Auch ohne Auto mobil

Junge Menschen nutzen Informations- und Kommunikationstechnologien ganz selbstverständlich zur Organisation ihrer Mobilität. Öffentliche Verkehrsmittel spielen darin eine größere Rolle als früher. Diese Trends gilt es in Planung und Gestaltung im Verkehrsbereich zu berücksichtigen.

Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) durchdringen heute den Alltag junger Menschen. Die Nutzung von Internet, Social Media und Apps gehört für die „Digital Natives“ zur Normalität und kennzeichnet auch ihre Mobilität. IKT bieten ihnen den Zugang zu Mobilitätsangeboten und dienen als Organisationsmedium der Alltagsmobilität. Mobilitäts-Apps liefern Echtzeit-Verkehrsinformationen, dienen als Mobilitätsassistent und ermöglichen den Ticketkauf von unterwegs. Das Smartphone ist der Zugangsschlüssel zu Sharing-Fahrzeugen.

Diese Entwicklung zeigt sich auch darin, dass hochwertige IKT-Produkte das Auto als Statussymbol bei jungen Menschen abgelöst haben. Sie geben der situationsangepassten Nutzung verschiedener Verkehrsangebote (multimodale Mobilität) den Vorrang vor der ausschließlichen Nutzung eines Pkw. Das Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung (ILS) hat jüngst Ergebnisse der Studie „U.Move 2.0“ veröffentlicht, die den Zusammenhang von virtueller und räumlicher Mobilität bei jungen Menschen untersucht (s. Info unten).

Mit Blick auf die sinkende Auto-Nutzung junger Menschen ist zunächst zu betonen, dass sie im Alltag verglichen mit älteren Personengruppen ohnehin deutlich umweltfreundlicher unterwegs sind. 21 Prozent ihrer Wege legen die Befragten zu Fuß, elf Prozent mit dem Fahrrad und 37 Prozent mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurück. Nur knapp jeder dritte Weg wird im Auto als Fahrer oder Mitfahrer zurückgelegt. Demgegenüber weist der Bevölkerungsdurchschnitt (laut der Infas-Studie „Mobilität in Deutschland 2008“) einen Fußwegeanteil von gerade einmal drei Prozent und einen ÖPNV-Anteil von 15 Prozent auf, während das Auto auf 79 Prozent aller Wege zum Einsatz kommt.

Die in bisherigen Studien festgestellte sinkende Autonutzung spiegelt sich in den Ergebnissen der Studie „U.Move 2.0“ in einem Wandel mobilitätsbezogener Normen und Einstellungen wider. Im Vergleich zur Vorgängerstudie aus dem Jahr 1999 stieg die Überzeugung, den eigenen Alltag problemlos mit dem ÖPNV und ohne Auto bewältigen zu können: Die mittlere Zustimmung (Mittelwert auf einer fünfstufigen Skala von 1 = stimmt nicht bis 5 = stimmt sehr) stieg hier von 2,9 auf 3,4.

Fahrplanauskunft im Netz

Auch das ökologische Verantwortungsgefühl bezogen auf die eigene Mobilität gewann an Bedeutung, hier stieg die Zustimmung von 2,4 auf 2,7. An Bedeutung verlor hingegen die positive Einstellung zum Autofahren einschließlich des damit verbundenen „Spaßfaktors“ – die Zustimmung sank von 4,0 auf 3,5. Diese Veränderungen beschreiben für den Zeitraum 1999 bis 2013/2014 einen Wandel mobilitätsbezogener Werteorientierungen vom Auto hin zu alternativen, nachhaltigeren Mobilitätsoptionen.

Im Zusammenhang mit der abnehmenden Autonutzung junger Menschen ist auch ihre immer intensivere Nutzung von Internet, Smartphone und Apps zu sehen. Zahlreiche Apps erleichtern die Organisation der alltäglichen Mobilität ohne eigenes Auto. In der aktuellen Studie wurden die Jugendlichen und jungen Erwachsenen gefragt, ob und wie häufig sie online und per Smartphone-App Mobilitätsdienste nutzen. Dabei liegen Navigation/Routenplanung und Fahrplanauskunft vorne, 78 und 82 Prozent der Befragten nutzen diese Dienste. Stauinformationen und Reiseplanung rangieren dahinter mit 42 Prozent, Online-Ticketkäufe und Angebote zur Organisation von Mitfahrgelegenheiten werden nur von 37 und 25 Prozent der Befragten genutzt.

