Infolge von Massentierhaltung und Intensiv-Landwirtschaft gelangt zu viel Nitrat ins Grundwasser. Um dagegen vorzugehen, fordert die deutsche Wasserwirtschaft ein wirksames Düngerecht und verweist auf entsprechende Erfolge in Dänemark. Zudem müsse der ökologische Landbau forciert werden.
In vielen Regionen Deutschlands steigen die Nitratkonzentrationen im Grundwasser. Ursache ist die industrielle Landwirtschaft, die durch Massentierhaltung geprägt ist: Auf den Feldern wird immer stärker gedüngt. Dies hat vor Kurzem auch der Nitratbericht des Bundesumweltministeriums bestätigt. Der Grundwasserzustand hat sich demnach in den vergangenen Jahren nicht wesentlich verbessert. Gegenüber den Messungen von 2008 bis 2011 sei der Anteil der unbelasteten oder nur gering belasteten Grundwassermessstellen zwischen 2012 bis 2014 kaum gestiegen. Fast ein Drittel der Messstellen für die Grundwasserqualität wiesen zwischen 2012 bis 2014 zu hohe Nitratwerte auf.
Die mangelnden Fortschritte beim Grundwasserschutz und die fehlende konsequente Umsetzung der europäischen Nitratrichtlinie haben im vergangenen Jahr die EU-Kommission auf den Plan gerufen. Sie verklagte die deutsche Bundesregierung wegen Verstoßes gegen diese Richtlinie.
Notwendig ist deshalb eine Änderung von Düngegesetz und Düngeverordnung, die eine deutliche und nachhaltige Verminderung der Nitratbelastung bewirkt. Viele Wasserversorger mussten bereits Brunnen schließen und neue Brunnen bohren, um den vorgeschriebenen Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter sicher einhalten zu können.
Ohne wirksames und strenges Düngerecht werden die Nitratbelastungen in vielen Regionen weiter steigen. Viele Versorger müssten dann ihre Wasserwerke technisch massiv aufrüsten, um Nitratrückstände aus dem Wasser filtern zu können. Das Trinkwasser in Deutschland ist nach wie vor von höchster Qualität. Je stärker das Grundwasser verschmutzt wird, umso aufwendiger und teurer wird jedoch die Aufbereitung in den Wasserwerken. Das wird sich über kurz oder lang auch auf den Wasserpreis niederschlagen. Dies zeigt auch ein aktuelles Gutachten, das der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) vor Kurzem veröffentlichte. Es kann aber nicht sein, dass am Ende der Verbraucher für die Sünden der industriellen Landwirtschaft geradesteht.
Boden hat langes Gedächtnis
Aufgrund der langen Sicker- und Fließzeiten durch die Bodenschichten lässt sich Nitrat erst mit Verzögerung im Grundwasser nachweisen. Das Nitratabbauvermögen von Böden und Grundwasserleitern ist begrenzt. Selbst wenn ab sofort kein Nitrat mehr in den Boden eingebracht würde, kann es Jahrzehnte dauern, bis der Nitratgehalt im Grundwasser wieder abnimmt. In vielen Regionen dauert es zum Teil über 30 oder sogar über 50 Jahre, bis das Nitrat aus der Überdüngung der Felder das Grundwasser erreicht. Die Sünden der landwirtschaftlichen Flächenbewirtschaftung der 1970er- und 1980er-Jahre treten erst jetzt zu Tage.
In einigen Wassergewinnungsgebieten besteht zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch ein Nitratabbaupotenzial. Dieses wird sich mit zunehmendem Nitrateintrag jedoch erheblich verringern und letztlich aufgezehrt sein. Dadurch werden auch viele reaktive Maßnahmen, wie das Mischen von weniger belastetem Grundwasser mit belastetem Grundwasser und damit ein Fördern von durchschnittlich wenig belastetem Rohmischwasser nicht mehr möglich und eine technische Aufbereitung unumgänglich sein.
Der BDEW plädiert daher dafür, dass bei der Novelle von Düngeverordnung und Düngegesetz signifikante Veränderungen der Düngepraxis eingeführt werden. Hierzu setzt sich der BDEW für eine nachhaltige Verschärfung des Düngegesetzes und der Düngeverordnung ein. Grundsätzlich brauchen wir eine Trendwende in der Agrarpolitik hin zu einer ökologischen Landwirtschaft.
Deutschland ist dabei, sehenden Auges einen Standortvorteil zu verspielen: das zumeist ohne technische Aufbereitung hervorragende Trinkwasser als Naturprodukt, um das uns viele Länder beneiden. Deshalb müssen wir mit Umkehrmaßnahmen in belasteten Gebieten starten.
Stoffstrombilanz von allen Betrieben erstellen
Der BDEW fordert, dass die in der Düngeverordnung vorgesehene Obergrenze von 170 Kilogramm Stickstoff pro Hektar Ackerfläche alle stickstoffhaltigen Düngemittel (auch Mineraldünger) umfassen muss. Keinesfalls darf sie sich nur auf Wirtschaftsdünger beziehen. Auch müssten die Vorgaben insbesondere für die Stoffstrombilanz ohne Einschränkung für Agrarbetriebe aller Größen gelten und nicht nur Großbetriebe erfassen.
Am Beispiel der Grundwasserschutzpolitik in Dänemark lässt sich demonstrieren, wie die konsequente Umsetzung der europäischen Nitratrichtlinie zu einer nachhaltigen Entlastung von Böden und Grundwasser führen kann. Unter anderem durch die Einführung umfassender Meldepflichten und Kontrollen für die Düngung konnten in Dänemark die Stickstoffüberschüsse von landwirtschaftlich genutzten Flächen um 43 Prozent reduziert werden. Bei Phosphor wurde ein Rückgang um 80 Prozent erreicht.
So wichtig eine konsequente und den EU-Vorgaben entsprechende Düngeverordnung auch ist: Sie wird das grundsätzliche Problem, das sich aus der Intensiv-Landwirtschaft und der Massentierhaltung auch für die Gewässer ergibt, nicht lösen. Der massive Preisdruck auf landwirtschaftliche Erzeugnisse wird jedenfalls nicht zu einer nachhaltigeren Nutzung der Böden führen.
Was wir deshalb eigentlich brauchen, ist analog zur Energiewende eine konsequente Agrarwende. Der ökologische Landbau muss forciert werden. Er macht heute nur etwa acht Prozent aus. Subventionen, die die Landwirtschaft erhält, sollten in weit stärkerem Maße als heute in den ökologischen Landbau umgeleitet werden.
Warum sollte man nicht, wie bei der Energiewende, ein ehrgeiziges Ziel ausrufen? Eine Zielvorgabe „20 Prozent ökologischer Landbau bis 2020“ wäre ein deutliches Signal auch im Sinne eines nachhaltigen Gewässer- und damit letztendlich Trinkwasserschutzes.
Jörg Simon
Der Autor
Jörg Simon ist Vizepräsident Wasser/Abwasser des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) in Berlin