Gedämpfte Nachfrage

Die Vorteile der Smart City liegen für IT-Experten auf der Hand: mehr Energieeffizienz, flächendeckende Telemedizin-Lösungen, Entlastung des Verkehrs. Doch die die entsprechenden Anwendungen stoßen auf Markthemmnisse. In Baden-Württemberg werben Politiker mit neuen Initiativen für mehr Vernetzung.

Die Stadt der Zukunft ist eine Smart City. Durch die voranschreitende Digitalisierung, die eine umfassende Vernetzung vorhandener Gebäude-Grundinfrastruktur (Heizung, Beleuchtung und Belüftung), der weißen Ware (Kühlschrank und Waschmaschine) sowie der Konsumelektronik ermöglicht, werden Häuser intelligent. Sie werden zu Smart Homes in der Smart City. Dabei sollte das Ziel nicht die alleinige Ausstattung der Gebäude mit Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) sein. Es sollten vielmehr Entwicklungen unter Zuhilfenahme der IKT-Dienstleistungen und Assistenzfunktionen stattfinden, die einen gesamtgesellschaftlich Nutzen schaffen können.

Der Klimawandel, die Überalterung der Bevölkerung, knapper werdende Rohstoffe, die anhaltende Landflucht, die infrastrukturelle Versorgung von Menschen in den ländlichen Regionen und viele andere Herausforderungen erfordern neue Konzepte und Lösungsansätze – sowohl in der Smart City als auch dem Smart Country. Einen Großteil dieser Herausforderungen kann das Smart Home als intelligentes Mikro-Ökosystem im Ökosystem Stadt der Zukunft bereits heute lösen.

Beispielsweise entfallen 40 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs auf Gebäude. Energieeinsparungen in diesem Bereich würden nicht nur die Umwelt schonen, sondern auch die Belastung des Energienetzes gerade in den urbanen Bereichen würde wesentlich verringert werden. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 60 Prozent der Energie eingespart werden kann, indem Heizungsanlagen, Ventilationen, Klimaanlagen und Fenster digital vernetzt und gesteuert werden.

Auch der demografische Wandel kann dank vernetzter Haustechnik adressiert werden. So können auch Pflegedienste IKT-Lösungen nutzen, um eine moderne dezentrale Versorgung für die älteren pflegebedürftigen Bevölkerungsteile zu gewährleisten. Diese können länger in ihren Wohnungen wohnen, da eine regionale Versorgung sich durch eine IKT-Unterstützung deutlich effizienter realisieren lässt.

Vielfältige Einsatzmöglichkeiten

Darüber hinaus ergeben sich weitere Möglichkeiten, die sich ganzheitlich betrachtet auf die gesamte Bevölkerung auswirken können und werden. Beispiel: Das intelligente Gebäude öffnet dem Postboten, wenn dieser klingelt und sich niemand in der Wohnung befindet. Das führt zu einer Entlastung der Verkehrsinfrastruktur und einer geringeren Umweltbelastung, da die Lieferung nicht nochmal geliefert werden muss.

Darüber hinaus können mit Telemedizin-Lösungen zukünftig mehr Ärzte ihre Patienten in deren Wohnung untersuchen. Das führt zu einer besseren Auslastung von Ärzten sowie Arztpraxen und weniger Verkehr. Auch im Energiebereich ergeben sich Vorteile. Mittels Lastmanagement kann Energie aus erneuerbaren Energien direkt dort genutzt werden, wo sie erzeugt wird. Das Energienetz wird auf diese Weise weniger beansprucht.

Durch neue IKT-gestützte Energiegewinnungsmethoden kann beispielsweise auch in Privathaushalten aus organischem Abfall Gas gewonnen werden. Das Energienetz und der Verkehrsinfrastruktur werden entlastet, da weniger Müll transportiert werden muss.

Trotz der zahlreichen Vorteile hat das Smart Home sich am Markt noch nicht durchgesetzt. Scheinbar sind noch zu viele Fragen offen. Während wir im öffentlichen Bereich zum Beispiel schon vielfach erleben, wie uns intelligente IKT-Lösungen das Leben erleichtern (Carsharing-Konzepte und moderne Verkehrsleitsysteme), sind im Wohn- und Heimbereich bisher leider nur wenige Häuser und Wohnungen smart. Dabei sind die Lösungen längst marktreif oder sogar schon auf dem Markt verfügbar. Rollläden, Lichtsysteme, Eingangstüren, Waschmaschinen oder Fenster können heute schon digital gesteuert werden.

Systeme kommunizieren nicht miteinander

Warum sich dennoch Smart-Home-Lösungen (noch) nicht durchsetzen, lässt sich möglicherweise so erklären: Im Wohn- und Heimbereich zahlt nicht, wie bei der öffentlichen Infrastruktur, die Allgemeinheit für die technologische Ausstattung, sondern der Eigentümer selbst. Jeder Schritt zur Digitalisierung ist somit eine individuelle Entscheidung. Allgemeine gesellschaftliche Ziele rücken damit in den Hintergrund. Zudem existiert auf dem Markt eine Vielzahl proprietärer Systeme mit teilweise inkompatiblen Ansätzen. Sie stellen „Insellösungen“ dar, die untereinander nur schwer vernetzt werden können.

Eben diese Vernetzung ist aber entscheidend, um die Vorteile eines Smart Home vollends und gesamtgesellschaftlich ausschöpfen zu können. Erst wenn die Rollläden tatsächlich mit der Klimaanlage, der Heizung und den Fenstern kommunizieren, können sie auf Wetterbedingungen optimal reagieren.

Einen ersten Lösungsansatz treiben Hersteller, die sich zu Konsortien zusammenschließen, um Quasi-Standards zwischen den einzelnen Beteiligten zu etablieren. Leider bleibt bei diesen Konsortien meist die Forschung als auch der Anwender ausgeschlossen.

Diese müssten eigentlich in der Entwicklung vernetzter Smart-Home-Lösungen und entsprechender Standards die Schlüsselrolle spielen, da die Systeme auf die Endverbraucher angepasst und mithilfe der Forschung auf einem aktuellen Stand gehalten werden können, wie das bereits im Bereich IT-Sicherheit oder Interoperabilität der Fall ist.

Isoliert voneinander entwickelte Smart-Home-Lösungen werden sich am Markt nicht durchsetzen. Der Weg zu einer vollständigen Smart-Home-Durchdringung in den Städten der Zukunft ist also kein einfacher. Aus diesem Grund hat zum Beispiel das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg die Initiative „Smart Home & Living Baden-Württemberg“ gegründet. Sie soll die enormen Marktpotenziale, die wirtschaftlichen Chancen und die Entwicklungen im Bereich Smart Home & Living für die Unternehmen, die Forschungslandschaft und die Anwender nutzbar machen. Schwerpunkte liegen auf den Chancen der neuen Technologien sowie auf der Identifikation und dem Abbau von Markthemmnissen und Markteintrittsbarrieren. Bereits kurz nach deren Gründung waren in der Initiative mehr als 45 Organisationen vertreten.

Stefan Hellfeld / Konstantin Schneider

Die Autoren
Dr. Stefan Hellfeld ist Leiter des FZI-House of Living Labs des Forschungszentrum Informatik (FZI) in Karlsruhe, Konstantin Schneider ist stellvertretender Leiter der Cluster-Agentur Baden-Württemberg in Stuttgart