Dampf im Kessel

Unser Klima ändert sich. Der Sommer 2016 hat einmal mehr gezeigt, wie wichtig ein wirksamer Schutz gegen Unwetter und Sturzfluten ist. Zugleich muss klar sein, dass zum Beispiel Kanalbauwerke nicht immer so dimensioniert werden können, dass sie die Aufnahme extremer Ereignisse gewährleisten.

Sturzfluten in Braunsbach und Simbach, Hangrutschungen und entgleiste Züge, Blitzeinschläge auf Fußballplätzen und Rockkonzerten – die Bilanz des Sommers 2016 mit hohen wirtschaftlichen Schäden und leider auch Toten und Verletzten stimmt nachdenklich. Einzelereignisse definieren jedoch keinen Klimawandel, und die meteorologischen Datenreihen sind zu kurz, um eindeutige Trends für diese seltenen Ereignisse zu bestimmen. Dennoch fügen sich die Ereignisse in die Statistiken von Einsatzorganisationen und Versicherungen ein, die eine Zunahme der extremwetterbedingten Einsätze und Schäden verzeichnen. Auch die Klimamodelle lassen uns einen Anstieg in der Häufigkeit und Intensität extremer Niederschläge bis zum Ende des Jahrhunderts erwarten.

Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem Klimawandel und dem Niederschlagsgeschehen in Deutschland? Wir nähern uns dieser Frage von zwei Seiten: der physikalischen und der meteorologischen.

Niederschlag entsteht in der Atmosphäre durch die Hebung und damit einhergehenden Abkühlung von Luftmassen. Der enthaltene Wasserdampf bildet dann Wassertropfen oder Eispartikel, die schließlich aus der Atmosphäre beispielsweise als Regen, Schnee oder Graupel auf die Erde fallen. Dabei hängt die Menge an gasförmigem Wasser, die von der Luft aufgenommen werden kann, von der Temperatur ab. Erhöht sich die Temperatur um ein Kelvin, so kann die Luft etwa sieben Prozent mehr Wasserdampf aufnehmen. Im Rahmen des Klimawandels erwarten wir eine weitere Zunahme der Temperatur, wie sie sich bereits in den vorliegenden Klimadaten zeigt. Folglich steigen auch die Verfügbarkeit des Wassers in der Atmosphäre und damit das Potenzial extremer Niederschläge an.

Meteorologisch betrachtet hängt das Niederschlagsgeschehen in Deutschland von der vorherrschenden Großwetterlage ab. Die schadensträchtigen Starkregenereignisse im Mai/Juni dieses Jahres korrespondierten zum Beispiel mit der Lage eines Tiefdruckgebietes über Mitteleuropa und den Britischen Inseln. Auswertungen von Klimaprojektionen zeigen einen Anstieg der Häufigkeit dieser niederschlagsreichen Großwetterlagen. Darüber hinaus weisen die Ergebnisse auch auf eine Erhöhung der Anzahl von Trockenperioden (zehn Tage ohne Niederschlag) hin. Wir erwarten also aufgrund des Klimawandels eine Erhöhung der Häufigkeit und Intensität extremer Niederschlagsereignisse. Welche Folgen hat das für unsere Umwelt?

Fluviales und pluviales Hochwasser

Niederschlag versorgt unsere Landwirtschaft, spendet Trinkwasser und macht unsere Flüsse schiffbar. Fehlender Niederschlag führt zu Ernteausfällen und Einschränkungen im Schiffsverkehr; Starkniederschlag führt zu Erosion, Hochwasser und Sturzfluten. Betrachtet man den auslösenden Faktor eines Hochwasserereignisses, so kann man fluviale und pluviale Hochwässer unterscheiden.

Pluviale Hochwässer treten in kleinen Einzugsgebieten oder auch im urbanen Raum auf und werden im Gegensatz zu fluvialen Hochwässern durch lokale Extremniederschläge ausgelöst. Innerhalb kurzer Zeit können sich große Wassermassen ansammeln. Es kommt in topografisch gegliederten Regionen zu Sturzfluten mit großen Fließgeschwindigkeiten, die oftmals Geröll- und Schlammmassen mit sich führen und verheerende Schäden anrichten können.

