Die Chancen von Building Information Modeling (BIM) im Bausektor

Woraus besteht ein Bauwerk? BIM gibt hier jederzeit Einblick – die Kommunen sollten dafür einheitliche Standards entwickeln und in Pilotprojekten testen, empfiehlt Henriette Strotmann. Foto: Adobe Stock/Dzmitry

Für eine Kreislaufwirtschaft muss man die Mengen, die Materialqualitäten und die Verbindung der einzelnen Baustoffe miteinander kennen. Das geht über BIM – Wissenschaftlerin Henriette Strotmann erklärt das Konzept.

Der Bausektor hat in Deutschland nicht nur eine große ökonomische Bedeutung. Zudem kommt ihm vor allem auch in Bezug auf eine effiziente Ressourcennutzung eine sehr große Relevanz zu. Bundesweit werden rund 550 Millionen Mg/a mineralische Naturstoffe abgebaut und zur Herstellung von Baustoffen verwendet.

Dies ist mit erheblichen Umweltbeeinflussungen unter anderem durch Land- und Energieverbrauch sowie Emissionen verbunden. Hinzu kommt, dass die Zulassung neuer Abbaugebiete für Kies und Sand zunehmend schwieriger wird.

Der hohe Rohstoff bedarf und die gleichzeitig zunehmende Angebotsverknappung führen dazu, dass auch mineralische Rohstoffe bereits importiert werden. Daneben werden im Bausektor vermehrt Kunststoffe und Metalle eingesetzt, für die ebenfalls eine Steigerung der Ressourceneffizienz erforderlich ist. Gleichzeitig fallen in diesem Bereich mit rund 230 Millionen Mg/a rund 55 Prozent der in Deutschland anfallenden Abfälle an.

Detaillierter Einblick ins Bauwerk

Besonders für den Bausektor besteht deshalb die Forderung auf politischer und gesell-schaftlicher Ebene nach einem Wandel: von der linearen zur zirkulären Wertschöpfung – und das unter Nutzung moderner, IT-gestützter Prozesse und Technologien.

Die kontinuierliche Verbesserung der Ausgangssituation und eine zielgerichtete zirkuläre Wertschöpfung im Bauwesen verlangen technisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich eine Vielzahl neuer, zukunftsfähiger Strategien, die den gesamten Lebenszyklus von Bauwerken im Hoch- und Tiefbau adressieren. Das Zentrum für Zirkuläre Wertschöpfung im Bauwesen an der FH Münster greift die Forderung auf und bündelt die inter-disziplinären Lehr- und Forschungsaktivitäten in diesem Sektor.

Die bisherige Forschung zeigt, dass für den Aufbau einer Zirkularität im Bauwesen zwingend detaillierte Informationen über die gesamte Lebensdauer von Bauwerken benötigt werden – diese Informationen unterstützen die jeweiligen Akteure bei Entscheidungen.

Building Information Modeling (BIM)

Building Information Modeling (BIM) ist dabei ein wichtiger Ansatz, bei dem ein digitales Bauwerksmodell in den Fokus des gemeinsamen digitalen Arbeitens gestellt wird. Es soll im ganzheitlichen Verständnis über die Planungs-, Bau- und Nutzungsphase bis hin zum Um- oder Rückbau alle Bauwerksinformationen enthalten und speichern.

BIM wird in Deutschland bereits bei verschiedenen Projekten in der Planungs- und Genehmigungsphase eingesetzt, um Bauwerks- und Bauteilinformationen digital zu erfassen. Die integrale BIM-gestützte Planung von Bauwerken über alle Gewerke führt im Ergebnis zu dessen exakter Beschreibung im Sinne eines digitalen Zwillings. Sie ermöglicht damit die Speicherung aller Informationen zum Bauwerk (Identität der Bauteile, Konstruktions- und Materialinformationen sowie Montage- und Demontageanleitungen, Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen), die in Betriebs-, Sanierungs- und Rückbauphasen genutzt, gepflegt und erweitert werden können.

Die gezielte Aufnahme, Entwicklung und Nutzung für die Aspekte der zirkulären Wertschöpfung fehlen jedoch bislang. Zusätzlich besteht die Notwendigkeit, digitale Instrumente (in Verbindung mit GIS) zur Beschreibung von anthropogenen Lagern und der Entwicklung von regionalen Stoffstrommanagementkonzepten zu etablieren.

Schlüssel zur zirkulären Wertschöpfung

Der digitalen Erfassung, Speicherung und Weitergabe aller relevanten Bauwerks-informationen zum verbauten Material, den Qualitäten und Quantitäten kommt somit eine große Bedeutung zu. Dies ist der Schlüssel im Hinblick auf die zirkuläre Wertschöpfung und auch für die Verbesserung der Bauprozesse sowie die Verminderung von Problemen, Preissteigerungen und Baumängeln durch verbesserte Kommunikationsprozesse zwischen allen Beteiligten.

Hierzu müssen von Anfang an alle Beteiligten gemeinsam mit der Methode BIM arbeiten. Projekte müssen daher so beauftragt werden, dass die Anforderungen des digitalen Arbeitens und die Übergabe der Daten und Informationen von allen Beteiligten erfüllt werden können.

Hier sind insbesondere auch die Kommunen als Auftraggeber gefordert, möglichst einheitliche Standards zu entwickeln. Sie müssen zukünftig vorgeben, welche Informationen in welcher Form von wem und zu welchem Zeitpunkt übermittelt und digital im Modell abgespeichert werden müssen. Ihre Aufgabe ist es, die Anforderungen zu strukturieren und die Generierung, Speicherung und Übergabe aller relevanter Informationen für die Bauwerke im kommunalen Zuständigkeitsbereich sicherzustellen.

Appell an die Kommunen

Dies geschieht sinnvollerweise mit Hilfe von Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA), in denen genau diese Details für alle Beteiligten festgelegt werden. AIA können und sollten die Kommunen jetzt entwickeln und in Pilotprojekten deren Anwendbarkeit überprüfen, damit eine kontinuierliche Anpassung und damit ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess implementiert werden kann.

So lernen alle Beteiligten, und es entstehen dauerhaft digitale Zwillinge neuer Bauwerke, die auch hinsichtlich einer Steigerung der zirkulären Wertschöpfung genutzt werden können. Henriette Strotmann

Die Autorin: Prof. Dr.-Ing. Henriette Strotmann ist Professorin für Baubetrieb und digitalen Bauwerkszyklus an der FH Münster.