Eine neuerliche Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetz steht im Jahr 2016 an. Der aktuelle Schwerpunkt sind Fragen der Ausschreibung. Nun gilt es zu prüfen, in welcher Form Kommunen, Bürgergruppen und regionale Unternehmen sich künftig für die Energiewende werden engagieren können.
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hat seit dem Jahr 2000 eine Vielzahl von Änderungen erfahren, zuletzt im Jahr 2014. Nunmehr steht eine neue Reform ins Haus. Diesmal vor allen Dingen mit dem Schwerpunkt der Ausschreibung. Diese aktuell anstehende Reform des EEG ist nicht zuletzt daraufhin zu hinterfragen, inwiefern sie Kommunen, Bürgern und regionale Unternehmen die Möglichkeit weiterhin einzuräumt, an der Energiewende mitzuwirken. Diese Mitwirkung setzt auf unternehmerischer Ebene regional und kommunal eine größtmögliche Akteursvielfalt voraus. Hinter diesem Begriff steht die Vorstellung, dass erneuerbare Energien vor allen Dingen dezentral erzeugt werden sollen. Der Aspekt der Akteursvielfalt setzt dabei sowohl auf eine Vielfalt in der Energieerzeugung wie auch in der Energievermarktung.
Ein Konfliktpotenzial zwischen der Akteursvielfalt in diesem Sinne und dem Ausschreibungsverfahren wird deutlich, wenn man sich das bisherige Vergütungssystem des EEG genauer ansieht. Letztlich gab es bis zum EEG 2012 nur eine eingeschränkte Marktteilnahme in Form einer Direktvermarktung. Der feste Einspeisetarif für erneuerbare Energien war und ist gerechtfertigt; selbst wenn ein höherer Strompreis dabei entstehen sollte, denn der Mehrwert der erneuerbaren Energien liegt in ihrer Mehrleistung, die wiederum darin begründet ist, in beachtlicher Weise CO2-Emmissionen zu vermeiden.
Spätestens seit der Duiskussion um die „Strompreisbremse“ der Minister Altmaier und Rössler hat man demgegenüber den Eindruck erweckt, Strompreise seien durch die EEG-Umlage unkontrollierbar und es sei deshalb dringend geboten sei, zu handeln. Dies ist definitiv so nicht richtig, führte aber eben dazu, das Instrument der Ausschreibung zu fordern.
Hürden für kleine kommunale Projekte
Eine (nicht die alleinige) Teilnahmebedingung an der Ausschreibung ist das Vorliegen einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Dass diese Vorleistung nicht im Vertrauen darauf verfolgen kann, einen festen Einspeisetarif zu bekommen, sondern nur Voraussetzung für die Teilnahme an einer Ausschreibung mit ungewissem Ausgang, bedeutet, dass für die Ausschreibung ein großer personeller und finanzieller Vorlauf erforderlich ist, – verbunden mit dem Risiko des „Totalausfalls“ falls der Zuschlag ausbleibt. Wie schon die ersten Ausschreibungen im Bereich der Fotovoltaik zeigten, führt dies dazu, dass an einer Ausschreibung vor allem große Unternehmen (erfolgreich) teilnehmen können. Heruntergebrochen auf die Kommunen muss realistisch gesehen werden, dass Bürger-Energieprojekte und die Projekte kleinerer Kommunen diese Vorausleistungen kaum werden erbringen können. Am „Ob“ der Ausschreibung wird sich wohl auch im parlamentarischen Prozess kaum mehr etwas ändern lassen. So ist zu fragen, was diese „Vorleistungspflicht“ für die Akteursvielfalt bedeutet.
Ein immissionsschutzrechtliches Verfahren etwa zur Genehmigung von Windenergieanlagen nimmt einen Zeitrahmen zwischen anderthalb bis zwei Jahren in Anspruch – in Konfliktsituationen, die immer häufiger auftreten, auch länger. Damit sind erhebliche Zeitläufe und daraus folgend Finanzierungsfragen verbunden. Der Hauptunterschied der Ausschreibung, der in Konflikt zur Akteursvielfalt geraten wird, ist aber, dass diese Investition ohne Sicherheit einer Realisierung des Projekts und ohne Ertragssicherheit in Angriff genommen werden muss.