Sturzfluten können unabhängig von Flussläufen auftreten. Aus urbanen Gebieten mit hohem Versiegelungsgrad kennen wir nach heftigen Regenfällen die Bilder der Wassermassen in tiefer gelegenen Arealen wie Unterführungen, U-Bahn-Stationen und Kellern, die ebenfalls Folgen pluvialer Ereignisse sind.

Fluviale Hochwässer sind hingegen durch die Ausuferung von Flüssen bedingt. Sie treten ein, wenn extreme Niederschläge innerhalb eines Einzugsgebiets fallen und im Fluss akkumulieren. Bei großen Flüssen und Einzugsgebieten sind die auslösenden Niederschläge in der Regel großflächige Dauerregenereignisse wie zum Beispiel beim Elbehochwasser im Jahr 2002.

Pluviale Hochwässer zeichnen sich durch eine kurze Reaktionszeit zwischen dem auslösenden Niederschlags- und dem korrespondierenden Abflussereignis aus. Die Vorwarnzeit für fluviale Hochwässer ist somit deutlich größer als im Falle pluvialer Hochwässer und Sturzfluten, die innerhalb kurzer Zeit auftreten können und daher oftmals kaum Möglichkeiten einer Reaktion durch den Menschen bieten.

Worauf müssen wir uns in Zukunft einstellen? Auswertungen von Klimaprojektionen bis zum Jahr 2100 haben ergeben, dass im Rahmen des Klimawandels unter anderem folgende Änderungen der Niederschlagscharakteristik in Deutschland zu erwarten sind:

  • In der Summe eine Zunahme der winterlichen Niederschläge

  • In der Summe eine Tendenz zur Abnahme der sommerlichen Niederschläge

  • Mögliche Zunahme des Anteils extremer Tagesniederschläge am Gesamtniederschlag

  • Erhöhung des Potenzials für extremere Niederschlagsintensitäten aufgrund der projizierten weiteren Erwärmung

  • Zunahme der Häufigkeit von Zehn-Tage-Trockenperioden

Mögliche Folgen der potenziellen klimatischen Änderungen sind beispielsweise eine Steigerung des Risikos von Überflutungen, insbesondere winterlichen Hochwässern und sommerlichen Sturzfluten, Erosion durch Starkregen, Einschränkungen der Binnenschifffahrt, aber auch zum Beispiel eine Steigerung der Waldbrandgefahr durch die Verlängerung der Trockenperioden.

Starkregenereignisse auf der einen, Hitze- und Trockenperioden auf der anderen Seite – hier sind innovative Lösungen gefragt. Sicherlich können – auch heute bereits – nicht alle Extremereignisse durch die hydrologische Infrastruktur aufgefangen werden. Hydrologische Bauwerke wie Kanalisationen sind entsprechend gültiger Normen und Richtlinien auf der Basis zum Beispiel der amtlichen Bemessungsniederschläge des Deutschen Wetterdienstes so ausgerichtet, dass sie seltene Ereignisse aufnehmen können. Eine Dimensionierung der Bauwerke in einer Größenordnung, die die Aufnahme extremer Ereignisse gewährleistet, ist jedoch nicht immer umsetzbar.

Letztlich müssen Sicherungsmaßnahmen greifen, um die wirtschaftlichen und humanitären Schäden im Ereignisfall zu begrenzen und zu verhindern. Neben einer intelligenten Stadt- und Raumplanung ist hier jeder Einzelne aufgerufen, Eigenvorsorge zu betreiben, um sein Hab und Gut zu schützen. Auch im Bereich des Bevölkerungs- und Katastrophenschutzes arbeitet man bereits daran, die Strategien der Einsatzkräfte zu optimieren und auf den bevorstehenden Klimawandel und seine potenziellen Folgen effektiv vorzubereiten.

Tanja Winterrath

Die Autorin
Dr. Tanja Winterrath ist Projektleiterin „Radarklimatologie“ beim Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach