Kommunen nehmen Breitbandausbau in die Hand

Immer mehr Gemeinden und Landkreise engagieren sich beim Breitbandausbau. Der Bund fördert diese Aktivitäten. Zwei Ansätze sind möglich: das Wirtschaftlichkeitslückenmodell und das Betreibermodell.

Die Bundesregierung hat als Ziel ausgegeben, bis 2018 allen Menschen in Deutschland Breitbandanschlüsse mit mindestens 50 Mbit/s Bandbreite zu ermöglichen. Vor Kurzem veröffentlichte die SPD ein Papier, mit dem der Weg in die Gigabit-Gesellschaft vorgezeigt wurde. Danach sollen jährlich mehrere Milliarden Euro für den Ausbau von Gigabit-Anschlüssen zur Verfügung gestellt werden.

Der ländliche Raum hängt nach wie vor der Entwicklung deutlich hinterher. Dies zeigen auch die Zahlen des TÜV Rheinland, wonach Mitte 2015 nur 26,1 Prozent der Haushalte im ländlichen Bereich und nur 55,8 Prozent der Haushalte im halbstädtischen Bereich mindestens 50 Mbit/s als Bandbreite erhielten.

In mehreren Bundesländern hat dies mittlerweile dazu geführt, dass die Gemeinden und Landkreise verstärkte Initiativen zeigen, sich beim Breitbandausbau zu engagieren. Nach der Förderrichtlinie des Bundes sind zwei Ansätze möglich:

  • Beim Wirtschaftlichkeitslückenmodell wird dem Netzbetreiber durch die Gemeinde die Differenz zwischen Einnahmen und Kosten des Netzaufbaus und -betriebs für einen Zeitraum von mindestens sieben Jahren einmalig bezuschusst.

  • Beim Betreibermodell wird die Gemeinde selbst aktiv und stattet das Ausbaugebiet mit Leerrohren oder unbeschalteten Glasfasern aus. Diese sogenannte „passive Infrastruktur“ wird dann an einen privatwirtschaftlichen Betreiber zur Nutzung übergeben. Auf diese Weise wird die Gemeinde Eigentümerin der Infrastruktur und bleibt es auch.

Die Vergabe und Verteilung der 2,7 Milliarden Euro aus der Versteigerung von Mobilfunkfrequenzen wird ein langwieriger und komplexer Prozess. Zudem droht dem Wettbewerb dadurch Gefahr, dass durch das Ziel von nur 50 Mbit/s der Ausbau von Kupfernetzen bevorteilt wird (VDSL mit Vectoring). Nach aktuellem Stand ist davon auszugehen, dass auf diesem Wege erhebliche Mittel der Deutschen Telekom zufließen werden.

Im Lichte der Digitalisierung und der Entwicklungen zu „Industrie 4.0“ wird auch im öffentlichen Bereich die Verzahnung von Telekommunikation-/Breitband-Infrastruktur und IT-Prozessen immer wichtiger. Die Bedeutung der elektronischen Kommunikation und Archivierung wächst, immer mehr Verwaltungsprozessen werden über Informations- und Kommunikationstechnik (ITK) abgewickelt. Es stellt sich daher die Frage, ob und inwieweit sich die kommunalen Verwaltungen und die Gemeinden in diesem Feld über den Ausbau von passiven Netzen hinaus engagieren können, sollen und wollen.

Dem gegenüber steht ebenso die Frage, ob und inwieweit klassische Telekommunikations-Netzbetreiber in der Lage sind, diese Funktionen gut zu erfüllen. Viel hängt davon ab, welche Stufen der Wertschöpfung die einzelnen Player übernehmen. Kommunen oder Stadtwerke können sich neben dem passiven Netzausbau ebenfalls beim Netzbetrieb und sogar beim Diensteangebot und dessen Vermarktung engagieren.

Zukunftsfähiges Konzept

Welche Ebenen der Wertschöpfungsstufen durch die Kommune abgedeckt werden sollen, ist wesentlich vom digitalen Gesamtkonzept der Kommune abhängig. Da die Digitalisierung von Verwaltungsleistungen für Gemeinden und Landkreise immer mehr zu einem zentralen strategischen Thema wird, muss dieses Konzept auch zukünftige Entwicklungen berücksichtigen.

