Die Trinkwasserversorgung soll auch im Krisenfall gesichert sein. Um dies gewährleisten zu können, sollten die Akteure der Wasserversorgung eine Risikoanalyse betreiben. Das Ziel ist, Gefahren zu erkennen und diese unter Berücksichtigung der Verwundbarkeit des Versorgungssystems zu bewerten.
Ausreichend vorhandenes Trinkwasser ist Grundlage für das reibungslose Funktionieren eines Gesellschafts- und Wirtschaftssystems. Wir alle nehmen die ständige Versorgung mit Trinkwasser in Deutschland als selbstverständliche Normalität wahr, denn lang anhaltendende, schwerwiegende Ausfälle infrastruktureller Einrichtungen der Wasserversorgung sind bislang nicht aufgetreten. Dennoch haben die Erfahrungen der letzten Jahre – insbesondere im Zusammenhang mit extremen Naturereignissen – deutlich gemacht, dass es wichtig ist, außergewöhnliche Gefahrenlagen in das bestehende Risiko- und Krisenmanagement von Unternehmen und Behörden einzubeziehen.
Um die Versorgungssicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten, bedarf es verschiedener Akteure, die abhängig von dem jeweiligen Krisenereignis involviert sein können. Vor dem Hintergrund der kommunalen Daseinsvorsorge können drei wesentliche Verantwortungsbereiche definiert werden:
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Für eine präventive Stärkung der Sicherheit der öffentlichen Wasserversorgung und für den Fall einer vom Wasserversorgungsunternehmen (WVU) noch beherrschbaren Störung im Rahmen des Normalbetriebes erarbeiten die WVU Maßnahme- und Krisenpläne und halten diese aktuell. Generell gilt, die leitungsgebundene Versorgung möglichst lange aufrecht zu erhalten.
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Kann im Ereignisfall eine Einschränkung oder ein Ausfall der öffentlichen Wasserversorgung vom WVU nicht mehr beherrscht werden, hilft die Kommune gegebenenfalls mit Unterstützung des Kreises oder gar des Bundeslandes bei den Ersatzversorgungsmaßnahmen des WVU. Diese kann zum Beispiel in Form von temporär verlegten Verbindungsleitungen zu anderen WVU, durch den Einsatz von Wassertransportfahrzeugen oder durch die Bereitstellung von abgepacktem Trinkwasser erfolgen. Um Zeitverzögerungen im Schadensfall zu vermeiden, sollten WVU und örtliche Gefahrenabwehr- und Katastrophenschutzbehörden bereits präventiv ihre Kommunikationswege abstimmen und über ihre jeweiligen Ressourcen informiert sein.
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Als Maßnahme des Zivilschutzes wird im Auftrag des Bundes die Trinkwassernotversorgung nach dem Wassersicherstellungsgesetz (WasSG) umgesetzt. Diese Anlagen (Brunnen, Verbundleitungen, Trinkwasserbehälter und sonstige technische Ausstattung) können im Ereignisfall einen Beitrag zur Ersatz- oder Notversorgung leisten. Überdies unterstützt das Technische Hilfswerk (THW) auf Anforderung mit seinen zwölf Trinkwasserfachgruppen und den dort vorhandenen mobilen Ressourcen (u. a. Trinkwasseraufbereitungsanlagen) die Kommunen in der Ersatz- oder Notversorgung.
Die Versorgungssicherheit mit Trinkwasser ist aufgrund der hohen technischen Standards gewährleistet. Dennoch stellen der Klimawandel – verbunden mit der Häufung von Extremniederschlägen oder Trockenperioden –, aber auch die zunehmende Abhängigkeit von informationstechnischen Systemen neue Herausforderungen für die Wasserversorgung dar. Als Beispiel sei hier die Gefährdung durch Angriffe aus dem Cyber-Raum genannt.
