Lokale Wertschöpfung und Akzeptanz steigern

Die Beteiligung der Bürger ist wichtig für den Erfolg der Energiewende, vor allem für die Akzeptanz von Erneuerbare-Energien-Anlagen. Energiegenossenschaften sind als regionale Gemeinschaftsunternehmen eine gute Möglichkeit, auch eine größere Personengruppe zu organisieren.

Seit 2006 wurden in Deutschland über 800 Energiegenossenschaften mit rund 160.000 Mitgliedern gegründet. Mehr als 90 Prozent der Genossenschaftsmitglieder sind Privatpersonen. Sie investierten etwa 1,8 Milliarden Euro in erneuerbare Energien, zumeist in Fotovoltaik und Wind, aber auch in Nahwärmenetze und Energieeffizienzmaßnahmen.

In Energiegenossenschaften kommen Bürger, Landwirte oder Unternehmer zusammen, um – häufig gemeinsam mit kommunalen Entscheidungsträgern, öffentlichen Einrichtungen und regionalen Banken – Kraftwerksprojekte im Bereich der Sonnen- oder Windenergie zu initiieren. Auch lokale Nahwärmenetze werden in genossenschaftlicher Rechtsform betrieben. Dabei wird nicht nur das Investitionsrisiko, sondern auch das Betreiber-Know-how gebündelt.

Im Rahmen dieser Organisationsform können Bürger sich mit überschaubaren finanziellen Beträgen an der Energiewende vor Ort beteiligen. In vielen Genossenschaften ist eine Mitgliedschaft bereits mit weniger als 100 Euro möglich. Die Mitglieder haben im Durchschnitt jeweils etwa 3700 Euro an Geschäftsguthaben gezeichnet.

Mitglieder stehen im Mittelpunkt

Eine Genossenschaft ist allerdings keine „grüne Anlagemöglichkeit“ oder eine „Kapitalsammelstelle“, sie ist vielmehr ein regionales, mitgliederorientiertes Unternehmen. Die Förderung der Mitglieder bestimmt die Unternehmensstrategie: Es geht um die gemeinsame Gestaltung der Energiewende vor Ort. Und dabei werden konkrete Energieprojekte umgesetzt.

Genossenschaften fördern zudem die regionale Wertschöpfung, da oftmals ortsansässige Handwerksbetriebe oder Banken in die Projektumsetzung eingebunden werden. Die Kommunen profitieren schließlich durch zusätzliche Steuereinnahmen.

Die lokale Verwurzelung, die demokratischen Mitbestimmungsmöglichkeiten und das „anteilige Eigentum“ an den erneuerbaren Energien sind die wesentlichen Gründe, warum es bei genossenschaftlich organisierten Energieprojekten nur selten zu Akzeptanzproblemen kommt. Die Menschen sind viel eher bereit, ein Windrad oder eine Biogasanlage in ihrem Heimatort zu akzeptieren, wenn es ihnen selbst gehört und die Wertschöpfung in der Region bleibt. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass auch zukünftig kleine Marktakteure wie Energiegenossenschaften an der Energiewende mitwirken können.

Denn trotz der insgesamt sehr positiven Entwicklung sind die Gründungszahlen zuletzt rückgängig gewesen. Im vergangenen Jahr wurden nur noch 40 neue Energiegenossenschaften registriert. Neben den verringerten Geschäftsmöglichkeiten nach den letzten Reformen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) haben vor allem die drohenden Regulierungskosten einer Bafin-Aufsicht (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) durch das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) viele potenzielle Gründer und die Verantwortlichen von bestehenden Genossenschaften verunsichert.

Strittig war die Frage, ob (Energie-)Genossenschaften einer „operativen Tätigkeit“ nachgehen oder ob sie wie ein Alternativer Investmentfonds Geld von Anlegern einsammelt, um Investitionen in Anlageobjekte zu tätigen. Das KAGB-Problem wurde dank einer Neuauslegung der Bafin zwischenzeitlich gelöst. Die Argumentation lautet: Genossenschaften sind kooperative Unternehmen, die ihre Mitglieder direkt fördern.

Diese Förderzweckstrategie ist grundverschieden zu der im KAGB formulierten „festgelegten Anlagestrategie“. Diese Klarstellung ist mittlerweile auch im KAGB gesetzlich verankert. Insoweit ist es sehr wichtig, dass die genossenschaftliche Rechtsform in der Praxis nicht bloß als Finanzierungsvehikel – zum Beispiel auch für kommunale Energieprojekte – benutzt wird, vielmehr muss immer eine aktive „Betreibereigenschaft“ für das Bürgerunternehmen vorgesehen sein.

Bewertung des EEG 2017

Mit der aktuellen Novellierung des EEG könnte für Energiegenossenschaften wieder ein größerer Handlungsspielraum entstehen. Insbesondere mit der Einführung der Bagatellgrenze (750 Kilowatt) und der Erhöhung der EEG-Vergütung durch den sogenannten atmenden Deckel könnte das „klassische“ Betätigungsfeld der Solarenergie wiederbelebt werden. Auch die Verordnungsermächtigung für Mieterstrom (bzw. Mitgliederversorgung), wenn man also den Solarstrom vom Dach direkt im Gebäude nutzt, wird wichtige Impulse setzen.

Es ist auch begrüßenswert, dass im EEG 2017 erstmals Regelungen für die Bürgerenergie bei Windausschreibungen vorgesehen sind. Sie sollen Chancengleichheit gegenüber den größeren Marktteilnehmer herstellen. Es wird sich allerdings zeigen müssen, ob diese Regelungen auch den gewünschten Erfolg haben.

Erfreulich ist, dass sich immer mehr Energiegenossenschaften strategisch weiterentwickeln. Die Zukunft liegt bei vielen im Bereich der Windenergie. Es werden aber auch neue Geschäftsmodelle wie Strom-Direktlieferung an Endkunden entwickelt oder Dachgenossenschaften zur Stromvermarktung gegründet.

Erfreulich ist zudem, dass genossenschaftliche Nahwärmenetze in den letzten Jahren deutlich im Kommen sind. Deutschlandweit gibt es bereits über 150 dieser Genossenschaften. Zumeist wird dabei die Abwärme von Biogasanlagen landwirtschaftlicher Betriebe genutzt.

Energiegenossenschaften bieten vielfältige Möglichkeiten, die Wertschöpfung durch den Ausbau der erneuerbaren Energien in der Region zu halten. Viele Bürgermeister und kommunale Einrichtungen unterstützen deshalb ihre Energiegenossenschaften.

Aber auch kommunale Unternehmen wie Stadtwerke kooperieren vielerorts direkt mit Energiegenossenschaften. Für eine erfolgreiche bürgernahe Energiewende ist diese Zusammenarbeit auch in Zukunft äußerst wünschenswert.

Eckhard Ott

Der Autor
Dr. Eckhard Ott ist Vorstandsvorsitzender des Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverbandes (DGRV) mit Sitz in Berlin