„Das Effizienzpotenzial ist enorm“

Die Wärmeversorgung im Gebäudebereich muss stärker als bisher erneuerbare Energien integrieren. Um dies zu erreichen, hat Baden-Württemberg das Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWärmeG) novelliert. Franz Untersteller, Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, erläutert Details der Regelung.

Herr Minister, was will das neue Erneuerbare-Wärme-Gesetz?

Untersteller: Das neue Gesetz will, was das alte auch schon wollte, wir haben es nur angepasst und modernisiert. Das Ziel des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes ist, in alten und älteren Gebäuden vermehrt erneuerbare Energien einzusetzen und die Energieeffizienz zu erhöhen. Das versuchen wir, indem wir einen bestimmen Anteil an erneuerbaren Energien bei der Warmwasserbereitung und Heizung vorschreiben.

Um welchen Anteil geht es konkret?

Untersteller: Früher waren zehn Prozent Pflicht ab dem Zeitpunkt, an dem eine zentrale Heizung ausgetauscht oder nachträglich erstmals eingebaut wird. Von Juli an werden es 15 Prozent sein. Das Gesetz beschäftigt sich darüber hinaus detailliert mit den Erfüllungsoptionen, also wie es gelingt die Verpflichtung zu 15 Prozent zu erfüllen. Da haben wir im Vergleich zu bisher die Palette an Optionen ausgeweitet und vor allem zahlreiche Kombinationsmöglichkeiten geschaffen. Ganz neu ist die Möglichkeit, mit einem gebäudeindividuellen, energetischen Sanierungsfahrplan fünf Prozentpunkte der Anforderungen an ein Wohngebäude zu erfüllen.

Wie fortschrittlich ist das Gesetz im Bundesländervergleich?

Untersteller: Baden-Württemberg ist nach wie vor das einzige Bundesland, das ein Erneuerbare-Wärme-Gesetz für Bestandsgebäude verabschiedet hat. Immer wieder interessieren sich andere Bundesländer dafür, wie wir es gestaltet haben, immer wieder höre ich von Bestrebungen, unser Gesetz nachzuahmen. Aber natürlich ruft eine solche ordnungsrechtliche Regelung Widerstand hervor, das schreckt ab. Und vielleicht erhoffen sich andere bislang auch eine bundesgesetzliche Regelung, wie es sie für Neubauten ja gibt. Aus dem Abwarten und Hoffen sind wir in Baden-Württemberg zum Glück raus. Ich halte unsere Regelung für sehr fortschrittlich, insbesondere auch deshalb, weil wir nicht darum herumkommen, im Gebäudebestand mehr erneuerbare Energien zur Wärmeerzeugung einzusetzen und die Energieeffizienz zu erhöhen, wenn wir unsere Klimaschutzziele erreichen wollen. Dem widerspricht im Übrigen auch niemand.

Wie groß ist insgesamt das Potenzial in Neubauten und Altbestand für die Etablierung erneuerbarer Wärme im Gebäudebereich in Baden-Württemberg?

Untersteller: Sie können nicht überall Solar­thermieanlagen aufs Dach setzen, nicht in jeder Region geht Geothermie, nicht alle Gebäude eignen sich für Pelletheizungen – wie groß das Potenzial für erneuerbare Wärme ist, kann Ihnen konkret niemand sagen. Aber das Effizienzpotenzial generell ist enorm! Es gibt in Baden-Württemberg rund 2,3 Millionen Wohngebäude und etwa 440 000 Nichtwohngebäude. Der Prozentsatz an energieeffizienten Neubauten ist dabei sehr gering. Vier Zehntel unserer Endenergie fließen in den Gebäudebereich, über 80 Prozent davon werden für Raumwärme und Warmwasser verbraucht, überwiegend gewonnen aus fossilen Energien. Das bedeutet unterm Strich, dass Warmwasser und Heizung für rund 25 Prozent unserer Treibhausgas­emissionen verantwortlich sind.

Was bewirkt angesichts dieser Zahlen das Erneuerbare-Wärme-Gesetz?

Untersteller: Wenn es uns mithilfe dieses Gesetzes gelingt, diese Quote durch den Einsatz erneuerbarer Energien und verbesserter Energieeffizienz langsam abzusenken, ist schon etwas gewonnen.

Welches sind die Faktoren für die erfolgreiche Umsetzung des Gesetzes und wann wird es in seinen Wirkungen voraussichtlich umfassend greifen?

Untersteller: Das Gesetz greift überall dort, wo in Baden-Württemberg eine zentrale Heizung erneuert oder erstmals eine solche in ein Bestandsgebäude eingebaut wird. In diesem Sinne greift es umfassend und in diesem Sinne wird es erfolgreich sein. Jede Heizungserneuerung löst dank unseres Erneuerbare-Wärme-Gesetzes Begleitmaßnahmen aus. Die Erneuerung bekommt durch den Anteil an erneuerbarer Energie oder durch Energieeinsparung einen Bonus für Effizienz und Klimaschutz.

Welche Konsequenzen hat das Gesetz für die Kommunen als Eigentümer von Bestandsimmobilien?

Untersteller: Als Eigentümer von Wohn­immobilien unterliegen die Kommunen denselben Verpflichtungen wie private Hauseigentümer. Das heißt, wenn die Heizung des Gebäudes erneuert werden muss, sind gewisse Investitionen nötig. Aber wie bei Privaten auch, gelten die gesetzlichen Optionen, die teilweise mit sehr überschaubaren Kosten verbunden sind. Was im Vergleich zum bisherigen Gesetz hinzukommt, ist die Ausweitung des Geltungsbereichs auf Nichtwohngebäude. Die Pflichten aus dem Gesetz sind für öffentliche Nichtwohngebäude neben denen des Erneuerbare-Energien-Wärme-Gesetzes zu erfüllen. Bei Letzerem handelt es sich um ein Bundesgesetz, das schon bisher den Blick der Eigentümer öffentlicher Immobilien auf energetische Sanierung lenkt. Dies gilt im Übrigen für alle staatlichen Nichtwohngebäude gleichermaßen.

Mit welchen Aufwänden und Kosten müssen die Städte und Gemeinden rechnen?

Untersteller: Auch für Nichtwohngebäude gibt es vielerlei Erfüllungsoptionen und Kombinationen davon. Für konkrete Maßnahmen lassen sich Kosten nur schwerlich allgemein angeben, da jeweils die spezifischen Verhältnisse der Immobilie maßgeblich sind. Da aber bei Nichtwohngebäuden der individuelle, energetische Sanierungsplan als eine vollständige Erfüllung der gesetzlichen Forderung gilt, können dafür beispielhaft Kosten genannt werden. Für ein Verwaltungsgebäude oder eine Schule bewegen sich die Nettokosten zwischen 3000 und 6000 Euro. Doch häufig sind erste Ansätze für Gebäude-Sanierungsmaßnahmen schon in den Klimaschutzkonzepten der Kommunen enthalten, sodass sich die Kostenansätze durch Übernahme vorhandener Daten reduzieren lassen.

Interview: Wolfram Markus

Zur Person
Franz Untersteller (Jg. 1957) ist seit 2011 Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Landes Baden-Württemberg. Zuvor war der Grünen-Politiker fünf Jahre lang stellvertretender Fraktionsvorsitzender seiner Partei im Landtag von Baden-Württemberg. Von 2002 bis 2011 war der studierte Landschaftsplaner Mitglied des Vorstands des Öko-Instituts in Freiburg.