Um auch in Zukunft auf solche Ereignisse oder andere Störungen der Trinkwasserversorgung optimal vorbereitet zu sein, hat das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) eine ganzheitliche, praxisnahe Vorgehensweise für die Risikoanalyse und Notfallvorsorgeplanung der Trinkwasserversorgung in Zusammenarbeit mit Wasserversorgungsunternehmen und Behörden erarbeitet. Die Risikoanalyse soll zum einen eine Priorisierung von Gefahren für das spezifische Untersuchungsgebiet und zum anderen eine Einschätzung der Betroffenheit der Kommune oder des Landkreises/ der kreisfreien Stadt für die Wasserversorgung ermöglichen. Dies erfolgt vor dem Hintergrund ausgewählter Szenarien. Die Risikoanalyse verfolgt folgende Ziele :
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Erkennen der für die Trinkwasserversorgung relevanten Gefahren (Gefahrenanalyse)
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Beschreibung der Vulnerabilität (Verwundbarkeit) der Trinkwasserversorgung (Vulnerabilitätsanalyse)
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Bestimmung des Schadensausmaßes und der Eintrittswahrscheinlichkeit (Risikoermittlung)
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Vergleich und Bewertung der Risiken und Schaffung einer Grundlage zur Planung des Notversorgungsbedarfes (Risikovergleich und -bewertung)
Die Risikoanalyse soll die Versorgungssicherheit erhöhen und als Basis für die Etablierung einer bedarfsgerechten und tragfähigen Notfallvorsorgeplanung dienen. Von besonderer Bedeutung ist die Sensibilisierung aller beteiligten Aufgabenträger der Wasserversorgung für das Thema Versorgungssicherheit.
Sehr positiv wird der intensive Austausch zwischen WVU, Behörden und Einsatzorganisationen während des gesamten Prozesses der Risikoanalyse bewertet. Als Beispiele seien hier der Bau von Verbundleitungen zur Stärkung der Redundanz im Falle gravierender Schadensereignisse oder die Beschaffung mobiler Wassertransportbehälter für Ersatz- oder Notversorgungsmaßnahmen genannt.
Auch wenn die Experten der WVU detaillierte Kenntnisse über ihre Wasserversorgungsanlagen haben, können durch eine systematische Betrachtung unter Berücksichtigung von Kakadeneffekten (z. B. Stromausfall) durchaus neue Erkenntnisse in Bezug auf entstehende Schwachpunkte und fehlende Redundanzen gewonnen werden. Ratsam ist auch die Kooperation mit benachbarten Kommunen und WVU. Dadurch können dort vorhandene Ressourcen bei den eigenen Notfallplanungen berücksichtigt werden und die (beschränkten) eigenen finanziellen Ressourcen für die effizientesten Maßnahmen verwendet werden.
Ina Wienand
Die Autorin
Dr. Ina Wienand ist Mitarbeiterin des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in Bonn
Info: Aufgabe der Kommunen
In Deutschland ist die Wasserversorgung eine kommunale Pflichtaufgabe. Die Kommunen entscheiden, wie die Trinkwasserversorgung vor Ort ausgestaltet und organisiert wird. Die Wasserversorgung liegt in der Zuständigkeit und dem Verantwortungsbereich der insgesamt 5700 Wasserversorgungsunternehmen (WVU), die zu 65 Prozent öffentlich-rechtlich und zu 35 Prozent privatrechtlich organisiert sind. Mit Bezug auf das Wasseraufkommen stellen die öffentlich-rechtlichen Organisationsformen einen Anteil von 40 Prozent.
Die Struktur der Wasserversorgung in Deutschland ist mit einer großen Anzahl kleiner bis mittelgroßer Unternehmen und wenigen großen Unternehmen sehr heterogen. Die rund 100 großen WVU stellen einen Anteil von mehr als 60 Prozent am Wasseraufkommen. Staatliche Aufsichtsbehörde hinsichtlich der Überwachung der Trinkwasserqualität ist in jedem Fall das örtlich zuständige Gesundheitsamt des Kreises bzw. der kreisfreien Stadt.
Literatur: Sicherheit der Trinkwasserversorgung. Teil I: Risikoanalyse. Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Bonn, 2016
Branchenbild der deutschen Wasserwirtschaft (2015), herausgegeben von den Fachverbänden ATT, BDEW, DBVW, DVGW, DWA, VKU, wvgw Verlag, Bonn. – Download z. B. auf der Homepage des BDEW