Hightech gegen Schnee und Eis

Trotz der Klimaerwärmung wird künftig in der kalten Jahreszeit mit extremen Wetterlagen zu rechnen sein. Die Entwicklung der Winterdiensttechnik trägt dem Rechnung. Einerseits werden die Prognosen präziser, andererseits wird die Streutechnik immer weiter verfeinert.

 

Spüren wir die globale Erderwärmung hier in Deutschland? Wenn wir den aktuellen Winter und jene der vorangegangenen drei Jahre betrachten, dann könnte man das meinen. Man könnte daraus schlussfolgern, dass wir uns den großen Aufwand zur Beseitigung von Schnee- und Eisglätte auf unseren Straßen sparen können. Die Meldungen vom Januar 2017 aber zeigen uns, wie verrückt das Wetter spielen kann. Es entstehen katastrophale Verhältnisse für die Bevölkerung durch plötzlich auftretende extreme Schneefälle und länger anhaltende Kälteperioden, wenn man nicht darauf vorbereitet ist.

Auch auf deutschen Straßen erleben wir, wie gefährlich glatt die Straßen aufgrund von plötzlichen Wetterumschwüngen werden können. Schwerwiegende Unfälle und Staus von gigantischer Länge sind oft die Folge. Die volkswirtschaftlichen Schäden gehen jedes Jahr in die dreistelligen Millionen. Das ist schlecht für unsere Gesellschaft, die in der Zukunft noch mehr von der individuellen Mobilität geprägt und deshalb von ihr abhängig ist. Der Verkehr wird noch zunehmen.

Extremwetter mit Regen und Schnee

Die Winter werden uns weiterhin beschäftigen, wenngleich in veränderter Form. Es werden mildere Winter mit Perioden geringerer Niederschläge, dafür aber Temperaturen um null Grad Celsius hoher Luftfeuchtigkeit vorherrschen. Ebenso können nach Meinung der Meteorologen wiederum Extremwetter mit starken Regen- oder Schneefällen auftreten.

Die Europäische Organisation für die Nutzung meteorologischer Satelliten (Eumetsat) miit Sitz in Darmstadt betreibt eine Vielzahl von Satelliten, welche die Wetterlage über Europa bis nach Asien, Afrika und Amerika scannen, analysieren und den nationalen Wetterinstitutionen zur Verfügung stellen, in Deutschland dem Deutschen Wetterdienst (DWD).

Es ist mittlerweile möglich, Großwetterereignisse frühzeitig zu erkennen und die notwendigen Schlüsse und Entscheidungen daraus zu ziehen. Für einen professionellen Winterdienst ist ein Nutzervertrag mit dem DWD unumgänglich. Aber das reicht nicht aus. Die mikroklimatischen Verhältnisse kann der DWD nur unscharf liefern. Dazu sind stationäre Glatteisfrühwarnsysteme unabdingbar. Diese werden sinnvollerweise an stark befahrenen Straßen dort aufgestellt, wo Extremtemperaturen und Niederschläge zu erwarten sind, zum Beispiel in Kältesenken oder auf Bergkuppen die als Wetterscheiden bekannt sind.

Mithilfe von Sensoren, die in der Fahrbahn eingelassen sind, wird die Fahrbahntemperatur gemessen und der Restsalzgehalt errechnet. Eine leistungsfähige Glatteis-Frühwarnanlage kann mehrere meteorologische Indikatoren erfassen und an die Winterdienstzentrale der jeweiligen Organisationseinheit senden. Dazu zählen Lufttemperatur und -feuchtigkeit, Taupunkttemperatur, Niederschlagsmenge und -art, Luftgeschwindigkeit sowie Windrichtung.

Eine intelligente Managementsoftware ist in der Lage, globale Wetterdaten, Mikro-Wetterdaten und Messdaten von fahrenden Fahrzeugen in Echtzeit zu sammeln und daraus Prognoseempfehlungen bis zu 72 Stunden im Voraus zu generieren. Auf diese Weise ist ein Winterdienstverantwortlicher in der Lage, einen effizienten und gleichzeitig kostensparenden Räum- und Streudienst zu planen. Die Aufzeichnung der geleisteten Winterdiensteinsätze bezogen auf die jeweiligen Streckenabschnitte erleichtern den Fahrern das Ausfüllen eines Einsatzberichts. Automatisch generierte Streu- und Einsatzprotokolle sind darüber hinaus vor Gericht im Falle von Nachweisaufforderungen wesentlich glaubwürdiger als von Hand geführte Aufzeichnungen.

Potenzial zur Kostensenkung

Die Aufrechterhaltung der Sicherheit auf den steht für den Winterdienst immer an erster Stelle. Dennoch gibt es ein erhebliches Potenzial zur Senkung der Verbrauchskosten und damit zur Erhöhung des Umweltschutzes. Für die Glättebekämpfung erfordert dies präzise arbeitende Streumaschinen, die durchweg Feuchtsalz streuen und mit hochgenauer Sensortechnik ausgestattet sein sollten. Ein berührungsloser Infrarot-Strahlungspyrometer misst im Zehntel-Sekunden-Abstand die Fahrbahnoberflächentemperatur.

