Austausch zwischen Gemeindeverwaltung und Bürgern

Einer der Vorteile von digitalen Bürgerdialogen: Die Teilnehmenden können sich direkt von zu Hause aus beteiligen. Foto: Adobe Stock/Konstantin Yuganov

Abstand halten und doch zusammenrücken: Wie der Austausch zwischen Gemeindeverwaltung und Bürgern auch während der Corona-Pandemie funktionieren kann, hat die Bertelsmann Stiftung im Rahmen eines Pilotprojektes untersucht. Christian Huesmann und Anna Renkamp erläutern, welche Ideen sich auch nach der Pandemie bewähren.

Der Bedarf an direktem Austausch zwischen Politik und Verwaltung sowie den Bürgerinnen und Bürgern wuchs während der Corona-Pandemie: Wie wollen wir als Gemeinschaft der Krise begegnen? Wie schauen die Bürgerinnen und Bürger auf die konkreten Maßnahmen? Wo drückt der Schuh? Wo gibt es blinde Flecken? Auf bekannten Wegen konnten diese Fragen nicht diskutiert werden: Der Gang ins Rathaus und abendliche Diskussionsveranstaltungen waren aufgrund der Kontaktbeschränkungen auf absehbare Zeit nicht möglich.

Die Bertelsmann-Stiftung hat daher das Konzept „Digitale Bürgerdialoge in Zeiten von Corona“ entwickelt und es von Mai bis Dezember 2020 in Kooperation mit zehn Pilotkommunen durchgeführt. Diese Form ist aber nicht nur in Krisenzeiten geeignet, um mit der Bürgerschaft ins Gespräch zu kommen und Politik gemeinsam zu gestalten. Digitale Bürgerdialoge erweitern den lokalen Partizipations-Mix. Unter anderem bietet die digitale Variante den Vorteil, dass die Teilnehmenden direkt von zu Hause aus dabei können und eine Anreise entfällt. Dadurch sind diese Dialoge für die Bürger weniger zeitaufwändig und leicht zugänglich.


Blaupausen für andere Kommunen

Handreichungen und Empfehlungen, die Kommunen beim Durchführen digitaler Bürgerdialoge unterstützen sollen, stehen auf der Seite der Bertelsmann Stiftung zum Download bereit: www.bertelsmann-stiftung.de/de/unsere-projekte/demokratie-und-partizipation-in-europa/


Zwischen 25 und 75 Bürgerinnen und Bürger kamen in einem digitalen Dialog mit Videotechnik für zwei bis zweieinhalb Stunden zusammen. Sie erhielten Informationen zu dem jeweiligen Thema, diskutierten in großen und in kleinen Gruppen, erarbeiteten erste Ideen und Lösungsvorschläge.

Von kleineren Kommunen wie Oest­rich-Winkel in Hessen mit gut 11.000 Einwohnern über Kleinmachnow in Brandenburg mit 20.000 Einwohnern bis hin zu Dortmund in Nordrhein-Westfalen mit über 600.000 Einwohnern: In allen Kommunen hat sich dasselbe Konzept bewährt. Die Bürgerinnen und Bürger diskutierten tagesaktuelle Fragen ganz unterschiedlicher Natur: Was kann die Stadt aus den Corona-Erfahrungen lernen? Wie bleiben wir digital im Gespräch? Welche Unterstützungsangebote funktionieren? Was fehlt? Wie kann die Innenstadt besser gestaltet werden?

Dabei kamen sie auf praktische Lösungsvorschläge wie etwa das „Silver Ager Shopping“: definierte Zeiten, in denen Risikogruppen geschützt einkaufen können. Oder der Wunsch nach mehr Schulbussen, um Gruppenbildung unter den Schülerinnen und Schülern zu vermeiden. Immer wieder forderten sie auch mehr digitale Bürgerbeteiligung.

Das Projekt zeigt: Bürgerinnen und Bürger können digital konstruktiv und konsensorientiert diskutieren und Lösungen erarbeiten. Jeweils zum Abschluss des Dialogs bewerteten 91 Prozent der Teilnehmenden den jeweiligen Bürgerdialog als gut oder sehr gut. Die Kleingruppenarbeit kam bei allen Beteiligten am besten an. Die Gruppendiskussionen wurden moderiert und strukturiert, die Teilnehmenden gingen diszipliniert und respektvoll miteinander um. So gaben über 80 Prozent der Bürgerinnen und Bürger an, dass ihnen die Arbeit in den Kleingruppen gut gefallen hat.

Zum Nachmachen geeignet

Der digitale Bürgerdialog ist kein Elitenprojekt. Es nehmen nicht die „üblichen Verdächtigen“ teil, sondern durch intensive Aktivierungsmethoden, etwa die vielfach angewandte Methode der Zufallsauswahl, eine vielfältige Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern. Die Dialogergebnisse spiegeln aus diesem Grund ganz unterschiedliche, oft ungehörte Sichtweisen wider.

Der Zugang zur Technik und die Handhabung sind einfach, sodass eine breite Beteiligung unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen möglich ist. Knapp 90 Prozent der Bürgerinnen und Bürger hatten keinerlei Probleme mit der angewandten Technik. Auch die Diversität der Teilnehmenden spricht für sich. So beteiligten sich zum Beispiel sowohl Jüngere als auch Ältere.

Nicht nur die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch die Initiatoren wollen die digitale Bürgerbeteiligung beibehalten. Einige der Pilotkommunen haben die Erfahrungen aus dem Projekt bereits in eigene digitale Bürgerdialoge überführt und konnten das Format verstetigen. Nach der Pilotphase wurden Handreichungen und Informationen so aufbereitet, dass Kommunen diese Dialoge selbstständig durchführen können.

Anna Renkamp, Christian Huesmann


Die Autoren

Anna Renkamp ist Senior Project Manager im Bereich Demokratie und Zusammenhalt der Bertelsmann Stiftung. Dr. Christian Huesmann ist dort Project Manager.