Initiative zahlt sich aus

Gemeinschaftliches Standortmarketing ist das angemessene Mittel, um die lokale u nd regionale Wertschöpfung zu steigern. Von Kommunen, die in diesem Sinne innovativ geführt werden, kann man lernen, wie sich eine erfolgreiche Kooperation trotz aller Widerstände realisieren lässt.

Alle Kommunen müssen sich den Herausforderungen stellen, die das Zusammentreffen von demografischem Wandel, Wirtschaftsstrukturwandel, Verbreitung des Internets und Verhaltensänderungen der Bürger vor allem als Kunden für sie bedeuten. Große Städte und Kommunen in Metropolregionen sind besser gerüstet, sie verfügen über ausgebaute Infrastruktur einschließlich der Bildungs- und Gesundheitsinstitutionen, haben meistens Breitbandanschluss und profitieren von ihrer hohen Attraktivität als Wohnort für die Bürger und als Standort für Unternehmen. Wie steht es aber mit den Chancen der kleineren Kommunen im ländlichen Raum?

Zur Standortbestimmung der einzelnen Kommunen hilft ein Blick in die Landesentwicklungsprogramme der Bundesländer und die regionalen Raumordnungspläne, die Informationen und Vorgaben enthalten – unter anderem zum System der Zentralen Orte, zur Siedlungs- und Freiraumstruktur, zum Aufbau von Entwicklungsachsen, zu Vorrang- und Vorbehaltsgebieten für bedeutsame Raumnutzungen und zu Infrastrukturstandorten und Trassen. Die Chancen einer Kommune werden auch durch diese Vorgaben bestimmt.

Um aber über die Landesplanung zur Sicherung der Daseinsvorsorge hinaus Daten zu erhalten, die auch das Wirken der Marktkräfte erfassen, ist es notwendig, eine SWOT-Analyse für die einzelne Kommune zu erstellen, also eine Stärken-Schwächen-Chancen-Risiken-Analyse. Dieses Instrument hat sich in der Unternehmensplanung bewährt und es kann ebenso in der Kommunalverwaltung gute Dienste leisten, unabhängig von der Größe der Gemeinde. Es geht darum, Tendenzen und Proportionen zu erfassen. Auf methodische Perfektion und wissenschaftliche Präzision kommt es in der Praxis nicht an.

Potenzial analysieren und ausschöpfen

Wichtig ist stattdessen, das Potenzial richtig einzuschätzen und den Weg in die richtige Richtung zu finden. Auf der Grundlage der standortbezogenen SWOT lässt sich dann mit den Mitteln des ganzheitlichen Standortmarketings (alle Branchen, alle Ortsteile) systematisch das Wertschöpfungs-Potenzial nutzen.

Dazu einige Anmerkungen: Auch in Rathäusern verbreitet ist der Irrtum, Marketing sei mit Werbung gleichzusetzen. Richtig an dieser laienhaften Vermutung ist, dass Werbung und PR wichtige Element eines professionell erstellten Marketingkonzepts sind. Ein solches Konzept ist aber viel mehr: Es besteht aus der Markt- und Wettbewerbsanalyse, der Produktpolitik, der Preispolitik, der Vertriebsspolitik, der Kommunikationspolitik und der laufenden Erfolgskontrolle. Ein werblich schön gefärbtes Bild des Standorts reicht nicht. Hier gilt der alte preußische Leitsatz: „Mehr sein als scheinen!“, sonst ist die Werbung nicht glaubwürdig, die Erwartungen der Kunden und Gäste werden enttäuscht und die Mittel sind fehlinvestiert. Das ist dann das gerade Gegenteil der angestrebten Markenbildung.

Standortmarketing ist auch mehr als klassische Wirtschaftsförderung, die von der Kommunalverwaltung betrieben und deren Erfolg meist am Zuwachs beim Gewerbesteueraufkommen gemessen wird. Standortmarketing ist dann erfolgreich, wenn es gelingt, eine größere Zahl der örtlichen Unternehmer und Institutionen für die aktive Mitwirkung zu gewinnen. Wie kann das gelingen? Indem deren Eigeninteresse an guten Standortbedingungen mit dem Gemeinwohlinteresse an einem vitalen Standort verkuppelt wird, der für die Bürger als Wohn- und Einkaufsort, für Unternehmen als Firmensitz und für Gäste und Touristen als Reiseziel attraktiv ist.

Die Kooperation Verwaltung und Wirtschaft funktioniert in jeder Kommune – nicht nur in großen Städten mit Stäben für Wirtschafts- oder Tourismusförderung, sondern ebenfalls in kleineren Kommunen im ländlichen Raum. Man muss es aber richtig machen. Viele Kommunen haben leider mit partizipativen Prozessen wie Lokale Agenda, Zukunftswerkstätten oder Stadtmarketing schlechte Erfahrungen gemacht und nehmen davon Abstand.

