Citytransformation: Alles bleibt im Wandel

Mehr als „nur“ (Einzel-)Handel: Gastronomie, Arztpraxen, Wohnungen, Sport, Kunst, Kultur – alles zusammen zieht Menschen an und belebt Innenstädte. Foto: Adobe Stock/IRStone

Abnehmende Frequenz, Leerstand, verödete Straßenzüge – und jetzt auch noch weitere Galeria-Schließungen. Damit sind die Innenstädte aber längst nicht am Ende: Es gibt bereits gute Erfahrungen mit neuen Nutzungskonzepten.

Jede Innenstadt ist anders, dementsprechend werden Themen und Aufgaben anders gewichtet. Die Individualität der Stadtsituation bezieht sich nicht nur auf den Städtebau, sondern auch auf Vitalität und Vielfalt der Nutzungen, auf die Bedeutung für die Stadtgesellschaft und die konzeptionelle Radikalität bei der Annäherung an Zukunftsbilder.

Bei aller Unterschiedlichkeit gilt aber: Der Großteil der Städte beschreibt die Aus- oder Nachwirkungen der Corona-Pandemie als Zäsur. Diese Synchronität der Wahrnehmung liegt sicher darin begründet, dass sich Entwicklungen in einem Zeitraffer vollzogen: Unternehmen gerieten in wirtschaftliche Schieflage, Traditionsgeschäfte schlossen für immer – in Kombination mit der Abwesenheit von Passanten wurde man in Echtzeit in ein dystopisches Szenario versetzt.

Auswirkungen wie Leerstände und zum Teil eine Verödung von Innenstadtlagen sind nichts Neues. Vielmehr begleiten sie den Diskurs schon seit Jahrzehnten: Man muss nur an die intensiven Debatten um die Zunahme der Handelsflächen auf der „grünen Wiese“ in den 2000er Jahren denken. Neu ist heute, dass – angestoßen nicht zuletzt durch Programme des Bundes und der Länder – eine breite Debatte um die Zukunft der Innenstädte initiiert wurde, die sich auch mit kommunalen Eingriffsinstrumenten und Eigentümerstrukturen auseinandersetzt. Über allem steht die Frage, was eine zeitgenössische Innenstadt ausmacht, welche Anlässe und Angebote – neben dem Einkaufsbummel – für einen alltäglichen Besuch attraktiv sind.

Das gilt für alle Städte gleichermaßen – das Ausgangsniveau aber ist verschieden. Neben spezifischen Begabungen oder der jeweiligen Lage bestimmen der Grad an Aktivitäten und der Erfolg bei der Gewinnung von Mitstreitern die Entwicklungsrichtung. Ein weiterer Unterschied liegt darin, das Klein- und Mittelstädte oft viel früher und umfassender als die großen Metropolen vom Strukturwandel des Einzelhandels betroffen waren.

Mancherorts spielt der Handel schon lange nicht mehr die Schlüsselrolle in der Innenstadt. Nicht immer wurde ein vitaler Ersatz gefunden, und die Innenstädte werden oft als nicht lebendig genug bewertet. Aktuell ist das bestimmende Thema in den Großstädten die Situation der Warenhäuser, da mit den geplanten Schließungen von fast 50 Galeria-Karstadt-Kaufhof-Filialen wichtige Ankernutzungen wegfallen. Die dadurch freiwerdenden Raumressourcen sind beträchtlich, und die Neuinterpretation der vorhandenen Gebäudesubstanz stellt alle Beteiligten vor große Aufgaben.

Mit Abstand am häufigsten wurden bis jetzt innerstädtische Gewerbeimmobilien zum Wohnen umgenutzt. Das hat den Nachteil, dass Wohnimmobilien und deren Erdgeschosszonen nicht unbedingt einen Beitrag zur Frequenz und zur Nutzungsvielfalt leisten. Insbesondere unter den aufgegebenen Kaufhäusern – seit 1994 wurden bereits an die 200 Häuser geschlossen – findet sich aber auch eine wachsende Zahl an Beispielen, die auf Nutzungsmischung ausgerichtet sind.

Shoppen – und sehr viel mehr

In Lünen wandelte eine Wohnungsbaugenossenschaft das ehemalige Hertie-Kaufhaus in eine Wohnimmobilie in Kombination mit Gewerbe und Gastronomie um. In Oldenburg wurde aus einem Hertie-Standort das „Core“ als Haus der Begegnung. Unter einem Dach finden sich dort Co-Working-Arbeitsplätze, ein Hotel, eine Bank, eine Markthalle, Sportangebote und Fachhändler. Das Althoff-Warenhaus in Herne wurde zu den Neuen Höfen mit Büros, einem Fitnessstudio, Ladenlokalen und Gastronomie umgebaut.

Auch Bildungsorte werden zunehmend zum Thema, etwa in Lübeck, wo ein altes Kaufhaus zu Klassenräumen für die Altstadtgymnasien umgestaltet wird. In Siegen entstand im Karstadt-Gebäude ein neues Hörsaal- und Seminarzentrum für die Universität. Für eine Übergangszeit können auch temporäre Nutzungen helfen, Leerstand zu verringern: Bremen, Nürnberg und Schweinfurt etwa haben Zwischennutzungen durch Pop-up-Stores oder Kunst und Kultur ermöglicht.

Innenstadtentwicklung ist ein Gemeinschaftswerk, das durch Städte und Gemeinden aktiv gesteuert werden sollte. Um Akteure für eine Mitgestaltung und auch Investoren zu gewinnen, muss jede Stadt sich zunächst über die eigenen Ziele klarwerden. Auf dieser Grundlage kann eine Innenstadtstrategie, die gemeinsam mit allen Akteuren der Innenstadt und unter Einbeziehung der Stadtgesellschaft erarbeitet wird, die zukünftigen Entwicklungslinien aufzeigen.

Solche Konzepte schaffen Klarheit und geben Orientierung auch für Investoren. Dabei ist es wichtig, nicht nur an etablierte Investoren zu denken, sondern auch andere Akteurskonstellationen und -kooperationen – von Genossenschaften bis zum Mietshäusersyndikat – einzubeziehen.

Aus der Krise in die urbane Zukunft

Insgesamt sollte man unbedingt anerkennen, dass die Entwicklung von Innenstädten ein fortwährender Prozess ist. Dafür braucht es auch die Offenheit, neue Pfade einzuschlagen, Experimente zuzulassen, immer wieder zu reflektieren und neu zu justieren. Allein eine Strategie abzuarbeiten, wird nicht reichen.

Mit Blick auf die ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Herausforderungen bedeutet das, bei der Weiterentwicklung Zukunftsthemen offensiv einzubeziehen: Themen wie nachhaltige Mobilität, Klimaschutz und Klimaanpassung, Kreislaufwirtschaft und die Stärkung gemeinwohlorientierter Nutzungen. Mit ihnen als Bausteinen der Innenstadtentwicklung kann man Impulse setzen  und die City als Schaufenster der Transformation nutzen.

Ricarda Pätzold, Sandra Wagner-Endres


Die Autorinnen

Die Autorinnen sind am Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) tätig: Dipl.-Ing. Ricarda Pätzold im Forschungsbereich Stadtentwicklung, Recht und Soziales; Dipl.-Ing. Sandra Wagner-Endres im Forschungsbereich Infrastruktur, Wirtschaft und Finanzen.