Der Landkreis Cochem-Zell hat früh den Weg der Digitalisierung beschritten. Landrat Manfred Schnur schildert in seinem Beitrag die Projekte im Bereich von Mobilität, Breitbandausbau und Verwaltung.
Wohl alle Menschen wünschen sich, auch bei eingeschränkter Mobilität weiterhin am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Doch gerade im ländlichen Raum stellt ein Besuch beim Arzt, das Erledigen von Bankgeschäften oder das Einkaufen insbesondere für ältere Menschen oftmals eine große Herausforderung dar.
An dieser Stelle greift das Konzept „Smartes Wohnen im Alter“ des rheinland-pfälzischen Landkreises Cochem-Zell. Er nimmt mit dem Konzept am Bundesprogramm Ländliche Entwicklung (BULE) der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung teil. Mit dem Förderprogramm „Land.Digital: Chancen der Digitalisierung für ländliche Räume“ unterstützt das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung Projekte, die Probleme in einer ländlichen Region mithilfe neuer Informations- und Kommunikationstechnologien lösen.
Zielsetzung im Landkreis Cochem-Zell ist es, älteren Menschen über eine App Hilfestellungen zu geben, indem die individuellen Bedürfnisse der Nutzer und der Anbieter zusammengeführt werden, und ihnen so ein mobiles, eigenständiges und selbstbestimmtes Leben sowie die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben im ländlichen Raum zu ermöglichen. Zudem sollen Familienangehörige entlastet werden. Für die Umsetzung erhielt der Landkreis kürzlich einen Förderbescheid in Höhe von rund 168.000 Euro aus den Händen der Bundesministerin für Landwirtschaft und Ernährung, Julia Klöckner.
Das Projekt, das im Sommer dieses Jahres in die dreijährige Pilotphase startet, gliedert sich in vier Phasen. Zunächst soll der konkrete Bedarf zielgruppenorientiert ermittelt werden, um anschließend eine leicht bedienbare virtuelle Plattform zu entwickeln. Danach sollen die Lösungen aktiv getestet und das Projekt verstetigt werden.
Der zentrale Leistungsträger im Bereich Mobilität ist der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV). Im Bereich ÖPNV existieren aktuell vielfältige Angebote wie Bus, Taxi, Rollstuhltaxi oder Anruf-Sammeltaxi, die jedoch nicht vernetzt sind. Die App soll diese Aufgabe übernehmen. Dem Kunden werden darin alle Transportoptionen für die gewünschte Strecke übersichtlich angezeigt. Zudem bietet die App die entsprechenden Buchungsoptionen an. Im Optimalfall wird dadurch der Individualverkehr reduziert und gleichzeitig die Auslastung des ÖPNV erhöht.
Die Verbandsgemeinde Cochem ist dabei Pilotregion. Im Anschluss ist eine Ausweitung auf den gesamten Landkreis geplant. Eine Übertragung auf andere Regionen ist denkbar. Darüber hinaus ist angedacht, die Zielgruppen und Dienstleistungen auszubauen.
Breitbandausbau schafft die Voraussetzung
Doch dieses Projekt ist nicht das einzige fortschrittliche Vorhaben im Landkreis Cochem-Zell. Das gesamte Thema Digitalisierung spielt eine entscheidende Rolle und wird als Chance für den ländlichen Raum gesehen. Damit Kommunen und Nutzer von der Digitalisierung profitieren können, müssen zunächst die Grundvoraussetzungen geschaffen werden.
Der Landkreis Cochem-Zell hat sich bereits im Jahr 2010 gemeinsam mit seinen Verbandsgemeinden sowie den Ortsgemeinden und Städten auf den digitalen Weg gemacht. Dabei wurde der Landkreis im Modell einer Öffentlich-Privaten Partnerschaft (ÖPP) an die schnelle Datenautobahn mit mindestens 16 Mbit/s, in der Regel aber mit 50 Mbit/s und teilweise sogar mit bis zu 100 Mbit/s angeschlossen. Nach der ersten Ausbaustufe starten in diesem Jahr bereits die Nacherschließungen beim Breitbandausbau, um so eine hochleistungsfähige und moderne Breitbandinfrastruktur zu schaffen. Unternehmen, Bildungseinrichtungen und Institutionen werden durch einen direkten Glasfaseranschluss besonders berücksichtigt. Ergänzend wird auch eine Strategie zur flächendeckenden Mobilfunkversorgung im 5G-Standard entwickelt.
Die digitale Infrastruktur ist eine wesentliche Säule, um die Herausforderungen des demografischen Wandels, beispielsweise den Wegfall von Infrastruktureinrichtungen, zu kompensieren. Aber auch innovative Angebote können so implementiert werden, die die Attraktivität des Landkreises als Standort für Wohnen und Wirtschaft steigern.
Aufbauend auf dem flächendeckenden Breitbandnetz wählte eine Jury aus Vertretern des Bundesinnenministeriums, der kommunalen Spitzenverbände sowie unabhängigen Experten den Landkreis Cochem-Zell gemeinsam mit der Verbandsgemeinde Kaisersesch als „Modellkommune E-Government“ aus. Das Ziel war es, möglichst viele Dienstleistungen der Verwaltung online anzubieten und so die Servicequalität nachhaltig zu steigern.
Dienstleistungen im Verwaltungsportal
Keine drei Jahre später konnte sich das Ergebnis sehen lassen. Über das Bürgerportal Cochem-Zell können Bürger ausgewählte Verwaltungsdienstleistungen online nutzen. Das Besondere: Die Nutzer müssen zukünftig nicht mehr wissen, ob für die Bearbeitung des Antrags die Kreisverwaltung oder die Verwaltung der jeweiligen Verbandsgemeinde zuständig ist. Im Bürgerportal stehen die Dienstleistungen verwaltungsebenenübergreifend zur Verfügung. Schrittweise soll das Angebot im Portal weiter ausgebaut werden.
Auch im Bereich Klimaschutz stellt sich der Landkreis zukunftsfähig auf. Die Stromwende ist im vollen Gange. Schon heute produziert der Landkreis Cochem-Zell bilanziell betrachtet mehr Strom, als er verbraucht. Dieser fließt derzeit noch größtenteils in das allgemeine Stromnetz und verlässt so die Grenzen des Landkreises. Um diesem Problem zu begegnen, soll perspektivisch ein sogenanntes virtuelles Kraftwerk aufgebaut werden, das als Verbundkraftwerk aus vielen kleinen dezentralen Stromerzeugungsanlagen sowie Speichern besteht. Denn nicht immer, wenn viel Strom erzeugt wird, ist auch der Verbrauch hoch.
Ziel ist es daher, über eine digitale Vernetzung und Steuerung die dezentralen Stromerzeugungsanlagen und die flexiblen Verbrauchslasten aufeinander abzustimmen. Auf diesem Weg kann heimisch erzeugter Strom in unmittelbarer Nähe genutzt werden. Auch Windenergie- und Solarstromanlagen, deren 20-jährige Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ausläuft, können in einem virtuellen Kraftwerk wirtschaftlich weiter betrieben werden.
Gemäß dem Motto „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit“ möchte der Landkreis Cochem-Zell weitere smarte und digitale Projekte angehen. Nur wer die Chancen der Digitalisierung nutzt, kann sich zukunftsfähig aufstellen.
Manfred Schnur
Der Autor
Manfred Schnur ist Landrat des Kreises Cochem-Zell in Rheinland-Pfalz