Für eine erfolgreiche Integration sind deutsche Sprachkenntnisse unerlässlich. Der Bodenseekreis sowie die Landkreise St. Wendel und Osnabrück nehmen den Sprachunterricht für Zuwanderer selbst in die Hand. Die Arbeit im Rahmen von Gesamtkonzepten und das Netzwerken kennzeichnet diese Initiativen.
Sprachkenntnisse ebnen den Zugang zum Arbeitsmarkt, erleichtern die Verständigung im Alltag und schaffen die Voraussetzung dafür, am gesellschaftlichen Leben aktiv teilzunehmen. Entsprechende Anstrengungen zur Sprachvermittlung unternehmen nicht nur die Städte, sondern auch Kommunen im ländlichen Raum und die Landkreise. Drei Initiativen werden im Folgenden vorgestellt.
Damit sich die Integrationschancen jugendlicher Flüchtlinge verbessern, hat das niedersächsische Kultusministerium das Modell „SPRINT – Sprach- und Integrationsprojekt an berufsbildenden Schulen“ entwickelt. „Der große Vorteil gegenüber den klassischen Sprachförderklassen besteht darin, dass wir sehr schnell zusätzliches Personal einstellen konnten“, sagt Ulf Zumbrägel, Abteilungsleiter für den Bereich „Berufseinstiegsschule“ beim Berufsschulzentrum am Westerberg (BSZW) in Osnabrück (Niedersachsen).
Aufgrund der guten Zusammenarbeit im Landkreis sei es gelungen, zeitnah sechs Lehrkräfte zu gewinnen. Das Netzwerk setzt sich unter anderem aus der Stadt sowie dem Landkreis Osnabrück, der Arbeitsagentur, der Industrie- und Handelskammer und der Handwerkskammer zusammen. „Wir haben eine Stellenanzeige auf unserer Internetseite veröffentlicht, aber es lief auch viel über Mund-zu-Mund-Propaganda“, erklärt Zumbrägel.
Neben sieben Sprachförderklassen haben sich am BSZW drei Sprint-Klassen gebildet. Organisiert werden diese nicht nach Herkunftssprachen, sondern nach Leistungsniveau, unterteilt in Sprint 1, 2, und 3 mit jeweils 15 Schülern. Die Fähigkeiten der Schüler seien sehr unterschiedlich, so Zumbrägel: „Sprint 1 richtet sich an Analphabeten. Gleichzeitig gibt es in Sprint 3 Teilnehmer, die in der Lage sind, sofort eine Ausbildung aufzunehmen.“
Darüber hinaus startete im Herbst 2016 mit zwei Klassen Sprint-Dual ein weiteres Projekt. „Festzustellen war, dass auch die guten Schüler oft länger als ein Jahr benötigen, um sie anschließend in Betriebe vermitteln zu können“, erklärt Zumbrägel. Zusätzlich zur Einstiegsqualifizierung wird ein zwölfstündiger begleitender Sprachunterricht angeboten. Vergangenes Jahr nahmen 32 junge Leute daran teil. Das Ziel bestand darin, 50 Prozent der Teilnehmer in Ausbildung zu bringen. „Tatsächlich waren es 78 Prozent.“
Gesamtkonzept bindet die Maßnahmen zusammen
Zu den Aufgaben in den Landkreisen zählt auch die Vermittlung von passenden Sprachkursen. Wie Thomas Schmidt, Dezernent der Kommunalen Arbeitsförderung im Landkreis St. Wendel (Saarland), erklärt, sind in seinem Landkreis alle Aktivitäten eingebettet in ein Gesamtkonzept. Da St. Wendel auch Optionskommune sei, könnten alle Maßnahmen im Jobcenter gebündelt und abgestimmt werden.
Jeder anerkannte Flüchtling erhält eine Einladung, an einer Gruppenveranstaltung teilzunehmen, die Migrationscoach Barbara Motsch leitet. Beschäftigt ist die Sozialpädagogin über das Bundesprogramm „Landaufschwung“, in dem 13 Modellregionen gefördert werden. Im Rahmen der Veranstaltung, bei der arabischsprechende Kollegen anwesend sind, werden Basisinformationen vermittelt und Kurzprofilings erstellt. Dadurch werden auch schnell Fachkräfte mit hohem Integrationspotenzial identifiziert und besonders gefördert.
