Qualität in Planung, Ausschreibung und Ausführung durchzusetzen, ist das Ziel der Gütegemeinschaft Kanalbau. Geschäftsführer Marco Künster über die Angebote der Weiterbildungsplattform Akademie, die Bedeutung des persönlichen Austauschs und die Qualifizierung von Fachpersonal.
Herr Künster, die Gütegemeinschaft Kanalbau arbeitet daran, den Nutzen der RAL-Gütesicherung Kanalbau für Auftraggeber, Ingenieurbüros und Gütezeicheninhaber kontinuierlich zu erweitern. Was konkret steckt dahinter?
Künster: Die RAL-Gütesicherung Kanalbau wird seit fast 30 Jahren von Auftraggebern, Ingenieurbüros und Unternehmen betrieben, um die Qualität im Kanalbau zu verbessern. Dazu stellt sie Anforderungen zur Prüfung der Bietereignung bereit und prüft, ob Antragsteller und Gütezeicheninhaber diese einhalten. In diesem Zusammenhang führen die beauftragten Prüfingenieure jährlich etwa 6000 Firmen- und Baustellenbesuche durch. Werden hierbei Mängel oder Abweichungen festgestellt, können Ahndungen beschlossen werden, die bis zum Entzug des Gütezeichens führen können. Darüber hinaus bietet die RAL-Gütegemeinschaft für alle Beteiligten ein umfangreiches Angebot zur Qualifizierung des Fachpersonals. Diese Angebote sind nun über die neue Akademie auf www.kanalbau.com erreichbar.
Auf der IFAT 2018 haben Sie die vier Sparten der Akademie vorgestellt – Veranstaltungen, Arbeitshilfen, E-Learning und Technische Regeln. Wie wird die Plattform angenommen?
Künster: Die Idee der Gütegemeinschaft Kanalbau, die der neuen Akademie zugrunde liegt, besteht in dem Angebot von kostengünstiger und oftmals sogar kostenfreier Weiterbildung sowie von Arbeitshilfen für Praktiker. Über den einfachen Zugang zu praxisorientiertem Fach-Know-how erreichen wir eine besonders starke Nutzung, was letztlich dem Vereinsziel zugute kommt: der Förderung und Umsetzung von Qualität im Kanalbau. Unsere Veranstaltungen nutzen jedes Jahr etwa 15.000 Teilnehmer, die Arbeitshilfen liegen bei vielen Praktikern ständig auf dem Schreibtisch. E-Learning und Online-Plattform für Technisches Regelwerk gehören zu den neueren Angeboten der Gütegemeinschaft, die ebenfalls gut angenommen werden und deren Nachfrage stetig steigt.
Stichwort E-Learning: Wer kann sich zu einem Kurs anmelden? Und wie funktioniert die Lernkontrolle?
Künster: Alle Mitarbeiter der etwa 2000 Gütezeicheninhaber „Kanalbau in offener Bauweise“ (Gruppe AK) sowie Gütezeicheninhaber „Ausschreibung und Bauüberwachung von Kanalbaumaßnahmen in offener Bauweise“ (Gruppe ABAK) können die Plattform kostenfrei nutzen. Der E-Learning-Kurs nimmt in Abhängigkeit des Kenntnisstands des Nutzers ungefähr 30 Stunden in Anspruch. Die Kursteilnehmer können ihren individuellen Lernfortschritt durch Beantwortung entsprechender Fragen prüfen. Sie erhalten eine Rückmeldung innerhalb des E-Learnings, ob die Fragen richtig beantwortet wurden.
Wer verantwortet die Aktualität der fachlichen Inhalte der Akademie?
Künster: Der Kurs ist eines von vielen Angeboten auf der Internet-Plattform Unitracc.de. Die Inhalte werden kontinuierlich gemeinsam von der Gütegemeinschaft Kanalbau und Unitracc geprüft und aktualisiert.
Gibt es bereits Ideen für den Ausbau des Angebots?
Künster: Eine Idee, die wir gerade gemeinsam mit unserem Partner, der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) prüfen, ist die Ausweitung des Angebotes der kostenfreien Nutzung des E-Learnings auch für Auftraggeber und verbunden mit der Möglichkeit, im Anschluss an den Online-Kurs eine hierauf aufbauende Präsenzveranstaltung zu besuchen. In dieser Abschlussveranstaltung würden die Teilnehmer Fragen klären und das Verständnis der Kursinhalte festigen. Die Teilnahme würde mit einem Zertifikat bestätigt. Die Kombination von E-Learning und klassischer Schulung wird als Blended Learning bezeichnet und ist sehr vielversprechend. Darüber hinaus prüft die Gütegemeinschaft, welche weiteren E-Learning-Kurse und Arbeitshilfen den größten Nutzen für die Mitglieder der Gütegemeinschaft bieten. Die Inhalte der Akademie werden dementsprechend stetig ausgebaut.
Parallel zur allgemeinen Digitalisierung im Wissensmanagement kommt dem persönlichen Austausch von Erfahrungen aus dem Alltag von Ausschreibung und Vergabe, Planung und Bau hohe Bedeutung zu. In welcher Weise gehen Sie auf dieses Bedürfnis ein?
Künster: Dazu organisiert die Gütegemeinschaft regelmäßig kostenfreie Erfahrungsaustausche der Fachkollegen aus Entwässerungsbetrieben, Ingenieurbüros sowie Bauunternehmen mit RAL-Gütezeichen Kanalbau. Anhand ausgewählter praxisnaher Fallbeispiele werden häufige Schwachstellen im Baustellenalltag oder auch besonders gute Lösungen einzelner Organisationen vorgestellt. Die Erfahrungen der Prüfingenieure aus den tausenden Baustellenbesuchen stellen die Grundlage für diese Veranstaltungsreihe dar. Darüber hinaus nehmen die Mitarbeiter der Gütezeicheninhaber an separaten Weiterbildungsveranstaltungen teil. Über das Bundesgebiet verteilt finden jedes Jahr weit über 100 sogenannte offene Seminare statt. Bei einer Mindestzahl von zwölf Teilnehmern ist auch eine Schulung vor Ort bei den Unternehmen möglich. Bei diesen Inhouse-Seminaren kann noch gezielter auf gewünschte Schwerpunkte eingegangen werden. Die Nachfrage ist entsprechend hoch, aktuell finden fast 400 Seminare im Jahr statt.
Schulungen für die Mitarbeiter von Kanalbauunternehmen sind die eine Seite. Was bieten Sie auf der anderen Seite den kommunalen Auftraggebern, um auf dem Laufenden zu bleiben?
Künster: Für Auftraggeber und Ingenieurbüros bietet die Gütegemeinschaft Kanalbau eine Veranstaltungsreihe zum Thema Fachgerechte Ausschreibung, Ausführung und Bauüberwachung an. Diese Fachgespräche finden separat mit den drei Schwerpunkten Kanalbau in offener Bauweise, Geschlossene Sanierung sowie Vortrieb statt und geben Gelegenheit, Kenntnisse aufzufrischen und zu erweitern. Zu den Teilnehmern zählen Ingenieure, Techniker und Verwaltungsangestellte aus Entwässerungsbetrieben, Tiefbauämtern und Abwasserverbänden, Beratende Ingenieure und Projektbearbeiter aus Ingenieurbüros. Sie profitieren von der Diskussion in den Veranstaltungen und den Arbeitshilfen, die sie an die Hand bekommen. Für Mitarbeiter von Mitgliedsorganisationen ist die Teilnahme kostenfrei.
