Energiebereiche sinnvoll vernetzen

Wind- und Solapraks können gerade auch für kleine Kommunen eine wichtige Rolle spielen – und durch Sektorenkopplung kommt weiteres Potenzial hinzu. Foto: Adobe Stock/peterschreiber.media

So enorm die Herausforderungen der Energie- und Wärmewende auch sind – nicht nur für große, auch für kleine Kommunen sind sie zu stemmen. Mehr noch: Welche Vorteile gerade sie nutzen können, schlüsselt Simon Stark aus Sicht der Agentur für Erneuerbare Energien auf.

Die kommunale Wärmeplanung ist zurzeit in aller Munde. Der Ausbau und die Dekarbonisierung der Wärmenetze im gesamten Bundesgebiet sollen eine erneuerbare Wärmeversorgung von Gebäuden, Quartieren und ganzen Gemeinden ermöglichen. Eine entscheidende Rolle spielen dabei Wärmenetze und die Kopplung der Sektoren Strom und Wärme, etwa durch die Wärmepumpe.

Wichtige Rahmenbedingungen und Zielvorgaben definiert der Entwurf des Wärmeplanungsgesetzes (WPG), das bis Ende des Jahres in Kraft treten soll. Das neue Gesetz orientiert sich dabei vor allem an der Größe der Kommunen, wobei jenen mit mehr Einwohnern weniger Zeit für die Vorlage eines Wärmeplans zugesprochen wird. Dabei ist die Energiewende keine Frage von Urbanität oder Ruralität. Neben lokalen Gegebenheiten wie der Infrastruktur, der kommunalen Vernetzung und geografischen Besonderheiten ist vor allem das Engagement der Bürger sowie der wirtschaftlichen und politischen Entscheider ausschlaggebend für die Machbarkeit Erneuerbarer-Energien-Projekte.

Sektorenkopplung ist essenziell

Sobald vor Ort Bedarfe, Potenziale und relevante Akteure identifiziert sind, muss der Blick auf Synergien gerichtet werden: Wie lassen sich Energiequellen, Umwandlungsprozesse, Speicherung, Transport und Verbrauch intelligent und mit möglichst geringen Verlusten miteinander verknüpfen? Gerade die Nutzung und Speicherung lokaler Stromüberschüsse aus Windenergie und Photovoltaik erlauben es, die bislang schwer zu dekarbonisierenden Bereiche Mobilität und Wärmeversorgung zu erreichen.

Unabhängig von lokalen Energiepotenzialen – wie etwa der Windhöffigkeit, geothermischer Vorkommen, Sonnenstunden oder ortsansässiger Industrie – ist die Sektorenkopplung für eine gelingende Energiewende essenziell. Die Größe der Kommune und damit der Verwaltung muss dabei kein ausschlaggebendes Kriterium sein, wie das nordfriesische Dorf Bosbüll zeigt.

Eine kleine Gemeinde zeigt, was geht

Bosbüll erzeugt durch Wind- und Solarparks, die zu einem großen Teil in Bürgerhand liegen, einen enormen Stromüberschuss. Um die Anlagen nicht abregeln zu müssen, wird der Strom in Form von Wärme und Wasserstoff gespeichert. Dies geschieht über Power-to-Heat durch den Einsatz von Wärmepumpe und Heizstab im Großformat beziehungsweise Power-to-Gas mittels Elektrolyse.

Über ein Wärmenetz, eine umfangreiche Ladeinfrastruktur und Wasserstofftankstellen kann so ein immer größer werdender Teil der Region mit Erneuerbaren versorgt werden. Hier leisten Kommune, Wirtschaft und Wissenschaft gemeinsam Pionierarbeit. Gleichzeitig profitiert das Dorf von günstiger, lokal erzeugter Energie.

Während kleinere Gemeinden nicht selten geringe personelle Ressourcen als Hindernis wahrnehmen, ergeben sich durch kurze Wege wiederum Vorteile, etwa bei der engeren Zusammenarbeit der Stakeholder und konkreten Beteiligungskonzepten. Kommunen sind wichtige Vermittlungsinstanzen, die das Heft der (Zeit-)Planung in der Hand halten und die Kommunikation steuern.

Die Lokalpolitik muss ihren Teil zu einer sozialverträglichen Wärmewende leisten und kann durch umfassende Informationen über Heizung und Sanierung den in der Bevölkerung akzeptierten Umstieg auf Erneuerbare einleiten. Das beinhaltet auch die Rücksicht auf den Bebauungsbestand und transparente Dialogangebote bei Konflikten.

Die Industrie ins Boot holen

Die energetische Transformation großer Städte erfordert deutlich höhere Investitionen. Hamburg etwa integriert eine sektorenübergreifende Planung in die Fortschreibung seines Klimaplans. Strom- und Wärmenetze sollen, basierend auf Erfahrungen früherer Projekte, auf strengere Anforderungen eines nachhaltigen Energiesystems vorbereitet werden. Dazu gehört die Produktion grünen Wasserstoffs aus erneuerbarem Strom, um die großen Erdgasmengen für die Stahlproduktion herunterzufahren.

Ebenso gehört die Auslotung geothermischer Potenziale durch die mögliche Erschließung eines Thermalwasservorkommens zur Wärmegewinnung dazu. Das zweitgrößte Wärmenetz Deutschlands soll unter anderem durch einen Wärmetunnel unter der Elbe erweitert werden, um die Industrieabwärme aus dem Süden nun auch in den Norden der Stadt zu leiten und ein Kohlekraftwerk abzuschalten.

Die energiehungrige Industrie sollte als Potenzial und als wichtiger Partner begriffen werden. Die energetische Umrüstung kann gigantische Mengen Treibhausgase einsparen. Dafür stehen Kommunen entsprechend große Fördertöpfe zur Verfügung. Ein Weg ist der Umstieg von Erdgas auf grünen Wasserstoff, dessen Einsatz wegen Umwandlungsverlusten lediglich in der Chemie- und Stahlindustrie sowie in Teilen des Verkehrs sinnvoll ist. Zudem bieten die Verwertung von Abwärme und die Umwidmung geeigneter Flächen für Photovoltaik- und Windenergieanlagen eine Grundlage.

Die Kommune kann nicht nur vom technischen und organisatorischen Know-how der Wirtschaft, sondern auch von neuen Arbeitsplätzen und Gewerbesteuereinnahmen profitieren. Zusätzlich entstehen durch die Kopplung der Sektoren und den Einsatz neuer Technologien unter realen Bedingungen wichtige Erkenntnisse für die Energiewende in der gesamten Bundesrepublik.

Simon Stark


Der Autor

Simon Stark ist Kommunikationsmanager bei der Agentur für Erneuerbare Energie e.V. in Berlin.