Corona-Maßnahmen: Der Kampf gegen den unsichtbaren Feind

Eltern und Lehrerverbände plädieren 
für die Anschaffung von Luftfiltern für Klassenräume. Nun hat der Bund Fördergelder bereitgestellt. Foto: Denise Fiedler

Die größte Corona-Gefahr lauert im Innenraum, warnt Aerosolforscher Christof Asbach. Hier braucht es sinnvolle Lösungen für den Herbst. Beschränkungen im Freien hält er dagegen für unnötig.

Die Coronapandemie schränkt seit mittlerweile fast anderthalb Jahren unser tägliches Leben teils massiv ein. Zu Beginn der Pandemie ging man auch seitens der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des Robert-Koch-Instituts (RKI) noch davon aus, dass das Virus hauptsächlich über Schmierinfektion übertragen würde. Relativ schnell wurde jedoch deutlich, dass die Übertragung über den Luftpfad der wesentliche Infektionspfad ist und dementsprechend zur Senkung des Infektionsrisikos lufthygienische Maßnahmen getroffen werden müssen. Diese manifestierten sich in der AHA-Regel, die später, als klarer wurde, dass insbesondere Innenräume kritisch sind, noch um das L erweitert wurde.

Wir wissen mittlerweile, dass man mindestens einige hundert Viren einatmen muss, um sich zu infizieren. Einzelne Viren reichen hierfür nicht aus. Zum Verständnis, warum das Infektionsrisiko in Innenräumen um ein Vielfaches höher ist als draußen, ist es wichtig zwischen direkten und indirekten Infektionen zu unterscheiden. Leider wird diese Unterscheidung in der öffentlichen Debatte viel zu selten gemacht, dabei ist sie ins-besondere für die Auswahl geeigneter Schutzmaßnahmen von großer Bedeutung.

Maßnahmen wirken nur zusammen

Zusätzlich ist es wichtig zu verstehen, dass es keine Einzelmaßnahme gibt, die den best-möglichen Schutz bietet. Stattdessen sollten immer mehrere Maßnahmen sinnvoll miteinander kombiniert werden. Bei der Auswahl der Maßnahmen geht es also nicht um „oder“, sondern immer nur um das richtige „und“. Darauf haben wir von der Gesellschaft für Aerosolforschung schon Ende 2020 in unserem Positionspapier hingewiesen.

Direkte Infektionen können geschehen, wenn eine Person direkt die ausgeatmete Luft einer infektiösen Person einatmet. Da die Virenkonzentration im Atem besonders hoch ist, kann es schlimmstenfalls schon nach wenigen Atemzügen zur Infektion kommen. Direkte Infektionen können sowohl draußen als auch drinnen geschehen. Sie lassen sich aber einfach und effizient durch Abstandhalten, also das erste A der AHA-Regel, vermeiden, da die ausgeatmete Luft in der Umgebung schnell abgebremst wird und sich die Virenkonzentration anschließend rasch verteilt und dadurch verdünnt wird.

Große Tröpfchen, die zum Beispiel beim Niesen oder Husten entstehen, sinken schnell zu Boden und können so durch Einhalten des Mindestabstands nicht in den Atemtrakt einer weiteren Person gelangen. Ein Mindestabstand von 1,5 Meter gilt weiterhin als das richtige Maß.

Was tun ohne Abstand?

Jegliche Maske vor Mund und Nase, also das zweite A der AHA Regel, kann zudem die ausgeatmete Strömung weiter verlangsamen und somit das Risiko einer direkten Infektion zusätzlich verringern. Kann die Einhaltung des Mindestabstands nicht sichergestellt werden und ist das Tragen von Masken zum Beispiel im Büro- oder Schulalltag nicht möglich oder unzumutbar, können Schutzwände beispielsweise aus Plexiglas zwischen den Personen verhindern, dass der infektiöse Atem einer Person direkt von einer anderen Person eingeatmet wird. Die AHA Regel kann somit das Risiko einer direkten Infektion stark vermindern. Lüften, mobile Luftreiniger oder stationäre Lüftungsanlagen haben hingegen kaum eine Wirkung gegen diesen Infektionsweg.

Zu indirekten Infektionen kommt es, wenn die ausgeatmeten Viren nicht abtransportiert und von anderen Personen über Umwege eingeatmet werden. An der frischen Luft gibt es kaum Situationen, in denen dies passieren kann, da die natürliche Luftbewegung sowie die Thermik der warmen ausgeatmeten Luft zum Abtransport und somit zur Verdünnung der Viren führt.

