Wandern, Kneippen und klimatische Terrainkur – naturnaher Gesundheitstourismus liegt im Trend. Die Stadt Oslberg im Sauerland zum Beispiel knüpft mit neuen Konzepten an ihre lange Tradition als Kurort an, die niedersächsiche Gemeinde Bruchhausen-Vilsen setzt auf ihr Heilklima.
Veränderte Lebensstile, die demografische Entwicklung, aber auch eine zunehmende Bedeutung von Gesundheitsförderung und Prävention stellen Kurorte und Heilbäder vor große Herausforderungen. Der bereits im August 2011 erschienene Branchenreport „Kurorte und Heilbäder“ des Bundeswirtschaftsministeriums verweist zwar auf die vielfältigen Chancen, die sich zukünftig für den Gesundheitstourismus ergeben könnten. Zugleich wird jedoch auch der Handlungsbedarf deutlich, zu dem insbesondere die Spezialisierung und die Profilbildung gehören.
Ein Beispiel dafür, wie man einen traditionsreichen Ansatz bedarfsgerecht weiterentwickeln kann, zeigt das gesundheitstouristische Konzept von Olsberg im Sauerland mit dem Schwerpunkt „Kneipp modern“. Die Stadt mit ihren insgesamt 15 000 Einwohnern gilt als ältester Kneippkurort von Nordrhein-Westfalen und als zweitältester Deutschlands. Im Jahr 1895 errichtete der Sanitätsrat Dr. August Grüne, der vormals ein Schüler des Pfarrers Sebastian Kneipp gewesen war, eine sogenannte Kaltwasseranstalt. Da Olsberg im Rahmen des Regionale-Projekts „Kurorte neu profiliert“ den Nachweis erhalten hat, die Voraussetzungen für eine Höherprädikatisierung zu erfüllen, wird voraussichtlich im Dezember 2016 die Ernennung zum Kneipp-Heilbad erfolgen.
Aufgrund seiner klimatischen und landschaftlichen Bedingungen ist Olsberg bestens dafür geeignet, die auf fünf Säulen ruhende Gesundheitsphilosophie nach Kneipp mit Leben zu füllen. In deren Zentrum stehen heilende und vorbeugende Wasseranwendungen, aber auch die Bewegung im Freien, eine ausgewogene Ernährung sowie Heilkräuter und die innere Balance. Vielfältige Möglichkeiten zur Umsetzung bietet vor allem der 39 Kilometer lange, rund um Olsberg verlaufende Kneippwanderweg. Dieser verfügt sowohl über sechs natürliche, im Wald gelegene Tretstellen an Wasserquellen und Bächen als auch über Barfußwanderwege. Besucher können sich von vier fachkundigen Kneipp-Animateuren begleiten lassen. Darüber hinaus gibt eine Broschüre Auskunft über alle Kneipp-Kraftorte, die Olsberg zu bieten hat. Die bisher eingeschlagene Richtung will man auch in Zukunft weitergehen und ist zugleich offen für Neues.
Kneipp-Angebote modernisieren
Wie Verena Kevekordes von der Tourismusgesellschaft Brilon-Olsberg berichtet, sollen die innerstädtischen Grünflächen in Form eines barrierefreien Rundweges neu gestaltet werden. Dazu gehört auch der nach 40 Jahren etwas in die Jahre gekommene Kurpark Dr. Grüne. Im Rahmen eines „Kneipp-Erlebnisparks“, der voraussichtlich in dreieinhalb Jahren eröffnen soll, sind unter anderem ein „Lernort Kneipp“ sowie Naturbeobachtungsstationen vorgesehen.
„Die Bürger und Gäste unserer Stadt können zukünftig an neun Stationen etwas für ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden tun“, sagt Kevekordes. „Wir wollen die Tradition der Lehre nach Kneipp weiterführen, aber die Angebote zeitgemäßer ausrichten.“
Veranschlagt sind dafür Kosten in Höhe von 2,1 Millionen Euro. Davon kommen 80 Prozent aus Mitteln des Landeswettbewerbs „Erlebnis NRW – Tourismus stärken“, in dessen Rahmen Olsberg ausgezeichnet wurde.
Es gibt jedoch auch für kleinere Kommunen interessante Möglichkeiten, ihr gesundheitstouristisches Profil zu schärfen. Das zeigen die Aktivitäten der rund 7200 Einwohner zählenden Gemeinde Bruchhausen-Vilsen im niedersächsischen Landkreis Diepholz. Der seit 1976 anerkannte Luftkurort verfügt nicht nur über ein ausgedehntes Netzwerk an Wanderwegen und Fahrradwanderwegen. Zusätzlich gehören ein Trimm-dich-Pfad mit 20 Stationen auf einer Länge von drei Kilometern sowie zwei Kneippfreianlagen zum Angebot.
Fitness durch Heilklimawandern
Als Bruchhausen-Vilsen im Jahr 2009 seine Zertifizierung zum Luftkurort erneuern ließ, wurden weitere Entwicklungschancen sichtbar. „Es hat sich gezeigt, dass wir die Voraussetzungen für ein klassifiziertes Terrainkurwegenetz erfüllen“, erläutert Christa Gluschak von der Stabsstelle für regionale Entwicklung, Förderprogramme und Tourismus in Bruchhausen-Vilsen. Auf dieses zusätzliche Potenzial hingewiesen hatte das Institut für Gesundheits- und Rehabilitationswissenschaften mit dem Schwerpunkt der Medizinischen Klimatologie der Universität München.
Dieser Anregung sei man gerne gefolgt, so Gluschak. Weil die körperliche Beanspruchung beim Heilklimawandern geringer ist als etwa beim Joggen, eignet sich diese Bewegungsform ebenso für Senioren, die eher ungeübt sind, wie auch für Personen mit Übergewicht. Das dosierte Gehen auf ansteigenden Strecken, die nach spezifischen Kriterien ausgewählt wurden, wirkt auf vielfältige Weise gesundheitsstärkend.
Die drei Wege wurden gemeinsam mit der Universität Bremen erarbeitet. „Wer Naturerleben, gesundheitsfördernde Klimawirkungen und Bewegung sucht, für den sind die drei Terrainkurwege genau das Richtig“, sagt Gluschak. Diese werden nicht nur von Gästen, sondern auch von unseren Bürgern gut angenommen und ergänzen unser gesundheitstouristisches Konzept auf eine sinnvolle Weise.“
Michaela Allgeier
Die Autorin
Michaela Allgeier, Essen, ist Autorin und Beraterin in den Themenfeldern Demografische Entwicklung und Gerontologie mit den Schwerpunkten Arbeitsmarkt, Gesundheit und Pflege, Wohnen sowie Integration
Info: Der Deutsche Tourismusverband (DTV) und der Deutsche Heilbäderverband (DHV) haben Begriffsbestimmungen und Qualitätsstandards für Heilbäder und Kurorte, Luftkurorte, Erholungsorte sowie für Heilbrunnen und Heilquellen erarbeitet – Download (PDF)
Zum Weiterlesen: Bündeln soll die Betten füllen – Brilon und Oslberg arbeiten in der touristischen Entwicklung des Wellness- und Gesundheitssektors zusammen