Der Bedarf an ortsspezifischen Beleuchtungslösungen wird in den attraktiven Innenstadtbereichen immer wichtiger. Eine Abweichung von den standardisierten Beleuchtungssituationen muss indes kein Sicherheitsrisiko darstellen.
In den vergangenen 20 Jahren ist insbesondere in Innenstadtlagen die Beleuchtung zum Bestandteil des Stadtmarketings avanciert. Die Beleuchtung der öffentlichen Räume dient demnach längst nicht mehr nur der nächtlichen Sicherheit, sondern im wahrsten Sinne des Wortes dem Sichtbarwerden in der Flut der Angebote. Die Städte konkurrieren um Touristen und Bewohner, um Einkaufende und Nachtschwärmer.
Individuelle Beleuchtungskonzepte können die städtebaulichen, historischen oder gestalterischen Besonderheiten eines Ortes auch in den Abendstunden sichtbar machen und/oder eine ganz eigene Lichtstimmung erzeugen. Aktuelle Entwicklungen in der Lichttechnik lassen in Zukunft sogar eine Varianz der Beleuchtungsatmosphären in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Schwerpunktnutzung zu.
Fußgängerzonen könnten während der Öffnungszeiten eine andere Lichtcharakteristik zeigen als zu späterer Stunde, wenn nur noch die Gastronomie geöffnet ist oder es um den sicheren Heimweg geht. Und am „Kerzenscheintag“, der in einigen kleinen Städten inzwischen erlebbar ist, wird das künstliche Licht vollständig gelöscht und die gesamte Stadt nur in romantischem Kerzenschein getaucht: die Wirkung wird durch den Kontrast zur – in Innenstädten inzwischen ungewohnten – Dunkelheit erzeugt.
Dunkle Plätze zulassen?
In einer aus Verkehrssicherheitsgründen gleichmäßig beleuchteten Stadt können gerade dunkle Zonen eine besondere Aufmerksamkeit und Atmosphäre bieten, auch ohne ein Sicherheitsproblem zu erzeugen.
Der mittelalterliche Marktplatz von Schmalkalden im Thüringer Wald (Abb. s. Bildergalerie unten) ist beispielsweise an den Rändern mit Wandleuchten bestückt, die die Laufzonen entlang der Fassaden und Geschäfte analog zur DIN EN 13201 ausleuchten. Der Kernbereich des Platzes verbleibt mit einer Beleuchtungsstärke von 1 Lux (Mondlicht) quasi im Dunkeln. Der Helligkeitswechsel verläuft weich, sodass das Auge allmählich von den helleren Zonen am Rand auf die dunklere Mittel adaptieren kann. Im Zentrum des Platzes sind bis auf den akzentuiert beleuchteten Brunnen keine Einbauten und somit keine unerwarteten Hindernisse vorhanden. Die gewählten Natursteinbeläge, die den Altstadtcharakter unterstreichen, sind im Sinne der Barrierefreiheit mit sehr ebenen Oberflächen hergestellt, sodass keine Stolpergefahr besteht.
Der Richard-Wagner-Platz in Leipzig (Abb. s. Bildergalerie unten) bildet an der Schnittstelle vom Grünen Ring zum stark befahrenen Goerdelerring das Entreè in die Innenstadt. Er fungiert als Relaisplatz zwischen den Nördlichen Stadtteilen, den stark frequentierten ÖPNV-Haltestellen und der Fußgängerzone. Die Hauptwegeverbindungen über den Platz, die auch Leitelemente für Sehbehinderte integrieren, sind nach DIN EN 13201 mit 8 bis 18 Lux beleuchtet. Der Kernplatz ist deutlich dunkler und lässt im Kontrast zum Lichtermeer des stark befahrenen Tröndlinrings die leicht erhellten Fassaden der „Blechbüchse“ und des im klassizistischen Stil errichteten „Großen Blumberg“ hervortreten.
Gliederung in Zonen
Aktuell werden zahlreiche Innenstädte ähnlich den Beispielen Schmalkalden und Leipzig unter Berücksichtigung der Aspekte des barrierefreien Bauens mit gut begehbaren und ebenflächigen Belägen umgebaut. Vielfach wird ein klares Zonierungsprinzip für die Platzierung von Ausstattungselementen und Einbauten verfolgt, um auch Menschen mit Einschränkungen der Sehfähigkeit eine gefahrlose und eigenständige Nutzung der öffentlichen Räume zu ermöglichen.
