Die App lässt Gebäude sprechen

Mithilfe städtischer Wegeleitsysteme finden sich Touristen an unbekannten Orten zurecht. Denn einheitliche Ansätze in Planung und Beschilderung erleichtern die Orientierung. Analoge Schilder werden nach und nach durch digitale Infotafeln ersetzt. Aktualisierungen von Daten sind somit kein Problem.

Der digitale Wandel hat auch die Struktur der Wegleitsysteme radikal verändert. Dem aufgestellten Schild assistiert der digitale Wegweiser beim Einkaufen, im Rathaus oder an der Universität. Die Sichtbarkeit kommunaler Institutionen wächst rasant und führt in erster Instanz zu einem Mehraufwand. Eine touristisch relevante Flaniermeile mit elektronischen Infotafeln, auch Infoterminals genannt, auszurüsten, kostet Geld und Mühe.

Doch die positiven Auswirkungen auf die kommunale Arbeit sollten nicht unberücksichtigt bleiben. Die Inhalte der Terminals sind digitalisiert, und das bedeutet, sie können jederzeit aktualisiert werden. Innerhalb von Sekunden lassen sich bestimmte Passagen löschen oder austauschen. Dafür ist keine eigene Abteilung im Rathaus notwendig, ein städtischer Digital-Beauftragter reicht aus. Dank Vernetzung laufen bei ihm die Fäden zusammen. Nicht nur die der Infoterminals, sondern die Fäden diverser kommunaler Digitalpräsenzen. So entsteht eine ganze Datenbank, die der Kontrolle des Administrators untersteht. Mit einer marktüblichen Content-Management-Software wie Typo 3 wächst alles zusammen. Die städtische Website samt Unterseiten der einzelnen Behörden, das Tourismus-Portal, die Präsenz der kommunalen Wirtschaftsbetriebe und das Schaufenster der Unternehmensförderung, alles aus einer Hand. Der Nutzen ist gegenseitig. So lassen sich zum Beispiel Hinweise touristischer Art mit dezenten Marketingmaßnahmen verbinden.

Durch das dem Besucher vertraute Wischen über den Touchscreen behält dieser die Entscheidungshoheit über den angezeigten Inhalt. Doch nach der 3-D-Information mit Filmsequenz hat der Besucher noch ausreichend Aufmerksamkeit, um dem Link zu den empfehlenswerten Lokalitäten in der unmittelbaren Nähe zu folgen. Vielleicht existiert sogar ein klassisch beschilderter Genießer-Rundweg, dem der Hobby-Gourmet nur allzu gerne folgt. Bei jedem Schild hält er kurz inne und zückt sein Smartphone, via QR-Code erscheint die tagesaktuelle Speisekarte auf seinem Display.

Eine solche Strategie lässt sich, bewusst oder aus Kostengründen, auch ohne optisch markante Terminals anwenden. Alleine der schlichte QR-Code reicht aus, um den Touristen zur Kommunikation zu motivieren. In Dinkelsbühl (Bayern) zum Beispiel, das vom Tourismus profitiert und an der Romantischen Straße liegt, funktioniert das Prinzip reibungslos. Dinkelsbühl hat keinen echten Hotspot, aber eine exzellente historische Bausubstanz. Diese einzelnen, vielleicht sogar unscheinbaren und mit den entsprechenden Codes ausgerüsteten Sehenswürdigkeiten entfalten durch die Inhalte der App ihre Monumentalität. Sie erst bringen dem Nutzer den historischen Kontext nahe. Ein Gebäudekomplex der Altstadt gewinnt so an unmittelbarer Bedeutung. Welche Rolle spielte er bei der Hexenverfolgung? Was geschah dort im Dreißigjährigen Krieg? Wie gestaltete sich der Arbeitsalltag im Dinkelsbühl des 18. Jahrhunderts? Die App gibt Auskunft und lässt die Dinkelsbühler Gebäude sprechen.

