Den Surfern freie Bahn

Annähernd zwei Milliarden Reisende sind jährlich im Regionalverkehr unterwegs. Auch dort wollen sie mit Smartphone und Tablet online gehen – und verzweifeln wegen instabiler Netzzugänge. Technisch lässt sich das Problem elegant lösen, die Bahnbetreiber müssten dazu nur ihre Züge nachrüsten. Das aber dauert.

Smartphones und Tablets sind für viele Menschen ständige Begleiter, sowohl im beruflichen als auch im privaten Alltag. Während für Fernreisende in Zügen entsprechende Angebote existieren, ist das Thema WLAN (Wireless Local Area Network ) im Regionalverkehr erst seit Kurzem Gegenstand der Diskussion. Die Forderung von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), auch in Regionalzügen einen drahtlosen Internetzugang anzubieten, hat für lebhaftes Echo bei allen Beteiligten gesorgt.

Bahnbetreiber verweisen auf die erforderlichen Investitionskosten, die nur bei Neubestellungen wirtschaftlich tragbar wären. Zugleich wird gefordert, zunächst die Mobilfunkinfrastruktur entlang der Bahnstrecken auszubauen, um eine durchgängige Netzabdeckung zu haben. So einleuchtend dieses Argument auf den ersten Blick scheint, verkennt es doch, dass bereits Lösungen am Markt existieren, mit denen sich auch bei bestehender Infrastruktur stabile Internetzugänge in Regionalzügen umsetzen lassen

Die technischen Herausforderungen bei der Umsetzung von WLAN im Zug sind jedoch alles andere als trivial. Auch die für die Neubestellung von Zügen verantwortlichen Zweckverbände sollten sich daher eingehend mit ihnen befassen, um entsprechende Anforderungen bei Neubestellungen formulieren zu können. Auf der technischen Seite liegen die Herausforderungen darin, eine stabile Internetverbindung während der Fahrt aufrechtzuerhalten und alle WLAN-Nutzer im Zug mit der notwendigen Bandbreite im Downstream (aus dem Netz Richtung Nutzer) und Upstream (in Richtung Netz) zu versorgen.

Die gängige Lösung für WLAN in Zügen ist der Einsatz von Mobilfunk-Routern, die eines oder mehrere Mobilfunknetze entlang der Strecke nutzen, um die Daten zu übertragen. Aus dieser Datenübertragung zwischen Zug und Mobilfunk-Basisstationen entlang der Zugstrecke ergibt sich zum Beispiel die Schwierigkeit, dass die Mobilfunkabdeckung eines einzelnen Netzes entlang der Gesamtstrecke lückenhaft ist (Funklöcher).

Züge wechseln aufgrund ihrer Geschwindigkeit häufig den Abdeckungsbereich der Mobilfunk-Basisstationen. Jedes Mal, wenn der Zug eine neue Funkzelle fährt, muss die Verbindung neue aufgebaut werden (Reconnect). Das unterbricht vielfach die jeweilige Anwendung beim Nutzer und es gehen Datenpakete verloren. Es kommt hinzu, dass durch das schnelle Einbuchen in und Verlassen von Funkzellen sowohl die verfügbare Bandbreite als auch die Übertragungszeit (Latenz) starken Schwankungen unterliegt.

Funklöcher können ausgeglichen werden

In Folge dessen ist die Qualität der Datenverbindung sehr unbefriedigend. Reisende in Fernzügen kennen diese Probleme bei der mobilen Internetnutzung. Sie kommen dann verstärkt dann zum Tragen, wenn Bahnbetreiber für ihre WLAN-Lösung im Zug nur mit einem Mobilfunkprovider kooperieren, da dann auch nur das Netz dieses Providers entlang der Strecke zur Verfügung steht.

Ein erster Ansatz, die Qualität von WLAN im Zug zu verbessern, liegt darin, eine WLAN-Lösung in Zügen zu implementieren, bei der die Router die Signale mehrerer Mobilfunkprovider verarbeiten. So stehen in Deutschland die Netze von T-Mobile, Vodafone und O2/E-Plus zur Verfügung, die jeweils wieder Netze mit unterschiedlichen Übertragungsstandards wie zum Beispiel UMTS, HSPA oder LTE betreiben. Die Mobilfunkabdeckung (Coverage) entlang einer Zugstrecke verbessert sich damit spürbar, da aufgrund der Überlappung der Mobilfunknetze einzelne Funklöcher ausgeglichen werden.