Vor diesem Hintergrund können und sollten die Anforderungen an die verkehrssichernde Beleuchtung differenzierter betrachtet werden: Eine intuitive Orientierung fällt in den Abendstunden auf großen Platzflächen bei einer gewichteten Beleuchtungsintensität leichter als auf einem gleichmäßig beleuchteten Platz.
Entscheidend sind dabei an die Adaptionsfähigkeit des Auges angepasste Übergänge. Diese gilt es insbesondere bei LED Leuchtsystemen neu zu definieren oder weiterzuentwickeln: Leuchten mit LED-Leuchtmitteln werden bekanntermaßen bei gleicher Lichtmenge deutlich heller wahrgenommen als bisherige Leuchtmittel und entwickeln jedoch weniger Streulicht und damit kaum Übergangsbereiche zwischen Hell- und Dunkelzonen.
Dimmbarkeit und Steuerungsoptionen der LED-Leuchtmittel lassen in Zukunft eine an die örtliche Situation angepasste Varianz zu, die nicht nur gestalterische, wirtschaftliche und energetische Vorteile hat, sondern möglicherweise auch Vorteile für die Sicherheit bietet. Eine variierende Beleuchtung kann beispielsweise die für das barrierefreie Bauen notwendigen Kontraste unterstützen, die die Oberflächengestaltungen insbesondere in der Dämmerungsphase aktuell nur in wenigen Materialanwendungen leisten kann. Gerade in diesem Bereich besteht noch ein erheblicher Forschungsbedarf, um die Rolle und die Leistungsfähigkeit des künstlichen Lichts diesbezüglich auszuloten.
Beleuchtete Grünflächen?
In vielen deutschen Städten sind öffentliche Grünräume nachts wenig oder überhaupt nicht beleuchtet. Der Grund dafür sind oftmals Wirtschaftlichkeitsaspekte, die Sorge vor Vandalismus an den Beleuchtungssystemen oder auch ein negativer Einfluss auf die Tierwelt.
Der durch die E-Bikes verstärkte Trend zur Fahrradmobilität in Städten und die durch die wachsende Flexibilität der Arbeitszeiten in die Dämmer- und Dunkelphasen des Tages verschobene Nutzungen von Grünräumen führt mittlerweile auch zu einer veränderten Sichtweise auf die bisherige Beleuchtungspraxis in Grünräumen.
Das Lichtkonzept der Stadt Berlin beinhaltet für die gesamte Stadt Aussagen zur Beleuchtung öffentlicher Räume, Straßen, Plätze und auch Parks. Damit erfolgte erstmalig eine systematische Erfassung und Bewertung der Beleuchtung von Grünräumen. Das Konzept sieht eine ergänzende Beleuchtung von öffentlichen Grünräumen vor, wenn es sich um Hauptwege zur Verbindung von Quartieren, um wichtige Schulwege oder touristisch relevante Verbindungen handelt. Waldflächen sind grundsätzlich von einer Beleuchtung ausgeschlossen. Zu den Parks, die für eine Beleuchtung vorgesehen sind, gehört auch der im Jahr 2013 eröffnete Park am Gleisdreieck (Abb. s. Bildergalerie unten).
In dem Park sind die wichtigen quartiersverbindenden Hauptwegetrassen beleuchtet. Vor dem Hintergrund der ökologischen Verträglichkeit und aus Sorge vor Vandalismus wurden geschlossene Gehäuse mit einem kleinen, gerichteten Lichtaustritt gewählt. Aus Wirtschaftlichkeitsgründen kam ein Standardleuchtenkopf zum Einsatz. Eine gestalterische Variation im Tagesbild erfolgte über variierend geknickte Masten, die den geradlinigen Wegen eine spielerische Note geben.
Nach einer Bemusterung der Leuchten am Originalstandort mit Bürgerbeteiligung hat sich herausgestellt, dass die zunächst anvisierte, auf der Basis der DIN EN 13201 entwickelte Beleuchtungsstärke als zu hell empfunden wurde und deutlich reduziert wurde.
