Hermann Albers: „Die Politik blockiert“

Die Windkraft in Deutschland befindet sich in der Krise, der Ausbau geht nicht voran. Der Grund sind die zu geringe Flächenbereitstellung, schleppende Genehmigungsverfahren und ausufernde Klagen, so Hermann Albers, Präsident des Bundesverbandes Windenergie, im Interview mit unserer Redaktion.

Herr Albers, der Ausbau der Windkraft in der Bundesrepublik verzeichnet einen historischen Tiefstand. Was bedeutet das für die Energiewendeziele und für den Wirtschaftsstandort Deutschland?

Albers: Wir erleben nach stabil guten Zubaujahren bis 2017 ein zweites dramatisch schlechtes Jahr. Mit lediglich 1078 Megawatt beziehungsweise 325 Anlagen im Gesamtjahr 2019 liegt der Zubau auf dem niedrigsten Stand seit Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Jahr 2000. Der Zubau ist um 55 Prozent geringer als in 2018 und um 80 Prozent geringer als in 2017. Gibt es hier nicht schnell einen Wiederanstieg, droht uns eine Stromlücke, denn Industrie, Gewerbe und Handel fordern CO2-freien Strom.

Was blockiert den Ausbau?

Albers: Die aktuelle Zubaukrise ist keine Krise der Ökonomie. Die Ausschreibungsergebnisse würden einen höheren Zubau ermöglichen. Die Unterzeichnung, die wir in der vergangenen Runde wieder und wieder feststellen, ist eine Krise, die auf eine zu geringe Flächenbereitstellung in den Bundesländern, schleppende Genehmigungsverfahren und ausufernde Klagen zurückzuführen ist.

Wie hat sich die Branche vor dem Hintergrund der negativen Ausbauzahlen hierzulande verändert?

Albers: Wir haben den Verlust von etwa 40.000 Arbeitsplätzen erlebt und feststellen müssen, dass die Politik diesen Abbau in einer Zukunftsbranche hinnimmt. Dies verstört. Denn die deutsche Windenergie liegt technologisch an der Spitze, ist im Weltmarkt hoch erfolgreich und hat weiter Potenzial nach oben. Dafür braucht es einen stabil starken Heimatmarkt. Dieser sichert Wertschöpfung und Beschäftigung. Er ist aktuell stark unter Druck, weil die Politik blockiert ist und nicht aktiv zupackt.

Windkraft in den Kommunen bewegt sich in der Regel im Spannungsfeld zwischen dem Wunsch nach mehr Klimaschutz und großem Bürgerzorn. Was lässt sich tun für mehr Akzeptanz bei den Kommunen und ihren Einwohnern?

Albers: Mit der Erneuerbaren Energienwelt wird die Erzeugung sehr viel kleinteiliger und vielfältiger. Die dezentrale Zubau lebt von den Akteuren vor Ort, bleibt auf mittelständische Dynamik und eine regionale Verwurzelung angewiesen. Akzeptanz braucht vor allem Teilhabe und dann Transparenz. Die direkte Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger vor Ort und die Spürbarkeit wirtschaftlicher Effekte in den Kommunen sind der Schlüssel für eine erfolgreiche Energiewende.

In letzter Zeit wird verstärkt über finanzielle Leistungen an Kommunen diskutiert, in denen Windkraftanlagen errichtet werden. Ein aus Ihrer Sicht sinnvoller Ansatz?

Albers: Akzeptanz lässt sich nicht erkaufen. Aber Wertschöpfung muss vor Ort erkennbar sein. Die Erfolgsgeschichte des Ausbaus der Erneuerbaren Energien war möglich, weil sich Anwohner, Kommunen und örtlicher Mittelstand für Erneuerbare-Energien-Projekte stark gemacht haben und sich selbst engagierten. Wir machen selber, war lange Zeit das Schlagwort. Dieses wieder zu beleben, ist unerlässlich.

An welchen Stellschrauben können beziehungsweise sollten Ihrer Meinung nach die Kommunen selbst drehen, um mehr Windkraft zu ermöglichen?

Albers: Sie sollten aktiv über Beteiligung und Mitwirkung nachdenken. Die Versorgung der Menschen mit Energie ist Teil der kommunalen Daseinsvorsorge. Wo sich die Gemeinschaft vor Ort engagiert, kann man die Chancen auch nutzen, die sich aus der Dezentralität der Erzeugung eröffnen. Kommunen in vielen Teilen Deutschlands machen dies vor.

Viele Ausbauvorhaben scheitern an Klagen von Wald- und Vogelschützern. Wie lassen sich Landschafts- und Artenschutz unter einen Hut bringen mit dem Windkraftausbau?

Albers: Natur- und Artenschutz und Klimaschutz durch Erneuerbare Energien sind kein Gegensatz. Es gibt offene Gegner des Umstiegs auf Erneuerbare Energien, die Atom und Kohle hinterhertrauern. Diese Leute missbrauchen allzu oft vor allem den Artenschutz. Die Branche nimmt in umfassenden Planungsverfahren Rücksicht und trägt über Ausgleichsleistungen dazu bei, die biologische Vielfalt vor Ort zu erhöhen. Dies stärkt die Populationen ganz vieler Arten und lässt sich gut mit dem Ausbau der Windenergie verbinden.

Interview: Wolfram Markus

Zur Person: Hermann Albers (Jg. 1960), Präsident des Bundesverbandes Windenergie (BWE), ist seit den 1980er-Jahren als Landwirt tätig. Der Einstieg in die Windenergie erfolgte 1989 mit der Planung von Windkraftanlagen. Noch heute plant, entwickelt und betreibt Albers Windparks. Er zählt zu den Mitinitiatoren des Offshore-Windparks Butendiek (vor Schleswig-Holstein), des BZEE Bildungszentrums für erneuerbare Energien und der Messe New Energy