Deutschland-Ticket ab Mai

Auf dem Weg in die Zukunft: Die Verkehrsunternehmen stehen hinter dem Deutschland-Ticket und wollen es zu einem Erfolg werden lassen. Foto: Adobe Stock/Christian Müller

Am 1. Mai geht es los mit dem Deutschland-Ticket für 49 Euro: Ingo Wortmann erklärt, warum er es für einen „Gamechanger“ hält − und welche Weichen aus Sicht des VDV-Präsidenten dennoch neu gestellt werden sollten.

Das Deutschland-Ticket ist eine Chance für Kommunen − viele Beobachter sprechen von einem „Gamechanger“, von einer Veränderung der Rahmenbedingungen für die klimafreundliche Mobilität. In der Tat: Das Ticket bedeutet einen Paradigmenwechsel. Bereits die prognostizierten Zahlen sind enorm: Der Branchenverband VDV geht davon aus, dass etwa 5,6 Millionen Menschen ein ÖPNV-Abo abschließen werden, die vorher keines hatten. 49 Euro sind ein attraktiver Preis und risikoarm dazu, da das Produkt monatlich kündbar ist.

Die Jobtickets werden sogar nur 34,30 Euro oder weniger kosten – ein Aspekt, der bei Arbeitgebern und Betriebsräten vor Ort künftig stärkere Aufmerksamkeit erlangen wird: Im Buhlen um Fachkräfte wird ein Deutschland-Ticket ein interessanter Vorzug sein.


Der ÖPNV ganz nah

Charmeoffensive mit dem Wettbewerb „Lieblingsbusfahrer:in“: Vom 17. April bis 30. Juni 2023 können Fahrgäste ihre persönliche Busgeschichte erzählen und ihre Lieblingsbusfahrerin, ihren Lieblingsbusfahrer nominieren. Eine Jury soll am Ende die berührendsten Geschichten auswählen und die Gewinner küren.
www.lieblingsbusfahrerin.de/lb


Der Autor

Ingo Wortmann ist Präsident des
Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen VDV.


Vielleicht denkt man dabei zunächst an die großen Städte und Metropolen, die von einem gut ausgebauten ÖPNV-Angebot profitieren werden. Doch auch im ländlichen Raum werden viele Fahrgäste kalkulieren: Aufgrund der oft längeren Distanzen ist der Vergleichspreis in der Regel höher – schon bei wenigen Fahrten könnte sich das Deutschland-Ticket rechnen, für Pendlerinnen und Pendler, aber ebenso für Wochenendreisende.

Auch im Vergleich mit „einmal Volltanken“ ist das Deutschland-Ticket attraktiv. Das führt für manche Kommunen zu der Frage, ob wir dort, wo es noch keinen Bus oder On-Demand-Service zum Bahnhof gibt, nicht mehr über Park-and-Ride-Anlagen nachdenken müssen. Mit dem neuen Ticket brauchen wir mehr davon – einschließlich Mobilitätsstationen für Leihräder und -autos.

Ein freundliches Lächeln und ein offenes Ohr für ihre Fahrgäste −damit könnte sie es sein: Gesucht werden Lieblingsbusfahrerinnen und Lieblingsbusfahrer. Foto: Adobe Stock/Monkey Business

Einfach entspannt einsteigen

Ein Verbund – ein Ticket: Das war bis jetzt das Motto vieler Verkehrsverbünde. Über diese Schiene stiegen über Jahrzehnte die Fahrgastzahlen in den Bussen und Bahnen, denn die bisherigen Tickets decken die große Mehrheit der täglichen Mobilitätsströme ab. Doch ab 1. Mai 2023 werden die entsprechenden Monatskarten deutlich teurer sein als 49 Euro, und ihre Gültigkeit endet regelmäßig an einer Verbundgrenze. Mit dem Effekt, dass diejenigen, die über diese Grenzen hinwegpendeln oder ihre Freizeitaktivität mit Bus und Bahn organisieren wollen, gelegentlich zwei Tickets erwerben müssen.