Umgebungsabhängige Lichtqualität
Das Beispiel zeigt, dass die Anwendung der DIN EN 13201 für Straßenbeleuchtung selbst bei Radwegen in Parks kaum befriedigende Ergebnisse liefert, sondern nutzungs- und umgebungsabhängige Lichtqualitäten zu definieren sind. Anders als im bebauten Umfeld besteht bei einer Beleuchtung in Parks ein großer Helligkeitskontrast zwischen beleuchteten und unbeleuchteten Bereichen. Ein Weg durch den Park kann bei zu starker Beleuchtung als helles weißes Band erscheinen, das alles außerhalb des Lichtkegels schwarz erscheinen lässt und sich jeglicher Wahrnehmung entzieht.
Damit entsteht eine Unsicherheit darüber, was sich in den dunkel erscheinenden Zonen verbergen könnte. Mehr Licht auf den Wegen schafft in diesem Fall nicht mehr Sicherheit. Entscheidende Faktoren für Parkbeleuchtungen sind angepasste Helligkeitskontraste und Helligkeitsverläufe, die möglicherweise in den Randzonen von Parks im Übergang zur beleuchteten bebauten Stadt an die Umgebungshelligkeit angepasst werden müssen.
Hier bietet die Dimm- und Steuerbarkeit der LEDs entscheidende Vorteile, da diese individuelle Helligkeitseinstellungen zulassen. Die Anwendung von LEDs als Leuchtmittel wirkt sich jedoch derzeit noch vielfach nachteilig auf die Raumwahrnehmung aus. Das schon in der LED durch eine Linse gebündelte Licht ist stark gerichtet und gibt wenig Streulicht ab. Dieser Effekt ist im ökologischen Sinne vorteilhaft, da die Lichtverschmutzung minimiert wird. Die Raumaufhellung, die das Streulicht anderer Leuchtmittel lieferte und das in dunklen Parks für das Sicherheitsempfinden nützlich ist, unterbleibt jedoch.
Je nach Raumsituation und Einflüssen aus der Umgebung kann es derzeit beim Einsatz von LEDs als Leuchtmittel vorteilhaft sein, die Raumwahrnehmung durch eine entsprechende Reflektorentechnik oder eine ergänzende dezente Effektbeleuchtung an den Raumkanten zu unterstützen. Die Wahrnehmbarkeit von Raumkanten trägt dazu bei, unsichere Räume zu vermeiden und sogar insgesamt die notwendige Beleuchtungsstärke zu reduzieren. Im Nebeneffekt kann eine sehr spannende atmosphärische Wirkung entstehen.
Individuelle Lösungen gefragt
Der Bedarf an individuellen Beleuchtungslösungen wird in Zukunft sowohl in den für das Stadtmarketing relevanten Innenstadtlagen als auch in Parks zunehmen aufgrund der Vielfalt an besonderen Raumsituationen und Nutzungsprofilen und nicht zuletzt wegen der zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten. Demnach wird über die in der DIN EN verankerten Beleuchtungssituationen hinaus eine Auseinandersetzung mit nutzungsabhängigen Lichtqualitäten erforderlich, die im Ergebnis zu atmosphärisch, sicherheitstechnisch und ökologisch und wirtschaftlichen angepassten Beleuchtungsstärken führen.
Die Realisierung individueller, innovativer Lösungen erfordert einen klar definierten, beteiligungsorientieren Planungsprozess, der auch die Zusammenarbeit der beteiligten Disziplinen Landschafsarchitektur, Lichtplanung und Elektroplanung sinnvoll klärt und zum Beispiel in eine „Sonderzulassung“ mündet. Die Einführung von „Sonderzulassungen“ könnte für Kommunen und Betreiber der öffentlichen Beleuchtung den Umgang mit „Dunkelzonen“ erleichtern und allen Beteiligten mehr Spielräume im Umgang mit den normativen Anforderungen eröffnen. Denn wie einige der Beispiele zeigen, muss eine Abweichung von den standardisierten Beleuchtungssituationen kein Sicherheitsrisiko darstellen, sondern kann im Gegenteil unsichere Räume zu vermeiden, Energie sparen und zu spannende atmosphärische Wirkungen beitragen.
Irene Lohaus
Die Autorin
Prof. Irene Lohaus ist Studiendekanin Landschaftsarchitektur des Instituts für Landschaftsarchitektur an der Technischen Universität Dresden