Friedrich Thießen, Professor für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre an der TU Chemnitz, sieht im Projekt „IKF Zinsmonitor“ von der gemeinderat und dem Beratungsunternehmen Venbert Consulting aus Berlin einen hohen Nutzen für die Kommunen. Der erfahrene Finanz- und Kapitalmarktexperte geht davon aus, dass ein Plus an Transparenz zu besseren Kreditkonditionen der Geldgeber führen wird.
Herr Prof. Thießen, wie hat sich in den vergangenen Jahren der Finanzierungsmarkt für Kommunen entwickelt?
Thießen: Kommunen klagen gerne. Aber der kommunale Finanzierungsmarkt ist eine Goldgrube. Kommunen sind Schuldner von geringem Ausfallrisiko und konnten tatsächlich überwiegend erstklassige Konditionen durchsetzen. Dass die Zahl der potenziellen Kreditgeber schrumpft, wenn diese nichts mehr verdienen, ist eigentlich selbstverständlich und ein Beleg für den Erfolg der Kommunen.
Gibt es eine geringe Transparenz für die Kämmerer und welche Folgen ergeben sich?
Thießen: Die Transparenz der Konditionen der Banken und anderer Kreditgeber ist tatsächlich sehr niedrig. Sie klären die Kommunen nicht auf, wie sie kalkulieren und warum sie welche Konditionen verlangen. Die geringe Transparenz wird sich in Zukunft negativ auswirken. Denn wenn die Zinsen wieder ansteigen, ist mit Versuchen zu rechnen, überhöhte Konditionen durchzusetzen.
Lässt sich das Problem in Zahlen fassen? Also, wie groß kann für eine Kommune im ungünstigen Falle die Finanzierungsspanne zwischen einem günstigen Kredit und einem teuren sein?
Thießen: Es gibt ziemlich dumme Fallstricke, auf die man hereinfallen kann. Dann können sich die zu viel gezahlten Spannen auf mehrere Prozentpunkte belaufen.
Kann ein erfahrener Kämmerer „notfalls“ selbst für Transparenz sorgen?
Thießen: Wenn Banken Informationen nicht herausgeben, dann gibt es keine Transparenz. Man kann aber durch Anwendung geeigneter Kalkulationstechniken in Verbindung mit viel Markt-Know-how auf die richtigen Werte kommen.
Was kann ein Projekt wie der „Zinsmonitor“ für die Schaffung von Transparenz am kommunalen Finanzierungsmarkt bewirken?
Thießen: Der Zinsmonitor vergleicht die Konditionen der Kommunen auf der einen Seite mit dem Markt und auf der anderen Seite mit den Konditionen anderer Kommunen. Das schafft eine enorme Transparenz, um die andere Marktteilnehmer die Kommunen beneiden.
Wie valide ist die Methode, die beim „Zinsmonitor“ für Berechnung und Vergleich angewendet wird?
Thießen: Der Zinsmonitor wendet die geeigneten Kalkulationstechniken an und orientiert sich an den richtigen Marktsegmenten. Das ist korrekt.
Welchen Nutzen des Projekts – über die reine „Neugier“ zu vergangenheitsbezogenen Konditionen hinaus – sehen Sie für die Kommune in der Zukunft?
Thießen: Kommunen, die nicht selbst Konditionen korrekt kalkulieren können, können mithilfe des Zinsmonitor quasi sofort und unmittelbar eine Analyse der Bankangebote erhalten. Sie können damit auf Augenhöhe mit den Kreditgebern verhandeln. Wenn bei denen bekannt wird, dass man alles konkret nachrechnet, wird eine Kommune sicherlich auch von vornherein korrektere Konditionen erhalten.
Warum beteiligt sich die TU Chemnitz an dem Projekt?
Thießen: Wir sind seit Jahren in der Ausbildung von Kämmerern und Mitarbeitern im kommunalen Treasury tätig und unterstützen alles, was die wichtige Arbeit der Kämmereien erleichtert und verbessert.
Interview: Wolfram Markus
Zur Person
Dr. Friedrich Thießen (Jg. 1957) ist Professor für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre an der TU Chemnitz. Er promovierte an der Universität Köln und habiliierte sich an der Universität Frankfurt am Main. Thießen hat mehr als 250 wissenschaftliche Beiträge zu Kapitalmarktfragen, Assetmanagement und Investmentbanking sowie zu regionalökonomischen Themen verfasst. Er ist Vorstandsmitglied des Rhein-Main-Instituts für Regionalforschung, Darmstadt, und des ZKFM, Zentrum kommunales Finanzmanagement und Treasury
Das Projekt „IKF Zinsmonitor“
Alles zu dem bundesweiten, für Kommunen kostenlosen Projekt von der gemeinderat, Venbert Consulting und TU Chemnitz erfahren Sie hier. Informieren Sie sich über den Nutzen des in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen bereits erfolgreich erprobten Zinsmonitoring für kommunale Kredite, die aussagekräftigen Analyse- und Vergleichsmöglichkeiten und die Teilnahmebedingungen.