Solche Eigeninvestition ohne irgendwelche Voraussetzungen oder Sicherheiten werden Bürgerprojekte und Kommunen nicht stemmen können. Kommunalrechtlich ist es ausgesprochen fraglich, ob Kommunen überhaupt in ein so riskantes Investment gehen können. Jedenfalls dürfte nach vielen Kommunalverfassungen eine aufsichtsrechtliche Genehmigung erforderlich sein. Diese orientiert sich am kommunalen Zweck und der Risikosituation des Investments. Bei Erneuerbare-Energien-Projekten, die eine Ausschreibung erst gewinnen müssen, dürften sich viele Kommunalaufsichtsbehörden mit der Genehmigung schwertun.
In dieser Situation ist die Frage, ob die De-Minimis-Regelung eine Lösung darstellt. Diese Regelung wurde ausdrücklich von der EU etabliert, um dem deutschen Markt der erneuerbaren Energien und insbesondere der Windenergie im Rahmen der Ausschreibung entgegenzukommen. Sie stellt eine Ausnahme von der Ausschreibungspflicht für Anlagen bis sechs Megawatt (MW) oder sechs Anlagen dar. Es ist ausgesprochen negativ zu bewerten, dass in den derzeitigen Eckpunkten für das Ausschreibungsverfahren, also für das EEG 2016, von dieser Regelung praktisch überhaupt kein Gebrauch gemacht wurde oder Begrenzungen auf 1 MW lediglich im Gespräch sind. Dies hat mit den realistisch verfügbaren Windenergieanlagen nichts zu tun.
Indes ist festzustellen dass die konkrete Ausformulierung des EEG 2016 noch durch das Parlament muss. Politisch sollte insbesondere der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordern, diese Ausnahme für Kommunen zu nutzen. Es ist also zu fragen, welche Ausgestaltung dieser Regelung erforderlich wäre, um Kommunen, Bürgern und regionalen Energieerzeugungsunternehmen eine weitere Perspektive zur Erzeugung kommunaler erneuerbarer Energien zu geben.
Gegen die Nutzung der De-Minimis-Regelung wird vom Bundeswirtschaftsministerium regelmäßig eine zu befürchtende „Salamitaktik“ ins Feld geführt: Man könne für die Leistung und die Zahl der Anlagen keinerlei Begrenzung vorsehen, sodass letztlich die Ausschreibung leerliefe. Dieses Argument zeugt wenigstens von einer groben Unkenntnis des Marktes und zeigt, dass man sich über Regelungsmöglichkeiten nicht bewusst ist oder sie gar nicht nutzen will. Über das Mittel einer Kontingentierung mit regionalem Bezug könnte man gerade unter Berücksichtigung kommunaler Voraussetzungen einen Kompromiss zwischen kommunalen Bedürfnissen, die oft mit „Bürgerenergievorhaben“ einhergehen, und einem „Leerlaufen“ der Ausschreibung vermitteln.
Planung vom Verbrauch her
Was resultiert aus der hier kurz dargestellten Diskussion? Bislang begriff man erneuerbare Energien lediglich als Stromerzeugungsart zur Netzeinspeisung bei fester Vergütung ohne Verbindung zum regionalen und kommunalen Verbrauchsprofil. Zukünftig wird man gerade auf kommunaler Ebene umgekehrt denken müssen, nämlich vom Verbrauch (dem eigenen energetischen Anforderungsprofil im Strom und Wärmebereich) hin zur installierenden eigenen (erforderlichen) Kraftwerksleistung.
Dies vorausgesetzt, kann man mit Kraft-Wärme-Kopplung zur eigenen Versorgung – im Grundlastbereich idealtypisch mit Biomasse betrieben – und hinzutretender Windenergie und Fotovoltaik eine vollständige Dezentralisierung und Eigenversorgung erreichen. Es ist zu erwarten, dass solchen Modellen eine größere Zukunft gehört als das Hoffen darauf, dass die Politik (und die breite Bevölkerung) langfristig und endgültig akzeptiert, dass die Energiewende eine Aufgabe der Allgemeinheit ist, die es mit Steuermitteln (Gemeinschaftsaufgabe) zu begleichen gilt.
Martin Maslaton
Der Autor
Prof. Dr. Martin Maslaton ist Geschäftsführer der Maslaton Rechtsanwaltsgesellschaft in Leipzig