Problemzone Innenraum

Drinnen sieht es hingegen anders aus. In einem komplett geschlossenen Raum steigt die Virenkonzentration kontinuierlich an, solange sich eine infektiöse Person in diesem Raum aufhält. Die von weiteren Personen im Raum eingeatmete Virendosis steigt daher annähernd quadratisch mit der Zeit. Die Virenkonzentration bzw. -dosis ist dabei umso höher, je kleiner der Raum ist.

Das tückische an der indirekten Übertragung ist, dass einerseits mehrere Personen auf einmal infiziert werden können (sogenannte Cluster-Infektion) und andererseits, dass man sich auch dann noch infizieren kann, wenn sich die infektiöse Person gar nicht mehr im Raum aufhält. Letzteres ist insbesondere für kleine, von vielen Menschen benutzte Räume wichtig, zum Beispiel Toiletten oder Kaffeeküchen. Hier kann man sich auch dann infizieren, wenn man keiner anderen Person begegnet.

Gegen die indirekte Infektion hilft häufiges, am besten permanentes Quer- oder Stoß-lüften. Die Fenster dauerhaft geöffnet zu lassen ist aber in vielen Fällen, zum Beispiel aufgrund der Wetterlage oder der Geräuschkulisse, nicht möglich. In diesem Fall sind Luftreinigungssysteme eine gute zusätzliche Maßnahme. Im Idealfall würden die betreffenden Räume natürlich alle mit einer stationären Lüftungsanlage ausgerüstet, welche den Innenbereich mit 100 Prozent sauberer Frischluft versorgt und gleichzeitig über eine effiziente Wärmerückgewinnung verfügt, um den Energieverbrauch zu minimieren.

Ideale treffen auf Grenzen

Leider sind den Idealvorstellungen häufig bauliche und nicht zuletzt finanzielle Grenzen gesetzt. Genau an dieser Stelle kommen die momentan so intensiv diskutierten mobilen Luftreiniger ins Spiel. Diese saugen Luft an, entfernen einen Großteil der in der Luft enthaltenen Partikel und Viren und geben die gesäuberte Luft zurück in den Raum. Die Luft wird also umgewälzt und dabei gereinigt und zwar zu jeder Zeit, also auch dann, wenn die Fenster geschlossen sind.

Typischerweise wird geraten, dass die Luft mindestens sechs Mal pro Stunde umgewälzt werden soll. Hier gilt im Sinne des Infektionsschutzes generell: je mehr desto besser. Das bedeutet allerdings im Umkehrschluss auch, dass auch geringere Umwälzraten bereits zu einer Verbesserung der Lufthygiene führen, wenn auch nicht im bestmöglichen Maße.

Generell sollte die Größe, also der Volumenstrom, des Gerätes immer an das Raumvolumen angepasst sein. Es lassen sich auch problemlos mehrere Luftreiniger in einem Raum betreiben, wodurch sich der Luftumsatz erhöht.
Bei der Positionierung der Geräte ist darauf zu achten, dass sie frei angeströmt werden und beim Betrieb mehrerer Luftreiniger sind diese ausreichend weit voneinander aufzustellen, um zu vermeiden, dass ein Gerät direkt die von einem anderen Gerät ausgeströmte gereinigte Luft wieder einsaugt.

Luftreiniger ergänzen das Lüften

Mobile Luftreiniger sind komplementär zum regelmäßigen Lüften zu sehen. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum mitunter Luftreiniger gegen das Lüften ausgespielt werden. Beim Autofahren kommt schließlich auch niemand auf die Idee, die Effektivität des Anschnallens gegen die der Airbags aufzuwiegen. Erst die Kombination der Maßnahmen führt zu einer effizienten Verringerung des Risikos. Wie gesagt, es darf nicht um „oder“, sondern immer nur um „und“ gehen. Das Lüften ersetzen können Luftreiniger nämlich auch nicht, da sich insbesondere in Räumen, die gleichzeitig von mehreren Personen genutzt werden, also zum Beispiel Klassen- oder Besprechungsräume, die Kohlendioxidkonzentration mit der Zeit anreichert.

Die Effektivität von Luftreinigern hängt dabei vorrangig vom Luftumsatz ab und erst in zweiter Linie von der Filtereffizienz. Die stetige Forderung nach H13- oder H14-Filtern treiben die Anschaffungskosten und den Energieverbrauch in die Höhe. Dabei existieren vielfältige Filterlösungen, die bei geringfügig höherem Luftvolumenstrom, aber erheblich geringerem Energieverbrauch und damit einhergehend besserer Klimabilanz eine vergleichbare, wenn nicht bessere Reinigungsleistung für Innenräume bieten.

