Biotopvernetzung: Wildtiere auf dem Sprung

Zum Erhalt der Artenvielfalt beizutragen, ist eine Aufgabe auch für Kommunen. Eine wichtige Maßnahme ist die Schaffung von Biotopen für bedrohte Arten sowie auch deren Verbindung. Wir stellen beispielhaft die Aktivitäten des Landkreises Northeim sowie der Städte Pfaffenhofen und Überlingen vor.

Die Förderung der Biodiversität durch die Anlage und Vernetzung von Biotopen ist nicht wenigen Kommunen und Landkreisen schon seit Jahren ein Anliegen. Seiner Verantwortung als Heimat für scheue, schützenswerte und seltene Tierarten wie der Wildkatze versucht zum Beispiel der Landkreis Northeim im südlichen Niedersachsen gerecht zu werden. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (Bund) hat im Landkreis nun mit finanzieller Unterstützung und in Kooperation mit der Unteren Naturschutzbehörde der Kreisverwaltung eine Wildkatzenverbundplanung erarbeitet. „Dabei wurden unter anderem bestehende Korridore identifiziert und wichtige Verbindungsachsen, aber auch Hindernisse in der Landschaft aufgezeigt“, erklärt Dirk Niemeyer, der im Kreistagsbüro für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist.

Landkreis Northeim verbindet Solling und Harz

Die Umsetzung der Wildtierschutzmaßnahmen gelingt im Rahmen von Kompensationsmaßnahmen für Eingriffe in die Natur und Landschaft wie zum Beispiel bei geplanten Windenergieanlagen. Erste Erfolge der Maßnahmen, die nicht nur der Wildkatze zugute kommen, werden für 2020 erwartet. „Die Wildkatze erfüllt die Funktion einer wichtigen Leitart“, betont Niemeyer. „Die Vernetzung von Waldlebensräumen ermöglicht auch vielen weiteren Arten wie der ebenfalls streng geschützten Haselmaus und dem Rothirsch das Überleben in gesunden Populationen.“

Der Landkreis Northeim befindet sich zwischen Solling und Harz, den beiden größten Waldgebieten und Wildkatzenpopulationen in Niedersachsen. Damit ist er „Schlüsselraum“ für die Biotopvernetzung von wandernden Säugetieren. Zusätzlich existieren laut Niemeyer zahlreiche kleinere Waldgebiete, die nur dann für Tiere mit den Ansprüchen der Wildkatze besiedelbar sind, wenn sie miteinander vernetzt sind.

Im Gegensatz dazu bestehen jedoch erhebliche Barrieren wie die Autobahn 7 oder strukturarme Agrarlandschaften. „Die Verbesserung der Biotopvernetzung kann neue Lebensräume erschließen und auch den genetischen Austausch vorhandener Populationen ermöglichen“, erklärt Niemeyer.

Dabei hat die Verwaltung nicht nur Waldbewohner wie Wildkatze oder Rothirsch im Blick. Bei der Neuaufstellung des Regionalen Raumordnungsprogramms spielt auch der Lebensraumverbund für Gewässer- und sogenannte Offenlandarten eine Rolle. Ein entsprechendes Gutachten hierzu wird derzeit vorbereitet. Niemeyer zählt auf, welche weiteren „Zielarten“ das voraussichtlich sein werden: Fledermausarten wie Großes Mausohr und Abendsegler, Fischotter, Biber, Eisvogel, Groppe, Bachneunauge und Zauneidechse. Zudem sollen diverse Amphibien-, Tagfalter- und Libellenarten von einer Biotopvernetzung profitieren.

Bodenallianz in Pfaffenhofen

Ortswechsel. Biodiversität und Biotoperhaltung spielen auch im bayerischen Hopfenanbaugebiet Hallertau eine Rolle in der Kommunalpolitik. So hat die Stadt Pfaffenhofen an der Ilm zum Jahresende 2018 eine Bodenallianz ins Leben gerufen. Peter Stapel, Nachhaltigkeitsmanager der Stadt Pfaffenhofen, erklärt, was es damit auf sich hat. „Im Rahmen der Bodenallianz will die Stadt Pfaffenhofen die Landwirte dabei unterstützen, Ökosysteme zu schützen und die natürliche Bodenfruchtbarkeit zu verbessern. Das Ziel ist, die biologische Vielfalt zu erhalten und einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten“, erklärt der Nachhaltigkeitsmanager.