Die Breitbandversorgung sowie die angebotenen Dienste bilden die Basisvoraussetzungen für die Umsetzung der digitalen Strategie. Die Veränderung von Rahmenbedingungen und noch anstehende Entscheidungen wie beispielsweise über die Netzneutralität und Preisstrukturen dürfen die Umsetzung des digitalen Gesamtkonzeptes auch langfristig nicht beeinträchtigen.

Mit einem eigenen Diensteangebot ergibt sich für die Kommune die Möglichkeit mit den ansässigen Unternehmen und Bürgern intensiv in Kontakt zu bleiben sowie gleichfalls die Nutzung ihrer digitalen kommunalen Leistungen zu fördern. Letzteres ist für eine erfolgreiche Umsetzung des digitalen Gesamtkonzeptes ein wesentlicher Baustein.

Möchte die Kommune einen neuen digitalen Verwaltungsdienst einführen, so kann sie diesen etwa über die Internet-Startseite, Rechnungsbeilagen oder über das Selfcare-Portal ihren Bürgern bekanntmachen. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, durch Preisnachlässe auf die Grundgebühr des Breitbandanschlusses die Nutzung des neuen Dienstes zu fördern.

Auf der Kostenseite ist zu berücksichtigen, dass rund 70 bis 80 Prozent der Gesamtkosten beim Breitbandausbau für die Tiefbauarbeiten zur Verlegung von Glasfaser entstehen. Verpachtet eine Kommune die Glasfaserinfrastruktur an einen Netzbetreiber, dann verbleibt häufig das wirtschaftliche Risiko für die Refinanzierung dieser Infrastruktur bei der Kommune. Die Pachthöhe ist oftmals abhängig von der Anzahl abgeschlossener Teilnehmeranschlussverträge des Netzbetreibers, welche die Kommune nur sehr bedingt beeinflussen kann.

Vorleistungen eines erfahrenen Anbieters

Werden die Dienste dagegen von der Kommune selber angeboten, so hat diese die Möglichkeit, durch den Abschluss von Vorverträgen mit Bürgern und Unternehmen die Amortisierung des Projektes abzusichern. Beim Netzbetrieb und beim Diensteangebot bietet sich für die Kommune an, auf die Vorleistungen eines erfahrenen Anbieters zurückzugreifen, der Telekommunikationsnetze betreibt und umfassende Erfahrungen als Wegbereiter und technischer Vorrreiter (englisch: „Enabler“) für Telekommunikationsservices besitzt.

Ideal ist neben dem Netzaufbau und -betrieb auch das Vorhandensein einer sogenannten White-Label-Plattform, die bereits alle Funktionen und Prozesse bereitstellt, um Breitbanddienste unter eigener Marke am Markt anzubieten. White-Label heißt übersetzt „Weiße Etikette“. Ein White-Label-Produkt wird beispielsweise unter verschiedenen Namen oder Marken offeriert – die Vermarktung übernehmen andere Anbieter und nicht der ursprüngliche Hersteller.

Neben einem raschen Markteintritt (Time-to-market) sind mit dieser Lösung die Kosten für den Aufbau und Betrieb der Breitbandnetze sehr gut kalkulierbar. Bei der Entwicklung und Bereitstellung der Breitbanddienste kann die Kommune auf das Know-how des Anbieters zurückgreifen. Zudem bietet die White-Label-Plattform die Offenheit, um diese in das digitale Gesamtkonzept der Kommune einzubinden. Mit einem solchen Dienstleister kann die Kommune ihren Bürgern und Unternehmen Breitbanddienste unter eigener Marke anbieten und zugleich auf deren zunehmend höhrere Ansprüche an die Verwaltung ganzheitlich reagieren. Das eigene Breitbanddienste-Angebot bietet dabei für die Kommune die wesentliche Grundlage, um auch langfristig digitale Verwaltungsdienstleistungen als Standortvorteil erfolgreich zu nutzen.

Dietmar Becker / Ernst-Olav Ruhle

Die Autoren
Dietmar Becker ist Leiter Profitcenter Consumer Wholesale Services beim IT-Beratungsunternehmen QSC (Schwerpunkte: Cloud, Consulting, Outsourcing und Telekommunikation) in Köln,
Dr. Ernst-Olav Ruhle ist Vorstand des im Telekommunikationssektor tätigen Beratungsunternehmens SBR-Net Consulting in Düsseldorf und Lehrbeauftragter an der Universität zu Köln

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