Konstruktiver Dialog mit den Anwohnern

Mehr Bauen in der Stadt führt zu mehr Belastungen der Anwohner durch Lärm und Erschütterungen. Eine von Anfang an sorgfältig geplante, in den Bauablauf eingebundene und kontinuierliche Kommunikation zwischen Bauherren und Betroffenen kann einen reibungslosen Bauverlauf sichern helfen.

 

Die Baubranche boomt in vielen Städten und Regionen. Das schafft Arbeitsplätze, neue Wohnungen entstehen, Städte wachsen. Die Kehrseite davon sind Lärm, Staub oder Erschütterungen durch Bauarbeiten. Hinzu kommt ein erhöhtes Verkehrsaufkommen während der Bauzeiten durch Baustellenverkehre. Manche Baustelle zieht sich über mehrere Jahre hin, weil zunächst die vorhandene Bausubstanz abgerissen werden muss, bevor die Baugrube ausgehoben werden und schließlich mit dem Hochbau begonnen werden kann.

Für die umliegende Anwohnerschaft sind damit vielfältige Belastungen verbunden, sodass es zunehmend zu Beschwerden bis hin zu Klagen vor den Gerichten kommt. Mit einer kontinuierlichen Information und Kommunikation lassen sich Konflikte vermeiden oder zu mindestens vermindern.

Die meisten Beschwerden von Anwohnern im Umfeld einer Baustelle beziehen sich auf den Baulärm. Die Beurteilung, ob schädliche Umwelteinwirkungen mit dem Baulärm verbunden sind, erfolgt über die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm (AVV Baulärm vom 19. August 1970). Werden die zulässigen Pegel um mehr als fünf dB(A) überschritten, können durch die zuständige Aufsichtsbehörde Maßnahmen zur Minderung angeordnet werden, im schlimmsten Fall droht eine für den Bauherrn kostspielige Stilllegung der Baustelle.

Auch Erschütterungen sind Grund für häufige Klagen auf Baustellen. Die Beurteilung von Einwirkungen auf Menschen erfolgt nach DIN 4150, wobei insbesondere die Dauer des Auftretens von Erschütterungen eine Rolle spielt.

Bei der im Umfeld der Baustelle wohnenden Bevölkerung wächst die Verärgerung, wenn aus ihrer Sicht unnötige Belästigungen auftreten. Insbesondere Bauarbeiten nach 18 Uhr oder in den frühen Morgenstunden gehören zu den am häufigsten beklagten Störungen, obgleich diese gesetzlich erlaubt sind. Proteste und die Einbeziehung der örtlichen Medien sind daher nicht selten, sodass Bauherren damit verbundene mögliche Imageverluste befürchten müssen. Hinzu kommt, dass Betroffene zunehmend erfolgreich gegen Baustellen in ihrer Wohnumgebung vor Gericht ziehen.

Kontakt herstellen und halten

Lärm wird unterschiedlich erlebt. Neben den physikalischen Eigenschaften eines Geräusches (Schallpegel, zeitlicher Verlauf, Frequenzzusammensetzung) spielt auch die Situation der Betroffenen eine wichtige Rolle. So sind Mütter mit kleinen Kindern, die die ersten Monate überwiegend zu Hause verbringen, sowie ältere und nicht mehr berufstätige Menschen, deutlich stärker betroffen als Menschen, die den ganzen Tag über außer Haus sind. Neben der Dauer und Häufigkeit von lärmbelastenden Situationen spielt auch die Vorhersehbarkeit eine Rolle: Wie verlässlich kann ich mich darauf einstellen, wenn es zwischendurch zu erhöhten Lärmbelastungen kommt? Wie kann jemand innerhalb seiner Wohnsituation die Störung durch auftretende Belastungen möglichst gering halten, zum Beispiel durch das Aufsuchen einer ruhigeren, der Lärmquelle abgewandten Seite?

Bei der Baustellenkommunikation geht es also darum, eine für die Anwohnerschaft im Umfeld einer Baustelle belastende Situation zu verbessern oder zumindest erträglich zu machen. Auch die Möglichkeit, eine Anlauf- oder Kontaktstelle zu haben, um Fragen zum Bauverlauf zu stellen oder sich schlimmstenfalls zu beschweren, erleichtert den Umgang mit unmittelbar Betroffenen.

Will man Konflikt entschärfen und Situation für alle Beteiligten erleichtern, sind die Information über bevorstehende Arbeitsschritte, die Zeitplanung der Baustelle sowie besondere Belastungen ein wichtiger erster Schritt zur Deeskalation. Immer mehr Bauherren erkennen die darin liegenden Chancen.

Eine begleitende Website, auf der sich vor allem die Betroffenen, aber auch sonstige Interessierte, über den aktuellen Baufortschritt informieren können, ist ein hilfreiches Medium. Bewährt haben sich auch anlassbezogene Rundschreiben über einen E-Mail-Verteiler, um die Betroffenen über kurzfristig anstehende Belastungssituationen zu informieren, beispielsweise wenn am nächsten Morgen ein Bagger oder Kran angeliefert wird und mit Störungen zu rechnen ist. Zusätzlich sollten auch traditionelle Briefwurfsendungen oder Aushänge in Hauseingängen als Informationskanal berücksichtigt werden.

Oft sind es nicht messbare Belastungen, die Nachbarn im Umfeld der Baustelle stören, und die durch entsprechende Maßnahmen oder Verhaltensänderungen abgestellt werden können. In einem konkreten Fall gab es auf einer Baustelle vermeidbaren Ärger durch Bauarbeiter, die bereits vor der zulässigen Anfangszeit damit begannen, sich lautstark zu unterhalten, schwere Bauteile umzuschichten und mit Geräten zu hantieren. Nachdem dies durch Gespräche mit der Bauleitung abgestellt werden konnte, führte es auf Seiten der Betroffenen dazu, dass sie sich ernst genommen fühlten und sogar weniger negativ auf andere, nicht so einfach vermeidbare Belästigungen reagierten.

Ein bewährtes Mittel für die Kommunikation sind moderierte Nachbarschaftsdialoge. Dazu werden in der Regel die unmittelbaren Anwohner eingeladen, und es werden Informationen zu den nächsten geplanten Schritten, über Verfahren beim Bauen und mögliche Maßnahmen zur Verminderung von Lärm, Staub oder Erschütterungen gegeben. Der Dialog mit den Anwohnern führt mitunter auch dazu, dass emissionsärmere Verfahren angewandt werden.

Ist der Konflikt bereits eskaliert, helfen in der Regel Gespräche mit den Betroffenen, um gemeinsam zu klären, wie mit der Situation umzugehen ist.

Margit Bonacker / Jana Braun

Die Autorinnen
Margit Bonacker ist geschäftsführende Gesellschafterin der Konsalt-Gesellschaft für Stadt- und Regionalanalysen und Projektentwicklung in Hamburg. Sie betreut mit ihrem Unternehmen bereits seit mehreren Jahren die Anwohnerkommunikation bei innerstädtischen Bauvorhaben. Jana Braun ist Stadtplanerin und Projektleiterin im Unternehmen.