Leider ist durch die vielfältigen, teils widersprüchlichen Forderungen und Vorgaben auch seitens von Behörden die Chance vertan worden, den Infektionsschutz mit dem Klimaschutz zu versöhnen und dabei auch noch Investitions- und Betriebskosten zu senken.

Eine weitere effiziente Maßnahme zur Verringerung indirekter Infektionen ist das korrekte Tragen hochwertiger, zum Beispiel FFP2-Masken, die Viren sowohl beim Aus- als auch beim Einatmen filtern.

Zwischen Risiko und Zumutbarkeit

Welchen Einfluss haben nun die derzeit noch niedrigen Inzidenzen und die höhere Infektiösität der Deltavariante auf die Effektivität der verschiedenen Maßnahmen? Die Inzidenz beschreibt letztlich die Wahrscheinlichkeit, auf eine infizierte Person zu treffen. Ab welcher Inzidenz welche Maßnahmen zu treffen sind, ist am Ende ein Kompromiss unter Abwägung des statistischen Infektionsrisikos auf der einen und der Zumutbarkeit der Maß-nahmen auf der anderen Seite.

Aus aerosolwissenschaftlicher Sicht hat der Inzidenzwert keinerlei Einfluss auf die Effektivität der beschriebenen Maßnahmen. Allerdings ist bei dieser Abwägung zu beachten, dass nach aktuellem Stand des Wissens für eine Infektion mit der Deltavariante offensichtlich bereits eine niedrigere Virendosis ausreichend ist. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass für ein gleichbleibend niedriges Infektionsrisiko ein noch effizienteres Maßnahmenbündel erforderlich ist, also noch effizientere Luftreiniger, noch häufigeres Lüften sowie die konsequente Umsetzung einer Pflicht zum richtigen Tragen effizienter Masken.

Konkret: Kommunale Aufgaben

Was ist nun im kommunalen Umfeld zu tun? Es gilt weiterhin, insbesondere die vulnerablen Gruppen zu schützen. Neben Alten betrifft dies insbesondere Kinder, die bisher nicht geimpft werden können. Für Seniorenheime, Kitas und Schulen gilt es jetzt, luft-hygienische Konzepte, unter Berücksichtigung direkter und indirekter Infektionswege, konsequent umzusetzen und das „und“ in den Vordergrund zu stellen.

Wann immer der Mindestabstand nicht sicher einzuhalten ist, sind die Maßnahmen gegen indirekte Infektionen um Maßnahmen gegen direkte Infektionen zu ergänzen. Gleiches gilt für alle anderen Bereiche des kommunalen Lebens, zum Beispiel in Rathäusern und Verwaltungsgebäuden mit und ohne Besucherverkehr.

Besonderes Augenmerk muss dabei auf kleine von vielen Menschen genutzte Räumlichkeiten gelegt werden, zu denen insbesondere Toilettenräume zählen, für die eine FFP2-Maskenpflicht den besten Schutz bietet, sofern keine effiziente Lüftungsanlage vorliegt.

Schulschließungen im Herbst vermeiden

Sport- und Kulturveranstaltungen sollten draußen unter Einhaltung der AHA-Regeln immer ohne großes Infektionsrisiko möglich sein. Allerdings müssen auch hier die sanitären Einrichtungen im Fokus weitergehender Maßnahmen stehen. Für Veranstaltungen im Innenbereich bieten letztlich nur Luftreinigungs- bzw. Lüftungsanlagen sowie das Tragen von Masken einen effektiven Schutz.

Das aktuelle Infektionsgeschehen in Großbritannien und in den Niederlanden zeigt, dass auch wir mit einer vierten Welle rechnen müssen. Diese gilt es, mit allen Mitteln so niedrig wie möglich zu halten, damit wir alle einen hoffentlich entspannten Herbst ohne Schulschließungen oder weiteren Lockdown genießen können. Die konsequente Umsetzung der beschriebenen Maßnahmen zur Verbesserung der Lufthygiene können dabei helfen, dieses Ziel zu erreichen.

Der Autor: Dr. Christof Asbach ist Präsident der Gesellschaft für Aerosolforschung e.V. und Leiter des Bereichs Luftreinhaltung und Filtration beim Forschungsinstitut für Energie- und Umwelttechnik (IUTA) in Duisburg.