Die Temperatur und die Eismenge auf der Straße sind die beiden Hauptparameter zur Bestimmung der zu streuenden Taustoffmenge. Nur thermoschock-kompensierte Sensoren gewährleisten eine sichere Temperaturerfassung mit einer Abweichung von weniger als einem halben Grad Celsius. Es ist erwiesen, dass der Einsatz eines solchen Sensors bis zu 30 Prozent an Streustoff einspart. Der Fahrer muss nur den Fahrbahnzustand, die daraus resultierende Feuchtigkeitsmenge sowie anhand einer Richtwerttabelle die Streustufe ins System eingeben. Die Streudichte stellt sich dann während der Einsatzfahrt anhand des Fahrbahntemperaturprofils automatisch ein.

Durch die reine Solestreuung lässt sich die Verkehrssicherheit bei gleichzeitiger Reduzierung des Streustoffverbrauchs weiter optimieren. Salz in Wasser gelöst noch vor einer möglichen Glatteisbildung als Sprühfilm auf die Straße aufgetragen, hat eine vielfach längere Haftwirkung auf der Straße, als lose auf der Straße liegende Salzkörner. Diese werden in kürzester Zeit durch den Fahrtwind der Fahrzeuge in das Begleitgrün verfrachtet. Auf Autobahnen kann die Sole über Sprühdüsen bis zu einer Breite von zwölf Metern ausgebracht werden. Für das Verkehrsnetz auf Bundes-, Land- oder Kreisstraßen ist reine Flüssigenteisung auch über den Streuteller möglich. Präventives Enteisen mit reiner Sole spart Salz von bis zu 50 Prozent ein.

Generell auf die Flüssigenteisung umzusteigen, wäre jedoch falsch, denn es gibt Witterungsbedingungen, wo sich diese Einsatzmethode geradezu verbietet. Die verschiedenen Einsatzbedingungen sind:

  • Trockene Fahrbahn, feuchte Luft und zu erwartende absinkende Temperaturen unter 0 Grad Celsius: Hier ist präventives Sprühen von reiner Sole mit einer Sprühdichte von 10 bis 15 Gramm pro Quadratmeter (g/m²) bereits einige Stunden vor dem Ereignis ausreichend.

  • Trockene Fahrbahn, zu erwartender Schneefall: Hier ist präventives Sprühen von reiner Sole mit einer Sprühdichte von 25 bis 30 g/m² bereits einige Stunden vor dem Ereignis empfehlenswert. Wenn der Schneefall eintritt, wird der Schnee mulmig und lässt sich nicht festfahren. Ideale Bedingungen für das Räumfahrzeug, der Schnee lässt sich mühelos zur Seite räumen. Bei anhaltendem Schneefall muss allerdings mit Feuchtsalz gestreut werden.

  • Feuchte Fahrbahn bei absinkenden Temperaturen von plus auf minus 0 Grad Celsius: Auch hier ist das Sprühen mit reiner Sole bei Streudichteeinstellungen von 15 bis 25 g/m² sinnvoll.

  • Bereits vereiste Fahrbahnen oder bei Schneefall: Hier ist der Einsatz von Feuchtsalz unumgänglich. Die Salzkörner bohren sich während des Tauvorgangs in das Eis und haben eine „perforierende“ Wirkung. Das Eis löst sich von der Fahrbahn, ohne vollständig aufgelöst werden zu müssen.

Es gibt Streumaschinen für reine Flüssigenteisung, Feuchtsalz-Streumaschinen und Kombi-Streumaschinen, die beide Systeme miteinander vereinen. Diese Geräte sind mit zusätzlichen Tanks ausgestattet und benötigen Fahrzeuge mit deutlich höheren Tonnagen als die bisher bekannten Zwei-Achs-Kommunal-Lkw. Deshalb sind diese auch nicht auf allen Verkehrsnetzen einzusetzen.

Eine Alternative bietet ein hoch reißfester Flüssigkeitssack, der in den leeren Streustoffbehälter eingesetzt und mit dem übrigen Solesystem des Streugerätes verbunden. Auf diese Weise wird aus einer Feuchtsalz Streumaschine ein Flüssigenteiser.

Die Ergänzung der bisherigen Feuchtsalz-Streutechnologie durch die Flüssigenteisung hilft, die Sicherheit auf den Straßen zu erhöhen bei gleichzeitig geringerem Salzverbrauch. Die Umwelt wird ebenfalls geschont, indem weniger Nitrate ins Erdreich und ins Grundwasser eingetragen werden.

Paul Rosenstihl

Der Autor
Paul Rosenstihl ist Geschäftsführer des Kommunaltechnikherstellers Küpper-Weisser mit Sitz in Bräunlingen sowie Mitglied im Präsidium des Verbands der Arbeitsgeräte- und Kommunalfahrzeug-Industrie (VAK) und Mitglied im Arbeitskreis Winterdienst der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV)