimaschutz positioniert?
Tischler: Die deutschen Kommunen leisten enorme Beiträge zum Klimaschutz. Unser Lebensstil verursacht aber einen vergleichsweise hohen CO2-Ausstoß. Daher ist es erforderlich, dass wir unsere Anstrengungen in Deutschland noch weiter ausbauen.
Hat die deutsche Energiewende noch Vorbildcharakter?
Tischler: Ob die nationale Energiewende Vorbildcharakter hat, vermag ich nicht zu beurteilen. Mit unserem Innovation-City-Prozess in Bottrop ergänzen wir dieses Vorhaben jedenfalls um eine „Energiewende von unten“. Zumindest dies hat das internationale Interesse geweckt und gilt vielen Städten und Regionen bereits als Vorbild.
Die Beschaffung, zumal von Sachgütern, ist ein weiterer Bereich, in dem die Kommunen nachhaltiges Wirtschaften praktizieren. Inwieweit ist das auch in Ihrem Rathaus ein Thema?
Tischler: Unsere Büromöbel zum Beispiel werden nach dem Prinzip der Ökologie und Nachhaltigkeit beschafft. Die verwendeten Materialien der beschafften Büromöbel wie Kunststoffe, Metalle und Stoffe müssen zum überwiegenden Anteil wiederverwertbar oder recycelbar sein. Möbel aus edlen Naturhölzern und Tropenhölzern werden gar nicht beschafft. Für Dienst- und Schutzkleidung gelten die Vergaberichtlinien. Der Stadt ist es wichtig, dass die zu liefernden Produkte unter Berücksichtigung der IAO-Konvention Nr. 182 hergestellt und vertrieben werden. Diese Vereinbarung definiert das Verbot und Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit. Angeboten ist ein produktbezogener Nachweis in Form eines geeigneten Siegels wie beispielsweise Fairtraide beizufügen.
Und wie sieht es mit dem Einkauf von Verbrauchsartikeln der Verwaltung aus?
Tischler: In politischen und Verwaltungssitzungen wird beispielsweise nur Fairtrade-Kaffee ausgeschenkt. Daneben ist es mir wichtig, regionale Produkte zu fördern, die schon aufgrund der kurzen Lieferwege nachhaltiger sind. So wird bei uns künftig nur Mineralwasser eines regional ansässigen Unternehmens getrunken. Ganz aktuell wurde Bottrop im Bundesumweltministerium in Berlin für seinen vorbildhaften Einsatz von Recyclingpapier gewürdigt. Die Stadt setzt in der Verwaltung zu 100 Prozent Papier mit dem Blauen Engel ein und erreichte so den dritten Platz im Papieratlas-Städtewettbewerb der Initiative Pro Recyclingpapier (IPR).
Was planen Sie als nächstes?
Tischler: In naher Zukunft beabsichtigen wir, uns als Fairtrade Town zertifizieren zu lassen. Zur personellen Unterstützung haben wir im September dieses Jahres die Förderung einer Personalstelle bei Engagement Global – Service für Entwicklungsinitiativen beantragt.
Interview: Jörg Benzing
Zur Person: Bernd Tischler (Jahrg. 1959) ist seit 2009 Oberbürgermeister der Stadt Bottrop (rund 120.000 Einwohner) in Nordrhein-Westfalen. Vor seinem Amtsantritt war der studierte Raumplaner Leiter des städtischen Planungsamtes und seit 2004 Technischer Beigeordneter der Stadt Bottrop. Tischler ist verheiratet und hat zwei Kinder.