Wenn wir einmal auf die Inhalte schauen: Viele Kommunen planen Arbeiten an der leitungsgebundenen Infrastruktur vorausschauend, indem zum Beispiel in ohnehin zu öffnende Gräben Leerrohre mit verlegt werden sollen. Inwieweit ist dieser Fall ein Thema für die Qualitätssicherung?
Künster: Die Gütesicherung Kanalbau bezieht sich auf die Herstellung und Instandhaltung von Abwasserleitungen und -kanälen, die im Freigefälle betrieben werden. Aber das von Ihnen genannte Beispiel zeigt, dass Auftraggeber bei der Bewirtschaftung von Kanalnetzen Managementaufgaben wahrzunehmen haben. Das Motto heißt: mit begrenzten Mitteln möglichst viel erreichen und dabei verantwortungsvoll, sprich langfristig, denken und planen. Beim Thema Kanalbau hat in diesem Zusammenhang die Ausführungsqualität fundamentale Bedeutung. Denn, versagt das Bauwerk vorzeitig, sind alle langfristigen Planungen überholt und der Kanalgraben muss wieder geöffnet werden. Effizientes Netzmanagement der Auftraggeber ist langfristig angelegt und basiert auf der Annahme, dass die geplante Nutzungsdauer der Anlagen erreicht wird. Das gelingt nur über gute Planung und hohe Ausführungsqualität.
Weiterbildung setzt Grundwissen voraus. Zu welchen Strategien und Bildungsmaßnahmen greifen die Unternehmen, wenn ihnen Fachpersonal fehlt?
Künster: Auf dem Arbeitsmarkt ist festzustellen, dass Fachleute und besonders Ingenieure mit Berufserfahrung im Kanalbau nicht mehr in ausreichender Anzahl zur Verfügung stehen. In naher Zukunft wird sich diese Situation eher noch zuspitzen. Daher werden Unternehmen verstärkt Berufseinsteiger und Quereinsteiger auf die Anforderungen des Berufsalltags selbst vorbereiten müssen.
Inwieweit kann die Gütegemeinschaft Kanalbau in dieser Situation mit ihren Dienstleistungen unterstützen?
Künster: Unterstützung bieten Angebote wie die Akademie mit dem E-Learning-Modul. Berufseinsteiger können sich fachlich auf ihre zukünftigen Aufgaben vorbereiten. Auch erfahrene Praktiker profitieren hiervon, denn sie können das vorhandene Wissen überprüfen und auf den neuesten Stand bringen. Die Gütegemeinschaft Kanalbau hat den Anspruch – neben Prüfung und Bestätigung der Fachkunde – Gütezeicheninhaber auch aktiv in ihrer Aufgabe zu unterstützen, die Qualifikation ihres Fachpersonals und die Qualität sicherzustellen. Qualität ist das Ergebnis einer bewussten Unternehmensausrichtung. Diese muss von Auftraggebern gefordert und gewürdigt werden, da sie besondere Anstrengungen erfordert, beispielsweise aufgrund der andauernden Qualifizierung der Mitarbeiter. Qualifizierung darf nicht an der hierfür notwendigen Investition scheitern. Daher unterstützt die Gütegemeinschaft ihre derzeit 4000 Mitglieder von Seiten der öffentlichen Auftraggeber, Ingenieurbüros und Unternehmen in diesem Punkt. Gemeinsames Ziel ist die Erstellung und Instandhaltung der Kanäle in der gebotenen Qualität. Nur wenn fachgerechte Planung, Ausführung und Bauüberwachung zusammen kommen, macht das den Erfolg der Investitionen planbar. Daher zahlen sich die Themen Eignungsprüfung der Bieter und Qualitätssicherung für Auftraggeber und qualitätsorientierte Auftragnehmer in Euro und Cent aus.
Interview: Jörg Benzing
Zur Person: Dr.-Ing. Marco Künster ist Geschäftsführer der Gütegemeinschaft Kanalbau mit Sitz in Bad Honnef (Kontakt: Birgit Weimann)