Die Städte bleiben im Klimaschutz am Ball

Deutschland darf angesichts des Ausstiegs der USA aus dem Pariser Klimaabkommen nicht bange sein. Die Gründe, sich beim Schutz der Erdatmosphäre zu engagieren, bleiben bestehen, unabhängig von politischen Kurswechseln, meint Eckart Würzner, OB der Klimaschutzstadt Heidelberg, in diesem Beitrag.

Nach dem großen Erfolg der UN-Klimakonferenz in Paris Ende 2015 hat der internationale Klimaschutzprozess mit dem von Präsident Donald Trump angekündigten Rückzug der USA in diesem Jahr einen Rückschlag erlitten. Doch ungeachtet der Politik der neuen US-Regierung und weniger anderer Staaten steht die große Mehrheit der Staaten hinter den Pariser Klimaschutzvereinbarungen.

Zahlreiche Städte in Europa und der ganzen Welt engagieren sich seit vielen Jahren in dynamisch wachsenden Städtenetzwerken für den Klimaschutz. Hierzu gehören der Europäische Konvent der Bürgermeister, Energy Cities, das Klimabündnis, der International Council for Local Environmental Initiatives (ICLEI) und das weltweite Bündnis der Megacities für den Klimaschutz C40.

Die Städtenetzwerke haben sich aktiv in die UN-Klimaverhandlungen eingebracht und die Städte arbeiten mit ambitionierten Konzepten und konkreten Maßnahmen an einer nachhaltigen und klimafreundlichen Entwicklung. Als Präsident des europäischen Städtenetzwerkes Energy Cities und Vorstandsmitglied des Europäischen Konvents der Bürgermeister bin ich immer wieder beeindruckt von dem Engagement und dem Ideenreichtum der Menschen in Europa und auf allen Kontinenten für wirksame Schritte zu Klimaschutz und nachhaltiger Entwicklung.

Breites Spektrum von Optionen

Infolge der weltweit gestiegenen Produktivität der Landwirtschaft lebt inzwischen die Mehrheit der Menschen in Städten. Städte sind in hohem Maße abhängig von funktionierenden Nahrungsmittel-, Wasser-, Energie- und Rohstoffversorgungs- und Entsorgungssystemen sowie Transportsystemen für Menschen und Güter. Der schnelle Klimawandel gefährdet deren Funktion.

Viele Bereiche des Klimaschutzes und der Reduzierung der Treibhausgase betreffen die lokale Ebene. Städte verfügen über ein breites Spektrum von Handlungsoptionen für den Klimaschutz. Sie tragen Verantwortung für zentrale Aufgaben der Daseinsvorsorge und verfügen über umfangreiche Planungskompetenzen in der Stadtentwicklung. Die kommunalen Handlungsoptionen lassen sich vier Kategorien zuordnen:

  • Klimaschutzmaßnahmen im kommunalen Gebäudebestand

  • Information und Motivation für Klimaschutzmaßnahmen

  • Vernetzung und Partizipation von Makroakteuren und Bürgern

  • Klimaschutz als integraler Bestandteil aller kommunalen Aufgaben

Jede dieser Kategorien ist für sich wirksam und sinnvoll. Die parallele Verfolgung aller Strategien potenziert aber die Wirksamkeit. Viele Städte engagieren sich bereits in mehreren dieser Handlungsstrategien für den Klimaschutz. Ein besonders hohes Entwicklungspotenzial sehe ich im vierten Punkt, also in der konsequenten Integration von Klimaschutzkonzepten in alle kommunalen Aufgaben. Die Stadtentwicklung – von der Regionalplanung über die Flächennutzungsplanung und die Bauleitplanung bis zum aktiven Baulandmanagement – bietet zahlreiche Handlungsoptionen für den Klimaschutz, unter anderem

  • für effiziente Energieversorgungssysteme, zum Beispiel Fern- und Nahwärme,

  • die Nutzung erneuerbarer Energien, vor allem der Solarenergie,

  • die Festlegung guter baulicher und technischer Energiestandards,

  • die Verminderung motorisierten Individualverkehrs, etwa durch die „Stadt der kurzen Wege“ sowie

  • die Minderung der „grauen Energie“.