Vom Suchen zum Sichten und Sortieren

In Zeiten von Airbnb-Buchungen und diversen Bewertungs- und Vergleichsportalen für Hotels und Privatunterkünfte bleibt touristisch geprägten Kommunen nichts anders übrig, als die Herausforderung anzunehmen. Der Besucher, der Kunde, schaltet das Internet nicht kurzfristig ein, um sich seinem Ziel inhaltlich zu nähern. Er ist häufig überhaupt erst durch das Internet auf das Ziel aufmerksam geworden. Das Nutzerverhalten hat sich vom aktiven Suchen hin zum Sichten und Sortieren von Links verschoben, denn diese werden ihm permanent angeboten. In Twitter-Kurzmeldungen ebenso wie in Facebook-Einträgen oder den Webseiten touristischer Attraktionen, Hotels und Infoportalen. Bieten diese Plattformen dem Interessierten keine direkte Möglichkeit der Zusatzinformation, sinkt die Aufmerksamkeit rapide. Eine Aufnahme des Aussichtspunktes samt Denkmal mit einem eingescannten vergilbten Foto des Erbauers und den Kontaktdaten des geöffneten Restaurants, das war 1999 ein digitaler Meilenstein. Heutzutage ist es eher ein Zeichen der digitalen Unreife.

Wie es auf der Höhe der Zeit funktionieren kann, Menschen zu einem Besuch einer Region zu motivieren und sie vielleicht sogar zum Wiederkommen zu animieren, zeigt die optimierte Vernetzung in Form von Portalen. Eine Lösung, die für legendäre Hotspots wie die Loreley oder die Zugspitze unnötig ist. Der Vorzug der Bündelung und Sichtbarmachung kommt vor allem den mittleren und kleinen Regionen mit Tourismusanspruch zugute. Landstriche, etwa in den Mittelgebirgen, die ihre Reize am besten im Kollektiv entfalten, da ihnen die eine große Sehenswürdigkeit fehlt. Die Eifel kennt keine mächtigen Kathedralen, aber als Region lädt sie mit ihrer natürlichen Schönheit zum Verweilen ein.

Regionale Räume für Touristen erschließen

Für solche Regionen ist die gezielte Vernetzung entscheidend. Entsprechende Portale zählen noch nicht zum Standard, stellen aber die Zukunft des Tourismusmarketings dar. Projekte wie der „Reiseführer für die Hosentasche“ zielen genau in diese Richtung. Sie fassen Regionen zusammen und machen sie auf diese Weise sichtbar. In erster Linie für potenzielle Touristen, doch die Idee lässt sich problemlos ökonomisch ausweiten. Grundsätzlicher Vorteil dieser Strategie: Durch die digitale Verknüpfung können nicht nur überschaubare regionale Räume erschlossen oder gefestigt, sondern ganze Routen kreiert werden. Populäre Beispiele wie diverse Wanderwege durch Weinanbaugebiete oder die Deutsche Fachwerkstraße zeigen, dass das bereits vor Jahrzehnten funktioniert hat. Mit Zeitungsanzeige, Broschüre und Fensteraushang. Heutzutage mit App und Co. deutlich schneller, internationaler und optimal durch die Initiatoren zu steuern.

Till Röcke

Der Autor
Till Röcke, Remagen, ist Autor und freier Journalist

Info: Ulm trifft auf Moderne

Die Interactive Media Foundation (IMF) hat gemeinsam mit der Stadt Ulm, der Münstergemeinde Ulm und Projektpartnern eine Stadtkampagne entwickelt. „Ulm Stories – Geschichten einer Stadt“ machen Historie mit allen Sinnen erlebbar: mit einer Virtual-Reality-Flugsimulation, einem großen Multimedia-Live-Event sowie einem App-basierten-3D-Hörerlebnis durch das Münster. So trifft Vergangenheit auf Zukunft. Das Projekt ist Teil der Initiative „Zukunftsstadt Ulm 2030“, mit der die Kommune digitale Anwendungen stärker in den Fokus und Alltag bringen möchte. Ein Baustein davon ist Stimmen des Münsters. Im Ulmer Münster lässt eine App der IMF ein dreidimensionales Hörerlebnis entstehen. Für die Besucher wurden über 60 bluetoothgesteuerte Sensoren in der Kirche angebracht, um die Audioszenarien intuitiv erlebbar zu machen. „Während Nutzer mit aktivierter App durch das Münster schlendern, hören und erleben sie atmosphärisch dicht inszenierte Kapitel“, erklärt IMF-Chefin Diana Schniedermeier. Die Geschichten und die binaurale (dreidimensional-räumliche) Soundgestaltung versetzen die Besucher in andere Zeiten und mitten in das Geschehen. Das Erzählte kann über die Informationsebene der App vertieft werden. Konzipiert wurde die App von Miiqo Studios. Die App „Ulm Stories – Stimmen des Münsters“ ist für iOS und Android im jeweiligen Store downloadbar. Im Ulmer Münster stehen Leihgeräte und Kopfhörer zur Verfügung.