Die Implementierung einer derartigen WLAN-Lösung mit mehreren Mobilfunkprovidern kann auf zwei grundlegend unterschiedliche Arten erfolgen, entweder durch Lastverteilung oder durch WAN-Bündelung (WAN: Wide Area Network).

Bei der Lastverteilung, dem sogenannten Load Balancing, werden die anfallenden Datenströme auf unterschiedliche Mobilfunkprovider verteilt. Damit können zwar grundsätzlich alle bestehenden Mobilfunkprovider entlang der Strecke genutzt werden, eine einzelne Session, etwa der Zugriff eines Reisenden auf einen Webserver, wird aber immer über nur einen Mobilfunkprovider transportiert. Ist bei diesem gerade keine Netzabdeckung vorhanden, bedeutet das einen Verbindungsabbruch für den Nutzer. Folge: Er muss seine Session neu starten. Die anderen WLAN-Nutzer, deren Daten über einen anderen Mobilfunkprovider transportiert werden, sind von der fehlenden Netzabdeckung nicht betroffen.

Verbindungsabbrüche können ganz vermieden werden, wenn das Prinzip der WAN-Bündelung (WAN: Wide Area Network) zum Einsatz kommt. Hier werden von einem Bündelungsrouter mehrere Mobilfunknetze zu einer einzigen virtuellen VPN-Verbindung zusammenschaltet. Die Daten einer einzelnen Session werden nicht mehr nur über einen Provider versendet und empfangen, sondern in einzelne Pakete gesplittet und diese über alle zur Verfügung stehenden gebündelten Leitungen geleitet.

Die Vorteile dieses Verfahrens sind gerade bei WLAN im Zug offensichtlich: Eine schlechte oder fehlende Netzabdeckung bei einem der gebündelten Mobilfunknetze führt nicht mehr zwangsläufig zum Verbindungsabbruch, da die Datenübertragung über die anderen gebündelten Leitungen aufrechterhalten wird – und zwar für alle WLAN-Nutzer.

Hohe Ausfallsicherheit und stabile Datenverbindung

Durch die Bündelung unterbricht die kontinuierlich notwendige Neuanmeldung an einer Funkzelle auch nicht mehr die aktuelle Anwendung der WLAN-Nutzer. Ein hohe Ausfallsicherheit und Stabilität der Datenverbindung im Zugbetrieb ist damit gegeben. Durch die Bündelung steht zudem die aggregierte Bandbreite aller gebündelten Mobilfunknetze zur Verfügung, was letztlich auch die einzige technische Möglichkeit ist, die insgesamt erforderliche Bandbreite im Zug bereitzustellen.

Wird eine derartige Bündelungslösung zudem softwareseitig in Verbindung mit einer sogenannten Vorwärts-Fehlerkorrektur implementiert, wie es beispielsweise beim deutschen Routerhersteller Viprinet aus Bingen der Fall ist, können die im Mobilfunknetz verlorengegangenen Datenpakete auf der Empfangsseite rekonstruiert werden, ohne dass das Paket noch einmal gesendet werden muss. Dadurch hat der Nutzer konstant niedrige Übertragungszeiten und die Bandbreite der Mobilfunknetze wird nicht durch laufende Paketwiederholungen reduziert.

Weiterhin kann die knappe Bandbreite dahingehend „geschont“ werden, dass WLAN-Lösungen im Zug mit der sogenannten adaptiven Datenkompression arbeiten. Diese Art der Komprimierung der gesendeten und empfangenen Daten kann die Bandbreite um bis zu rund 30 Prozent erhöhen. Für den einzelnen Nutzer macht sich eine solche Bandbreitenerhöhung direkt positiv bemerkbar. Flüssigere Anwendungen, bessere Interaktivität und damit höhere Zufriedenheit mit der WLAN-Nutzung im Zug.

Einzelne Bahnbetreiber, zum Beispiel in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, berücksichtigen bereits heute bei ihren Neuausschreibungen, dass Regionalzüge zukünftig mit WLAN ausgestattet sind. In Anbetracht der fast zwei Milliarden Fahrgäste im Regionalverkehr jährlich sollte Bahnbetreibern jedoch grundsätzlich daran gelegen sein, ihren Kunden das tägliche Pendeln attraktiver zu machen – für fast zwei Drittel der wochentäglichen Pendler sind dass immerhin zwischen 30 und 90 Minuten täglich.

Wolfram Markus