Dem Wasser mehr Raum geben

Hochwasserschutz gehört in Regionen mit Flüssen zu den Aufgaben der Raumplanung. In Leipzig-Westsachsen zum Beispiel werden verschiedene Instrumente zur Erhaltung und Verbesserung des Wasserrückhalts eingesetzt. Sie unterstützen das Prinzip, „Flüssen mehr Raum zu geben“.

Ein Kernanliegen der Regionalplanung besteht darin, Raumnutzungsbelange aufeinander abzustimmen. Dabei gilt es, einen Interessenausgleich zu gewährleisten, Nutzungen und Funktionen zu sichern, Vorsorge zu leisten und Angebote zu entwickeln.

Unter den Sachthemen hat der Hochwasserschutz vor dem Hintergrund der Fluterfahrungen vom August 2002 und vom Juni 2013 auch in der Region Leipzig-Westsachsen ein besonderes Gewicht. Auch lokale Starkniederschlagsereignisse traten in den letzten Jahren wiederholt in Erscheinung. Ausgehend von den Handlungsaufträgen aus dem Landesentwicklungsplan (LEP) Sachsen 2013 und im Zusammenwirken mit der Fachplanung erfolgen durch die Regionalplanung Festlegungen insbesondere zum vorbeugenden Hochwasserschutz.

Leipzig-Westsachsen liegt komplett im Fluss-Einzugsgebiet der Elbe, die im Raum Torgau die Planungsregion tangiert. Weitere wichtige Flüsse sind die Freiberger und Zwickauer Mulde, die ab Sermuth zwischen Colditz und Grimma die vereinigte Mulde bilden, sowie die Weiße Elster mit der Pleiße als wichtigster Nebenfluss.

Die Hochwasserentstehungsgebiete der Flüsse (Vorfluter) liegen fast komplett in Mittelgebirgslandschaften (Sudeten, Erzgebirge, Vogtland) und damit außerhalb der Region. Ein Spezifikum von Leipzig-Westsachsen besteht in den Landschaftsveränderungen durch den Braunkohlenbergbau über mehr als 100 Jahre. Sie waren einerseits mit Flussverlegungen und gravierenden Retentionsraumverlusten in Auenbereichen verbunden und andererseits mit Möglichkeiten zur Schaffung von Speicherräumen in Tagebauseen, so wie sie mit dem Talsperrensystem Untere Pleiße bereits seit den 1950er-Jahren schrittweise umgesetzt wurden.

Technischen und ökologischen Hochwasserschutz harmonisieren

Zur Gewährleistung der Belange des Hochwasserschutzes steht der Regionalplanung ein breites Instrumentarium zur Verfügung. So können insbesondere für Gebiete mit potenziell starken Oberflächenwasserabflüssen zur Erhaltung und Verbesserung der Wasserrückhaltung „Bereiche der Landschaft mit besonderen Nutzungsanforderungen“ festgelegt werden. Weitere Ausweisungen etwa zur Waldmehrung und zum Schutz der vorhandenen Wälder unterstützen dieses Anliegen.

Mit der Ausweisung von „Vorrang- und Vorbehaltsgebieten Hochwasserschutz“ werden vorhandene oder rückgewinnbare Retentionsräume erfasst und eine Risikovorsorge für potenzielle Überflutungsbereiche betrieben. Zugleich werden damit unter Hochwasserschutzaspekten funktionswidrige Landnutzungen wie etwa Bebauungen mit Behinderungen des Wasserabflusses oder Retentionsraumverlusten ausgeschlossen. Dabei sind Belange des technischen und des ökologischen Hochwasserschutzes miteinander zu harmonisieren.

Alle Belange sind Bestandteil der laufenden Gesamtfortschreibung des Regionalplans Leipzig-Westsachsen, die bis Ende 2018 abgeschlossen werden soll. Im Zeitraum von Ende Januar bis Ende März dieses Jahres laufen Anhörung und öffentliche Auslegung zum Beteiligungsentwurf (Beteiligungsportal mit allen Unterlagen unter www.rpv-westsachsen.de).

Zur Erhaltung und Verbesserung des Wasserrückhalts verfolgt die Regionalplanung in Leipzig-Westsachsen ein gestaffeltes Konzept. Dazu zählen Landnutzungen mit Orientierung auf Grünland in Überschwemmungsbereichen, Aufforstungen geeigneter Gebiete zur Stärkung ihres Retentionsvermögens, die Vermeidung großflächiger Bodenneuversiegelungen (Flächensparen), die Prävention gegenüber Verlusten an natürlichen Retentionsräumen oder auch die Vermeidung nutzungsbedingter Bodenverdichtungen. Damit wird das Prinzip, „Flüssen mehr Raum zu geben“, wirksam unterstützt.

Sanierung von Tagebauflächen

Intakte Flussauen sind nicht nur unter dem Aspekt Natur und Landschaft von Bedeutung. Sie leisten zugleich einen großen Beitrag zum Hochwasserschutz. Gleichermaßen werden wasserbauliche Aktivitäten wie etwa Deichrückverlegungen an Elbe oder Mulde und die Herstellung von Polderflächen im Raum Torgau oder in Löbnitz (Landkreis Nordsachsen) flankiert. So belaufen sich die wiedergewinnbaren Rückhalteflächen entlang der Mulde auf 615 Hektar und das Rückhaltevermögen in der Poldergruppe an der mittleren Elbe auf rund 78 Millionen Kubikmeter.

Ein markantes Beispiel zur Verbesserung des Wasserrückhalts bildet der Zwenkauer See. Angesichts der bergbaubedingten Retentionsraumverluste im Tagebaubereich Zwenkau-Cospuden ab den 1970er-Jahren erfolgte im Zuge der Braunkohlenplanung als Bestandteil der Regionalplanung bereits ab 1992 eine konsequente Orientierung darauf, die Verluste durch die Herstellung einer Speicherlamelle beim Tagebausee auszugleichen. Entsprechende Festlegungen erfolgten 1999 und zuletzt 2006 im Sanierungsrahmenplan. Für die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV) als Sanierungsträger entstand damit ein entsprechender Umsetzungsauftrag.

Im Bereich des knapp 1000 Hektar umfassenden Standgewässers können bei einer Lamelle von 2,1 Meter rund 20 Millionen Kubikmeter Wasser zurückgehalten werden. Obwohl am 8. Mai 2013 zunächst nur das von der Weißen Elster abgehende Einlaufbauwerk eingeweiht werden konnte, waren die Früchte bereits kaum vier Wochen später zu ernten, als in der Spitze über 130 Kubikmeter Wasser pro Sekunde abgeleitet werden konnten. Damit konnten gravierende Hochwasserschäden in Leipzig und auch in Halle (Saale) abgewendet werden. Nach der Inbetriebnahme des Auslaufbauwerks 2014 wird das System bis etwa 2022 durch den Harthkanal komplettiert.

Andreas Berkner

Der Autor
Prof. Dr. habil. Andreas Berkner ist Leiter der Regionalen Planungsstelle Leipzig des Regionalen Planungsverband Leipzig-Westsachsen

Info: Der Regionale Planungsverband Leipzig-Westsachsen war wiederholt in „Modellvorhaben der Raumordnung“ (MORO) mit Themenbezug eingebunden, so im Zeitraum 2011 bis 2014 zu Anpassungsstrategien an den Klimawandel und 2015 bis 2017. Zu Ersterem sind die Ergebnisse umfassend auf der Homepage des Verbandes dokumentiert. Zu Letzterem erschien 2017 das „Handbuch zur Ausgestaltung der Hochwasservorsorge in der Raumordnung“ mit weiterführenden Informationen