Gemeinschaftliches Standortmarketing ist aber das angemessene Mittel, um die Wertschöpfung zu steigern und dafür private Investitionen mit Nutzen für das Gemeinwesen auszulösen. Wenn die kommunalen Finanzen knapp sind und staatliche Zuschüsse fehlen, bleibt das Geld der Privaten die einzige Quelle, die zur Finanzierung wertschöpfender Investitionen zur Verfügung steht. Vor allem über Gebäudeinvestitionen entscheiden die privaten Investoren; sie brauchen aber Zuversicht und Planungssicherheit.

Bedingungen für den Erfolg

Wer dies erkannt hat und den Kooperationsprozess trotz aller sattsam bekannten Probleme in Angriff nehmen will, sollte dafür sorgen, dass diese Erfolgsbedingungen geschaffen werden:

  • Einbezug der Betroffenen, Einigung auf gemeinsame Ziele und Vorgehensweise,

  • Zentrale Leitung vom Rathaus aus mit klarer Aufgabenverteilung und systematischem Projektmanagement

  • Guter Informationsfluss

  • Mittelfristige Budgetplanung zur Sicherung der Kontinuität

  • Periodische Erfolgskontrolle und sorgfältige stete Öffentlichkeitsarbeit.

Von Kommunen, die in diesem Sinne innovativ geführt werden, kann man lernen, wie sich eine Kooperation zur Erzielung von Wertschöpfung zum Nutzen der gesamten Kommune trotz aller Widerstände und Hemmnisse realisieren lässt. Dazu an dieser Stelle nur zwei Beispiele: Das Dorf Jühnde in Südniedersachsen, 780 Einwohner, stark landwirtschaftlich ausgerichtet, gründete vor rund zehn Jahren eine Genossenschaft zur Umstellung der Energieversorgung durch erneuerbare Energien. Die Landwirtschaft liefert die Biomasse; die genossenschaftliche Organisation ermöglicht Bürgerbeteiligung. Inzwischen erzeugt Jühnde doppelt so viel Energie wie das Dorf verbraucht. Es gilt als Modellfall und ist als „Bioenergiedorf“ auch international bekannt geworden.

Das Städtchen Hillesheim in der Vulkaneifel mit seinen rund 3200 Einwohnern ist Hauptort der Verbandsgemeinde Hillesheim mit rund 8500 Einwohnern. Aus einer Privatinitiative entstand hier ein ganzer „Krimi-Cluster“. Da zählen das „Kriminalhaus“ mit dem größten privaten deutschen Krimi-Archiv, die Buchhandlung Lesezeichen, der Sitz eines bekannten Eifel-Krimiautors, das Cafe „Sherlock“, das erste „Krimihotel“ in Deutschland, das Eifel-Krimifestival und der Krimi-Wanderweg. Die Privatinitiativen werden vom Tourismusverband Urlaubsregion Hillesheimer Land unterstützt, der seinerseits die Kapazitäten der Regionalmarke Eifel GmbH nutzt.

Ein Tipp zum Schluss: Machen Sie sich mit der Materie Standortmarketing vertraut, holen Sie die besten Köpfe zusammen, machen Sie mit Bordmitteln eine erste SWOT-Analyse und diskutieren Sie die Ergebnisse. Fangen Sie klein und mit realistischen Erwartungen an, entfalten Sie Ihr Standortmarketing Schritt für Schritt und lassen Sie die Teilerfolge wirken. Die Bürgermeister von Jühnde und Hillesheim werden das bestätigen.

Karl J. Eggers

Der Autor
Karl J. Eggers ist freiberuflicher Marketingberater in Lambrecht/Pfalz

Info: Die Bundesanstalt Landwirtschaft und Ernährung unterhält mit ihrem Netzwerk www.netzwerk-laendlicher-raum.de ein Informationsangebot, das sich nicht nur an die Land- und Forstwirtschaft richtet, sondern eine Fülle von Hinweisen bietet, die der Entwicklung ländlicher Räume dienen und für die ländlichen Kommunen nützlich sind. Auch die Deutsche Landeskulturgesellschaft (DLKG) trägt mit ihren Forschungs- und Tagungsergebnissen zum Verständnis der Probleme der ländlichen Räume und zur Suche von Lösungen bei.

Zum Weiterlesen: Unsere Themenseite bietet den Überblick über alle Fachbeiträge der edition „Zukunft für den ländlichen Raum“