Im Anschluss erfolgt die zentral vom Jobcenter organisierte Sprachstandsmessung, um das Sprachniveau festzustellen sowie die Zuweisung in die Kurse. Deren Koordination übernimmt ebenfalls Motsch. „Da die Sprachkursträger gezielt die passenden Teilnehmer zugewiesen bekommen müssen, spart dies Ressourcen, die für andere Aufgaben genutzt werden können.“ Thomas Schmidt sieht jedoch noch weitere Vorteile: „Falls jemand ein Kursangebot absagt, können wir sofort dafür sorgen, dass der Platz nachbesetzt wird.“ Einen solchen Überblick könnten sich die einzelnen Träger nicht verschaffen. Nicht zuletzt aus diesem Grund werde die aufgebaute Struktur von allen Seiten mitgetragen. „Das Nebeneinander wurde zugunsten eines echten Miteinanders beendet.“ Das maßgebliche Auswahlkriterium für die Zuweisung in Sprachkurse sei die Wartezeit. „Dies ist gerecht und wird von allen akzeptiert“, sagt Schmidt.
Kurse für Asylsuchende und Zuwanderer
Der Integrationsbeauftragte für den Bodenseekreis (Baden-Württemberg), Marvin Arnold, betont, wie sinnvoll es für alle Beteiligten war, sich zunächst einen Überblick über das Angebot für unterschiedliche Bedarfe zu erarbeiten. „Nur so war es möglich, Lücken zu identifizieren und gegenzusteuern.“ Das Landratsamt des Landkreises, bei dem es sich wie beim Landkreis St. Wendel um eine Optionskommune handelt, kooperiert hierbei mit unterschiedlichen Trägern wie der Volkshochschule und privaten Sprachkursanbietern.
Bei allen Alphabetisierungs-, Grund- und Aufbaukursen in Deutsch als Fremdsprache, die im Landkreis angeboten werde, gilt die Verwaltungsvorschrift „VwV-Deutsch für Flüchtlinge“. Diese wird vom baden-württembergischen Ministerium für Soziales und Integration herausgegeben. „Sie soll die Steuerungsfunktion der Städte und Landkreise stärken und besagt außerdem, dass die Kurse nicht nur für Asylsuchende offen sind, sondern auch für andere Zuwanderer“, erklärt Arnold. Dafür stellt das Land Fördergelder zur Verfügung. Gedacht sind diese jedoch nicht für Personen, die bereits einen Integrationskurs des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) besuchen dürfen.
Einmal pro Quartal finden Netzwerktreffen zur Sprachvermittlung statt. Sie legen offen, welche Kurse in welchem Zeitraum starten. „Es ist eine Hilfe zur Selbsthilfe, der aufgrund des hohen Anteils unterschiedlicher Akteure nötig ist, um für Transparenz zu sorgen“, sagt Arnold. Einen besonderen Abstimmungsbedarf gebe es nicht zuletzt aufgrund der tragenden Rolle des Ehrenamts, das für die Region typisch sei.
Thomas Heusel, der im Landratsamt für das Handlungsfeld „Koordination Sprache und Arbeitsmarkt“ verantwortlich ist, weist auf die herausragende Rolle der Flüchtlingssozialarbeiter hin. „Sie wissen, welche Sprachkurse benötigt werden und erstellen Listen, die wir im Landratsamt zusammenführen.“ Ein wichtiger Aspekt bei der Planung bestehe auch darin, lange Anfahrten zwischen dem Wohnort der Flüchtlinge und den Schulungsstätten zu vermeiden.
Michaela Allgeier
Die Autorin
Michaela Allgeier, Essen, ist Autorin und Beraterin in den Themenfeldern Demografische Entwicklung und Gerontologie sowie Integration
Info: Integrationsprojekte in den Landkreisen: Eine Übersicht zu den einzelnen Projekten unterschiedlicher Ausrichtung bietet der Deutsche Landkreistag auf seiner Homepage