Kommunen stehen in der Pflicht

Viele Gemeinden sind mit ihrer Lärmaktionsplanung in Verzug. Die EU-Kom­mis­sion hat deswegen gegenüber Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren eröffnet. In nun erforderlichen Planungen ist besonderes Augenmerk auf die Mitwirkung der Öffentlichkeit zu legen.

Die EU-Umgebungslärmrichtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Ermittlung der Lärmbelastung innerhalb festgelegter Gebiete. So sind strategische Lärmkarten für Hauptverkehrsstraßen, Haupteisenbahnstrecken und Großflughäfen sowie für Ballungsräume zu erstellen. Zur Verminderung der Lärmbelastung der Bevölkerung und zum Schutz ruhiger Gebiete sind Lärmaktionspläne mit Maßnahmen aufzustellen. Zuständig für diese Aufgaben sind in der Regel die Gemeinden, die Lärmkartierung erfolgt in den meisten Bundesländern jedoch von Landesbehörden. Das Eisenbahn-Bundesamt ist für die Lärmkartierung und Aktionsplanung an den Haupteisenbahnstrecken zuständig.

Die Europäische Kommission überwacht als „Hüterin der Europäischen Verträge“ die korrekte Umsetzung und Anwendung des Europarechts. Am 29. September 2016 eröffnete sie ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen fehlender Lärmaktionspläne. Neben Deutschland sind auch Verfahren hinsichtlich der Lärmaktionsplanung gegenüber Spanien, Slowenien, Ungarn und der Slowakei anhängig. In einem ersten Verfahrensschritt ist Deutschland nun aufgefordert, Stellung gegenüber dem Vorwurf der mangelhaften Umsetzung der Lärmaktionsplanung zu nehmen (bzw. diese abzustellen). Im Lauf des Verfahrens kann die Kommission den Europäischen Gerichtshof (EuGH) anrufen. Im Fall einer Verurteilung muss der Mitgliedstaat dann die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um das Urteil umzusetzen.

Wenn der Rechtsverstoß festgestellt wurde und nicht rechtzeitig abgestellt wird, droht ein Zwangsgeld. Hierzu wird der EuGH von der Europäischen Kommission erneut angerufen und dieser kann entsprechende Sanktionen verhängen. Je nach Verfahren können dann Zwangsgelder bis zu mehreren Millionen Euro festgesetzt werden.

Kette der Lastentragung endet bei den Ländern

Vertragsverletzungsverfahren und Zwangsgelder richten sich immer gegen die Bundesrepublik Deutschland, auch wenn der Verstoß auf Ebene eines Bundeslandes oder auf kommunaler Ebene erfolgt. Das Lastentragungsgesetz sieht jedoch vor, dass diejenige staatliche Ebene für Verstöße haftet, in deren Aufgabenbereich die betreffende Pflichtverletzung erfolgt ist. Bisher endet die Kette der Lastentragung jedoch regelmäßig bei den Ländern, auch wenn eine Kommune das Vertragsverletzungsverfahren verursacht hat, da in kaum einem Bundesland ein landeseigenes Lastentragungsgesetz existiert. Somit verbleibt für die Abstellung der Verstöße dort nur der Weg über die Kommunalaufsicht. Die finanziellen Mittel für die Zwangsgelder schränken aber den Spielraum im Landeshaushalt ein und treffen dann zum Beispiel über Förderprogramme die entsprechenden Kommunen.

Lärmaktionspläne sind aufzustellen zur Regelung von Lärmproblemen und Lärmauswirkungen. Was Lärmprobleme und -auswirkungen sind, regeln weder die Richtlinie selbst noch die nationale Umsetzung verbindlich. Im Rahmen der EU-rechtlichen Vorgaben entscheiden daher die zuständigen Stellen der Länder und Gemeinden selbstständig über die Notwendigkeit einer Lärmaktionsplanung. Hierzu haben einige Bundesländer Empfehlungen zu Auslösekriterien herausgegeben. Die Entscheidung über die Aufstellung eines Lärmaktionsplans hängt von den örtlichen Gegebenheiten ab und wird auf der Grundlage der Lärmbelastung, der empfohlenen Auslösewerte, der Betroffenheiten und möglicher Lärmkonflikte getroffen.

Die Kommunen haben bei der Aufstellung von Lärmaktionsplänen einen gewissen Ermessensspielraum, müssen bei der Entscheidung aber dafür sorgen, dass die Öffentlichkeit rechtzeitig gehört wird. Die Beteiligung der Öffentlichkeit ist ein Kernbestandteil der EU-Umgebungslärmrichtlinie. Es ist dabei sicherzustellen, dass die Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung und der Überprüfung der Aktionspläne mitwirken kann. Die Ergebnisse der Mitwirkung sind zu berücksichtigen, und die Öffentlichkeit ist über die getroffenen Entscheidungen zu unterrichten.

Neue Lärmkarten liegen Ende Juni 2017 vor

Eine Untersuchung zum Stand der Lärmaktionsplanung in Deutschland zeigte 2016 , dass nicht alle notwendigen Zusammenfassungen von Lärmaktionsplänen die inhaltlichen Mindestanforderungen erfüllen (siehe Info unten). Es besteht noch deutlicher Verbesserungsbedarf. So enthält nur die Hälfte der Meldungen die notwendigen Angaben zur Öffentlichkeitsmitwirkung. Langfristige Strategien sind in nur knapp einem Drittel der Meldungen vorhanden.

Das Ziel der Bundesregierung ist, finanzielle Sanktionen aufgrund von Vertragsverletzungen zu vermeiden. Dabei spielen die betroffenen Gemeinden eine wesentliche Rolle. Lärmaktionspläne waren bis zum 18. Juli 2013 zu erstellen. Diese Planungen sollen jetzt zügig abgeschlossen und eine Zusammenfassung des endgültigen Aktionsplans von nicht mehr als zehn Seiten an die zuständige Landesbehörde übermittelt werden. Dabei ist besonderer Augenmerk auf die notwendige Mitwirkung der Öffentlichkeit zu legen und diese entsprechend zu dokumentieren.

Bis zum 30. Juni 2017 werden die neuen Lärmkarten vorliegen. Von den Gemeinden ist dann die Lärmsituation erneut zu bewerten. Eine vorhandene Lärmaktionsplanung erleichtert dies deutlich. Der Lärmaktionsplan braucht in vielen Fällen dann nur überprüft und fortgeschrieben werden.

Eckhart Heinrichs / Matthias Hintzsche

Die Autoren
Dr. Eckhart Heinrichs ist Geschäftsführer des Verkehrsplanungsunternehmens LK Argus in Berlin,
Matthias Hintzsche ist Mitarbeiter des Umweltbundesamts in Dessau-Roßlau

Info: Lärmaktionsplanung

Die inhaltlichen Mindestanforderungen an die von den Gemeinden zu erstellenden Lärmaktionspläne ergeben sich aus dem Bundes-Immissionsschutzgesetz in Verbindung mit Anhang V der EU-Umgebungslärmrichtlinie. Dies sind insbesondere:

  • Zusammenfassung der Daten der Lärmkarten

  • Bewertung der geschätzten Anzahl von Personen, die Lärm ausgesetzt sind, sowie Angabe von Problemen und verbesserungsbedürftigen Situationen

  • Protokoll der öffentlichen Anhörungen

  • Vorhandene oder geplante Maßnahmen zur Lärmminderung

  • Maßnahmen, die die zuständigen Behörden für die nächsten fünf Jahre geplant haben, einschließlich der Maßnahmen zum Schutz ruhiger Gebiete

  • Langfristige Strategie zur Lärmminderung