Die Folge: nicht nur ein hoher Gesamtpreis, sondern oft auch unterschiedliche Leistungsumfänge und -bedingungen für das Ticket. So ist es eben nicht nur der Preis, sondern auch die Einfachheit des Deutschland-Tickets, die in Bus und Bahn einsteigen lässt. Kein Nachdenken mehr über Gültigkeit, Waben und Zonen. Ab dem Tag der Arbeit gilt dann sozusagen: eine Nation – ein Ticket. Dieses Konzept des Deutschland-Tickets wollen die Verkehrsunternehmen zum Erfolg werden lassen. Erfolg heißt: deutlicher Fahrgastzuwachs bei guter Beförderungsqualität, auch wenn es mal voller wird.

Da braucht es dann aber vor allem beim Bund deutlich mehr Gestaltungswillen. Denn unlängst staunten viele, als das Bundesverkehrsministerium zur Langfristverkehrsprognose sinngemäß erklärte: Wenn der Pkw-Verkehr künftig ansteige, müsse man eben weiter auf Autos und Straßen setzen.

Anstatt also die Rahmenbedingungen für mehr Bus und Bahn zu verbessern, tut man so, als wäre der Autotrend unveränderbar. Wenn die Prognose zu der Erkenntnis kommt, dass die Ziele der Verkehrswende nicht erreicht werden könnten, sollte aber doch der Bund gegensteuern. Das Mittel dafür steht bereits im Koalitionsvertrag: eine Ausbau- und Modernisierungsoffensive für den Nahverkehr.

Die Verkehrsunternehmen und -verbünde arbeiten mit Hochdruck an der Digitalisierung sowie der bundesweiten Harmonisierung der Vertriebs- und Kontrollinfrastrukturen. Denn das Deutschland-Ticket soll ausschließlich per Smartphone oder Chipkarte angeboten werden und muss überall kontrollierbar sein. Der VDV-eTicket-Service hat dafür nun einen kostenlosen Leitfaden entwickelt und bietet Unterstützung bei der digitalen Transformation an.

Ab 1. Mai gilt: Ein Preis für ganz Deutschland − man muss sich nicht mehr in einem Geflecht aus Gültigkeitszonen zurechtfinden. Foto: Adobe Stock/#CNF

Fahrer dringend gesucht

Und doch: Bei aller Vorfreude auf das Ticket droht ein Gamestopper für die Mobilität in den Kommunen: In der VDV-Personalumfrage 2023 gibt jedes zweite Unternehmen an, 2022 aus personellen Gründen den Fahrbetrieb zumindest zeitweilig eingeschränkt zu haben − die Fahrpläne wurden ausgedünnt, manche Linie wurde gestrichen. Das hatte 2022 auch mit außergewöhnlichen Krankheitswellen zu tun. Ausschlaggebend ist jedoch, dass die Personaldecke infolge des demografischen Wandels immer kleiner wird. In der Branche gehen rund 80.000 Beschäftigte („Baby Boomer“) bis 2030 in den Ruhestand – die Bus- und Bahnunternehmen haben einen hohen Boomeranteil, da sie über Jahre hinweg wegen politischer Sparvorgaben kaum Nachwuchs einstellen konnten.

Die Branche reagiert und tritt am Arbeitsmarkt gemeinsam auf: wie bei in-dir-steckt-zukunft.de. Die dortige Jobbörse hat über 10.000 offene Stellen. Ruheständler, Studierende, neue Arbeitszeitmodelle, Fachkräfteeinwanderung – alles muss in Erwägung gezogen werden. Dazu brauchen wir eine Flexibilisierung von Pflichtstunden bei der Führerscheinausbildung Klasse D, so dass das künftige Fahrpersonal frühzeitiger die Prüfung ablegen kann, wenn es die Fähigkeiten erlauben. Auch das Absenken des Mindestalters von 24 auf 21 Jahre wäre zeitgemäß.

Wir werden außerdem die Busfahrerinnen und Busfahrer ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken, ihre Arbeit würdigen und so das Image des Berufsbildes verbessern − denn die Kollegen sind täglich für uns alle im Einsatz. Vom 17. April bis 30. Juni können Fahrgäste auf lieblingsbus-fahrerin.de ihre persönliche Busgeschichte erzählen und ihre Lieblingsbusfahrerin, ihren Lieblingsbusfahrer nominieren. Eine Jury wählt die bewegendsten Geschichten aus und kürt die Sieger.

Ingo Wortmann