Doch wie häufig werden digitale Mobilitätsdienste zur Organisation der Mobilität im Alltag genutzt? Auch hier spielen Navigation/Routenplanung sowie Fahrplanauskunft die größte Rolle und werden von 52 und 57 Prozent der Befragten mindestens einmal pro Woche genutzt. Alle anderen Mobilitätsdienste werden eher sporadisch genutzt. Noch 1999 nutzten Dreiviertel der Befragten nie internetbasierte Mobilitätsdienste.

Das Projekt verdeutlicht, dass Internet, Smartphone und Apps eine große Rolle zur Alltagsorganisation junger Menschen spielen und vielfältig mit der Mobilität verwoben sind. Zudem unterstreichen die Projektergebnisse die scheinbare Tendenz, dass auf die Auto-Affinität junger Menschen zugunsten des Umweltverbundes wie dem ÖPNV nachlässt. Zahlreiche neue Mobilitätsdienstleistungen erleichtern diese Inter- und Multimodalität.

Die Digitalisierung des Alltags stellt wegen ihrer Verflechtung mit der Alltagsmobilität ein Querschnittsthema für die Verkehrs- und Mobilitätsplanung sowie für die Verkehrspolitik dar. Die fachbereichsübergreifende Berücksichtigung in Planungs- und Gestaltungsprozessen gewinnt zusätzlich an Bedeutung, weil die starke Nutzung von IKT auch in anderen Altersgruppen Normalität wird.

Die Aufgeschlossenheit speziell junger Menschen für multimodalen Verkehr kann mithilfe entsprechender Angebote genutzt werden, um nachhaltige Mobilität zu stärken. Geeignete Angebote sind ein gutes ÖPNV-Angebot, Sharing-Angebote, eine gut ausgebaute Fußgänger- und Radverkehrsinfrastruktur sowie Serviceangebote rund um den Radverkehr. Umfassende Daten sind ebenso die Basis für erfolgreiche digitale Mobilitätsdienste. Erst bei einer hohen Angebotsquantität und -qualität können (digitale) Informations- und Serviceangebote ihr Potenzial – besonders im urbanen Raum – entfalten.

Kathrin Konrad / Dirk Wittowsky / Inga Wolf

Die Autoren
Dr.-Ing. Kathrin Konrad ist stellvertretende Leiterin der Forschungsgruppe Alltagsmobilität und Verkehrssysteme beim Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung (ILS) in Dortmund, Dr.-Ing. Dirk Wittowsky ist Leiter, Inga Wolf ist studentische Mitarbeiterin dieser Forschungsgruppe

Info: Studie „U-Move 2.0“

Für die Studie „U.Move 2.0“ des Instituts für Landes- und Stadtentwicklungsforschung (ILS) wurden 2013 und 2014 junge Menschen zwischen 14 und 24 Jahren zu ihrem Verkehrsverhalten, zu ihren mobilitätsbezogenen Einstellungen sowie zur Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnik befragt. Eine erste Interview-Erhebung fand im Ruhrgebiet statt, eine zweite Erhebung bundesweit als Online-Befragung. Die in diesem Beitrag vorgestellten Ergebnisse beziehen sich auf die bundesweite Online-Erhebung mit knapp 1300 Teilnehmenden.

Info: Fachliteratur

  • Mobilität in Deutschland 2008 (MiD 2008) – Ergebnisbericht. Struktur – Aufkommen – Emissionen – Trends. Hrsg.: infas – Institut für angewandte Sozialwissenschaft; DLR – Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (2010)

  • Mobilität junger Menschen im Wandel – multimodaler und weiblicher. Hrsg.: Institut für Mobilitätsforschung (2011), ifmo-Studien

  • Digital Natives mobil – Die virtuelle und räumliche Mobilität junger Menschen, Kathrin Konrad, Dirk Wittowsky, in: Internationales Verkehrswesen, 01/2016, S. 56–58.

  • Digitalisierung der Lebenswelten junger Menschen – der Zusammenhang von virtueller und physischer Mobilität, Kathrin Konrad, Dirk Wittowsky, Inga Wolf, in: ILS-TRENDS 1/2016

  • Travel trends among young adults in Germany: increasing multimodality and declining car use for men, Tobias Kuhnimhof u. a., in: Journal of Transport Geography, Jg. 24, S. 443–450.