Emissionsfreier Stadtteil

Ein Erfolgsmodell für diesen Ansatz stellt der neue Stadtteil Heidelberg-Bahnstadt dar, der auf dem Gelände des ehemaligen Güter- und Rangierbahnhofs entsteht. Mit einer Fläche von 116 Hektar ist die Bahnstadt eines der größten Stadtentwicklungsprojekte in Deutschland und größer als die Heidelberger Altstadt. Die Bahnstadt wird flächendeckend im Passivhausstandard errichtet. Ein Stromsparkonzept unterstützt die Stromeffizienz, ein Holzheizkraftwerk liefert Wärme und Strom aus erneuerbaren Energien und machen das Quartier bezogen auf die Gebäude zum Nullemissions-Stadtteil. Wege auf ehemaligen Bahndämmen und kreuzungsfreie Querungen von Straßen steigern die Attraktivität des Rad- und Fußverkehrs. Eine intensive Öffentlichkeitsarbeit zu den Nachhaltigkeitskonzepten begleitet die Planung und Realisierung der Bahnstadt.

Auch die kommunalen Aufgaben in den Bereichen Kinderbetreuung, Schule, Soziales oder Sport bieten zahlreiche Möglichkeiten, Impulse für Klimaschutzmaßnahmen, umweltbewusstes Verhalten und nachhaltigen Konsum zu setzen.

Querschnittsaufgabe aller Ämter

Voraussetzung für die Umsetzung der Handlungsoptionen ist die Erarbeitung und politische Verabschiedung eines städtischen Klimaschutzkonzeptes und die organisatorische und personelle Verankerung in der Verwaltung. Der Klimaschutz muss als Querschnittsaufgabe aller Ämter der Verwaltung etabliert werden, erfordert aber gleichzeitig ein qualifiziertes Klimaschutzteam.

Die Stadt Heidelberg hat 1992 ihr erstes Klimaschutzkonzept verabschiedet, das alle Energieverbrauchssektoren und den Verkehr berücksichtigt. 2014 wurde es mit intensiver Öffentlichkeits- und Akteursbeteiligung als „Masterplan 100% Klimaschutz“ fortgeschrieben mit dem Ziel, die CO2-Emissionen bis 2050 um 95 Prozent zu reduzieren.

Die Heidelberger Stadtwerke leisten mit effizienter Energieversorgung sowie regenerativer Strom- und Wärmeerzeugung einen zentralen Klimaschutzbeitrag. Die von der Stadt Heidelberg gegründete Klimaschutz- und Energieberatungsagentur KliBA konnte sich zwischenzeitlich zu einer regionalen Agentur weiterentwickeln und bietet Energieberatung für Bürger, Firmen und Kommunen. Durch den Global Covenant of Mayors for Climate und Energy und andere Städtenetzwerke wie zum Beispiel C40 sind wir mit vielen Städten auch international vernetzt und setzen uns für die Unterstützung der Städte im lokalen Klimaschutz ein.

Ein Schwerpunkt des europäischen Städtenetzwerkes Energy Cities ist der Austausch von Best Practice-Beispielen. Es existiert eine Datenbank mit rund 500 Projekten aus den Mitgliedsstädten. Hier ist zum Beispiel der „Energy Action Plan“ der irischen Stadt Dublin oder der „Sustainable Energy Action Plan“ der polnischen Stadt Bielsko-Biala zu nennen.

Städte leisten konstruktiven Beitrag

Als Oberbürgermeister habe ich in Deutschland die Möglichkeit, über den Deutschen Städtetag Einfluss auf die nationale Klimaschutzpolitik zu nehmen. Angesichts der hohen fachlichen und operativen Kompetenz der Städte im Klimaschutz halte ich es für erforderlich, dass Netzwerke wie Energy Cities künftig weit stärker und in formalisierten Strukturen in die Ausarbeitung nationaler, europäischer und internationaler Klimaschutzstrategien eingebunden werden. Städte können damit einen konstruktiven Beitrag zur Ausarbeitung effizienter nationaler Klima- und Energiepolitik leisten.

Energy Cities wird sich weiterhin für ambitionierten Klimaschutz und die Energiewende in Kooperation mit nationalen Regierungen einsetzen. Als Präsident von Energy Cities appelliere ich an alle Städte und Nationen weltweit, den Kampf gegen den Klimawandel fortzuführen. Es ist unumgänglich, dass alle Nationen, insbesondere die USA, in Energieeffizienz und erneuerbare Energien in allen Sektoren investieren, um unumkehrbare Auswirkungen des Klimawandels wie Massenmigration, Dürren und Überflutungen zu verhindern.

Eckart Würzner

Der Autor
Prof. Dr. Eckart Würzner ist Oberbürgermeister der Stadt Heidelberg und Präsident des Städtenetzwerks Energy Cities

Info: Der Begriff Graue Energie meint die Energie, die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung eines Produktes benötigt wird. Betrachtet werden dabei auch alle Vorprodukte und die Rohstoffgewinnung.