Die Initiative ist als Solidaritätsprojekt für Landwirtschaft sowie Arten- und Klimaschutz konzipiert und soll eine nachhaltige und pestizidfreie Landwirtschaft stärken. In den vergangenen zwölf Monaten seit der Gründung hat sich die Bodenallianz darauf fokussiert, Landwirtsfamilien für nachhaltige Wirtschaftsweisen zu sensibilisieren, die sich an dem Prozess beteiligen sollen. „In einem zweiten Schritt werden nach einem Workshop auch die Bürger miteinbezogen“, so Stapel. „Als Abnehmer ökologisch erzeugter regionaler Produkte aus der Landwirtschaft bilden die Bürger in den Planspielen einen wichtigen Bestandteil.“

Darüber hinaus setzt sich die Stadt Pfaffenhofen für den Erhalt der landschaftsprägenden und ökologisch wertvollen Auenlandschaft am Gerolsbach und an der Ilm ein. So werden entlang der Gewässerauen Biotopflächen gepflegt, Ökokontoflächen angelegt und unterhalten sowie ökologische Aufwertungen an Bächen und Wassergräben vorgenommen. Von diesen Pflegemaßnahmen profitieren neben Insektenarten auch Biber und Storch. Ausgleichsflächen auf Sandkuppen werden ebenfalls gepflegt: Sandmagerrasen ist ein wichtiger Lebensraum für wärmeliebende Insektenarten.

Überlingen vernetzt Weiher

Die Stadt Überlingen am Bodensee (Baden-Württemberg) nimmt ebenfalls Maßnahmen in Angriff, um die Stadtökologie zu fördern. Neben der Instandhaltungspflege von bestehenden Gehölzstrukturen pflegt und bewirtschaftet die Stadt im Zuge von naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen regelmäßig Flächen, die vorrangig dem Naturschutz dienen sollen.

Die Stadt ist ein wichtiger Partner der Heinz-Sielmann-Stiftung im Projekt „Biotopverbund Bodensee“, wie Matthias Längin erläutert, dem in der Stadtverwaltung die Fachabteilung Grünflächen, Umwelt und Forst zugeordnet ist. „So wurden seit 2008 bis 2015 bereits drei neue Weiher als Rückzugsräume für viele Tier und Pflanzenarten geschaffen und Streuobstbestände revitalisiert“, erklärt der Baubürgermeister. Es gebe auch Versuche, den Waldrapp wieder anzusiedeln, eine am Bodensee längst ausgestorbene Vogelart. Sowohl der Inge-Sielmann-Weiher bei Bonndorf, der im Jahr 2012 angelegt wurde, als auch der Weiher am Eggenweiler Hof (2010) und der Nesselwanger Weiher (2015) sind inzwischen wertvolle Biotope für viele Wasservögel.

Ein weiterer Ansatz zur Förderung der Biodiversität im Stadtgebiet ist ein seit eineinhalb Jahren bestehendes Mosaik aus Grünflächen, das Lebensräume für die heimische Fauna bieten soll. Hier soll die häufige Mahd künftig reduziert werden und es sollen im Nebeneffekt dann Wiesenflächen mit Gräsern und Kräutern entstehen. „Die Herstellung erfolgt dabei zum Teil durch Neuaufbau, zum Teil auch durch Umstellung der Pflege und Zwischensaat“, erläutert Matthias Längin.

Wichtig in den Augen des Baubürgermeisters für die Erhaltung der Biodiversität ist eine durchdachte Neupflanzung von Bäumen und Sträuchern. „Die Gehölze stellen wir so zusammen, dass sie im Jahreskalender auf die Blütezeitpunkte abgestimmt sind und dass sie eine hohe Wertigkeit an Nektar und Pollen für die kleinen Blütenbesucher bereitstellen“, erklärt er.

Über eine Förderung durch das Kleingewässerprogramm des Landes sind im vergangenen Jahr zwei räumlich voneinander getrennte Tümpel am Tiefenwiesenweiher in Deisendorf entstanden. Die Tümpel wurden bereits ein halbes Jahr nach Fertigstellung von zahlreichen Moorfröschen besiedelt“, freut sich Matthias Längin.

Andreas Scholz

Der Autor
Andreas Scholz, Schwäbisch Hall, ist freier Journalist