Lebendige Plätze im Stadtquartier

Menschen verschiedenen Alters und Geschlechts und verschiedener Milieus nutzen den öffentlichen Raum. Eine Studie im Auftrag des Bundesverbands für Wohnen und Stadtentwicklung untersuchte Plätze in Aachen, Saarbrücken und Essen. Sie zeigt auf, wie und wo Begegnungen entstehen.

 

Öffentliche Räume bilden das Grundgerüst unserer Städte. Sie erfüllen zahlreiche Funktionen für die Stadtgesellschaft und die Quartiere. Sie bieten Möglichkeiten zum Aufenthalt, für Aktivität und Begegnung. Es sind Orte für kulturelle und politische Veranstaltungen, sie übernehmen ökologische und ökonomische Funktionen und können identitätsstiftend sein. Sie prägen den Charakter und das Bild des Lebens in einer Stadt. Die Vielfalt der Gesellschaft kann dort sichtbar werden, was auch gesellschaftliche Spannungen und Ausgrenzung einschließt.

Im Rahmen einer Studie im Auftrag des Bundesverbandes für Wohnen und Stadtentwicklung ging der Lehrstuhl für Planungstheorie und Stadtentwicklung der RWTH Aachen Fragen zur Nutzung und Bedeutung öffentlicher Räume in stadtgesellschaftlich vielfältigen Quartieren nach. Dies geschah anhand dreier Fallstudien in Quartieren in Aachen (rund 254.000 Einwohner; Rehmviertel), Saarbrücken (etwa 183.000 Einwohner; Alt-Saarbrücken) und Essen (etwa 590.000; nördliche Innenstadt).

Es kamen verschiedene Methoden zum Einsatz, um die Nutzung, Wahrnehmung und Bedeutung der öffentlichen Räume in diesen Quartieren mit vielfältiger Nutzer- und Bewohnerschaft sowie Nutzungsstruktur zu erfassen: Schlüsselpersonen- und Nutzerbefragungen, Raumbeobachtungen und Kartierungen vor Ort standen im Mittelpunkt der Arbeit.

Erkenntnisse für die PraxisEntgegen verschiedener Befürchtungen zum Funktionsverlust und zur Zweckentfremdung der öffentlichen Räume ist festzuhalten: Die Plätze werden angenommen und die stadtgesellschaftliche Vielfalt bildet sich in ihnen ab. Viele werden durch Menschen verschiedenen Alters und Geschlechts und – augenscheinlich – aus unterschiedlichen Milieus genutzt.

Es gibt auch Orte, die nur von bestimmten Gruppen oder nur zu bestimmten Zwecken aufgesucht werden. Dies gilt vor allem für solche, die ein bestimmtes Nutzungsangebot vorsehen, etwa Spielplätze. Eine milieuspezifische Selektion konnte dort jedoch nicht beobachtet werden.

Darüber hinaus gibt es andere Räume, die nicht wahrgenommen oder sogar regelrecht gemieden werden. Dazu zählten etwa Wegeverbindungen oder Bereiche, die sich in einem schlechten Pflegezustand befinden oder die mit Drogen- und Alkoholkonsum oder Kriminalität in Verbindung gebracht werden. Auch Verkehr kann Nutzungen einschränken; es fanden sich jedoch auch Räume, wo trotz Verkehrsbelastung eine rege Nutzung gegeben war.

Um die Frage zu beantworten, ob die öffentlichen Räume Begegnungen zwischen Fremden ermöglichen, musste zunächst der Begriff „Begegnung“ differenziert werden. Es wurde in den Beobachtungen zwischen der Sichtbarkeit, die die gleichzeitige Anwesenheit mehrerer Personen im Raum als Voraussetzung hat, und der Interaktion zwischen Personen – Handzeichen, Gespräche oder auch konflikthaftes Interagieren – unterschieden.

Solche Nutzungskonflikte wurden jedoch nur vereinzelt bei sozial auffälligen Einzelpersonen oder raumgreifenden Gruppen beobachtetet. Es liegt nahe, dass die Sichtbarkeit in den Beobachtungen die häufigste Form der Begegnung darstellte. Aber auch Interaktionen wie Begrüßungen, kurze oder längere Gespräche – auch zwischen Fremden – und gemeinsames Kinderspiel waren zu beobachten.

Beachtung und Pflege sind erforderlichÖffentliche Räume haben eine wichtige Bedeutung für die Stadt. Sie bedürfen jedoch auch einer entsprechenden Beachtung und Pflege, damit sie ihrer Bedeutung gerecht werden können. Zunächst sind eine gute Erreichbarkeit, Lage und ein ungehinderter Zugang entscheidend. Ein Ort, der auf dem Weg zu häufig angestrebten Zielen liegt, ist belebter als einer, für den dies nicht gilt. Ein weiterer wesentlicher Faktor ist die Größe des Raumes und damit der selbst bestimmbare Abstand zu anderen Nutzern. Vielfältige Nutzungsangebote stellen eine Möglichkeit dar, die Nutzung und eine vielfältige Nutzerschaft öffentlicher Räume zu fördern.

Auch Nutzungsmöglichkeiten am Rand wie Gastronomie und Einzelhandel erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass sich Menschen in einem Raum aufhalten. Sowohl die befragten Nutzer als auch die Schlüsselpersonen betonten die Bedeutung von Pflegezustand und Gestaltung für das Nutzungsverhalten öffentlicher Räume. Weitere Faktoren waren Beleuchtung und soziale Kontrolle, die wesentlich für ein Sicherheitsgefühl in den untersuchten Räumen waren.

Umgekehrt sinkt also auch die Wahrscheinlichkeit für eine Nutzung, wenn ein Raum peripher liegt, schlecht zugänglich ist, keine oder wenige Nutzungsangebote bereithält oder sich in einem ungepflegten Zustand befindet. Darüber hinaus wurden als Faktoren, die die Nutzung hemmen, von den Befragten Drogenkonsum und -handel sowie sozial auffällige Personen oder Gruppen, die Räume „besetzen“, genannt. Auch Verkehr kann Nutzungen einschränken, es fanden sich jedoch auch Räume, wo trotz Verkehrsbelastung eine rege Nutzung vorlag.

Eine besondere Möglichkeit, Begegnung zu ermöglichen und Vielfalt sichtbar zu machen, stellen Feste und Aktionen dar. Dazu zählten etwa Märkte, wie sie auf dem Ludwigsplatz in Saarbrücken stattfinden, Konzerte und Festivals in der Essener Innenstadt oder nachbarschaftlich organisierte Treffen auf dem Rehmplatz in Aachen.

Neben diesen Aktionen spielen auch Einrichtungen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, gesellige Begegnung möglich zu machen. Dazu zählten Senioren-, Jugend- oder Nachbarschaftstreffs in sozialen Einrichtungen, Kneipen und Bars, in denen sich Studenten treffen, Bildungs- und Kulturstätten und viele andere. Dies macht deutlich, dass gerade in vielfältigen Quartieren die öffentlichen Räume nicht nur in ihrer Gestaltung betrachtet werden können, sondern dass sie vielmehr in integrierten Handlungsstrategien behandelt werden sollten.

Friederike Fugmann

Die Autorin
Friederike Fugmann arbeitet am Lehrstuhl für Planungstheorie und Stadtentwicklung an der RWTH Aachen