Artenvielfalt: Mehrwert für Mensch und Natur

Kommunen brauchen Natur – und die Natur braucht aktive Städte und Gemeinden, die sich für die biologische Vielfalt einsetzen. Die Handlungsfelder erstrecken sich über versiegelte Innenstädte, Parks und Grünanlagen bis zu kommunalen Wäldern und landwirtschaftlichen Flächen.

Grünanlagen im unmittelbaren Lebensumfeld haben positive Auswirkungen auf das menschliche Wohlbefinden, denn Gesundheit und Zufriedenheit von Menschen sind höher, wenn sie näher an Grünflächen leben. Strukturreiche, eher naturnahe Flächen werden dabei monotonen Lebensräumen vorgezogen. Deshalb ist eine intakte Stadtnatur ein wichtiger Garant für die Lebensqualität der Menschen.

Besonders wichtig sind naturnahe Grünflächen im Siedlungsbereich für eine gesunde Entwicklung von Kindern. Hier können sie ihren Drang nach Entdeckung und Abenteuer ausleben sowie Pflanzen und Tiere beobachten. Schulkinder, die Zugang zu oder auch nur Sicht auf eine naturnahe Umwelt haben, zeigen zudem höhere Aufmerksamkeitswerte. Gerade Familien, die sich keinen eigenen Garten oder regelmäßige Ausflüge ins Stadtumland leisten können, sind auf naturnahe Grünflächen im unmittelbaren Lebensumfeld angewiesen.

Ob Hochwasserschutz, Klimawandelanpassung, Lärmminderung oder Frischluftversorgung, wir profitieren in vielerlei Hinsicht von der Stadtnatur. Straßenbäume filtern zum Beispiel Schadstoffe aus der Luft und tragen durch Verdunstung und Beschattung zur Kühlung umliegender Bereiche bei. Werden im Straßenbegleitgrün zudem arten- und strukturreiche Wiesen angelegt, verstärken sich diese Effekte noch. Wer naturnahes Grün im Siedlungsbereich fördert, schafft somit Mehrwert für Mensch und Natur.

Mehr Blumen und Kräuter auf Rasen und Wiesen

Wenn Städte und Gemeinden bei der Gestaltung des öffentlichen Grüns auf „Naturnähe“ achten und ökologische Aspekte berücksichtigen, können Sie aktiv zu ihrem Schutz beitragen. Leider werden Grünflächen aber vielerorts noch so gepflegt, dass Artenreichtum verhindert wird. Es dominieren gemulchte Vielschnittrasen, artenarme Zierbeete, und auch die Pflege der städtischen Bäume und Sträucher schöpft die Möglichkeiten zur Förderung der biologischen Vielfalt häufig nicht aus.

Eine rasch zu realisierende und auch nicht kostspielige Möglichkeit, die biologische Vielfalt in Städten und Gemeinden zu fördern, stellen die Rasen und Wiesen dar. Sie gibt es beinahe überall in der Stadt – im Straßenbegleitgrün, auf den unzähligen kleinen Außenflächen in Wohnsiedlungen und Gewerbegebieten oder in Park- und Grünanlagen. Für gewöhnlich finden sich hier aufgrund der intensiven Pflege mit mehreren Mähgängen pro Jahr nur wenige Pflanzenarten. Gelingt es, wieder mehr Blumen und Kräuter anzusiedeln, dann bleiben auch Wildbienen, Schmetterlinge und viele andere wertvolle Bestäuber nicht fern.

Entscheidende Voraussetzung ist eine extensive Pflege. Am artenreichsten sind Wiesen für gewöhnlich dort, wo sie nur zwei- bis dreimal im Jahr gemäht werden. Entscheidend in allen Fällen ist, das Mahdgut abzufahren, um zu verhindern, dass sich Nährstoffe in der Fläche anreichern und sich artenarme Grasfluren entwickeln. Oft ist es zudem ratsam, typische Wiesenkräuter wie Moschus-Malve, Wiesenmargerite oder Karthäuser-Nelke wieder anzusäen. Dabei sollte stets zertifiziertes Saatgut gebietseigener Arten, sogenanntes Regiosaatgut, verwendet werden. Und bleiben Blühinseln und Pflanzenstängel über den Winter stehen, bieten sie sogar noch ein geeignetes Winterquartier für vielerlei Insekten.

Die Rasen und Wiesen sind aber nur ein Teil der vielfältigen Möglichkeiten, die biologische Vielfalt im Siedlungsraum zu fördern. Anstelle eines artenarmen Wechselflors sind dauerhafte Staudenpflanzungen, die das ganze Jahr über optisch attraktiv sind, eine nachhaltige Alternative. Für fast jeden Standort im öffentlichen Bereich gibt es erprobte Staudenmischpflanzungen, die in mehrjährigen Versuchen für ihre Anwendung in ästhetischer und pflegerischer Hinsicht optimiert wurden.

Wird grundsätzlich auf eine insektenfreundliche Auswahl der Arten geachtet, locken die Staudenbeete auch Schmetterlinge, Wildbienen und andere Arten in die Stadt. Darüber hinaus ist es wichtig, nur Pflanzen mit nicht gefüllten Blüten zu verwenden. Gefüllte Sorten wie beispielsweise Garten-Chrysanthemen bieten den Blütenbesuchern keinen oder nur wenig Nektar und Pollen.

Wertvolle Biotopbäume

Nicht zuletzt sind natürlich auch Gehölze wie Bäume und Sträucher Hotspots der biologischen Vielfalt in der Stadt. Sie benötigen entsprechende Pflege und Förderung durch die Grünflächenämter. Sehr wertvoll sind die Alt- und Biotopbäume, die besondere Lebensräume anbieten. Hierbei handelt es sich oft um sehr alte, zum Teil auch bereits abgestorbene Bäume. Sie bilden für die Tierwelt wertvolle Strukturen wie zum Beispiel Baumhöhlen oder Totholz.

Biotopbäume unterliegen durch die Verkehrssicherungspflicht auch einer besonders restriktiven Pflege, um das Risiko lebensgefährdender Stamm- und Astabbrüche zu vermeiden. Aus Angst vor Personen- oder Sachschäden werden die für den Naturschutz sehr wertvollen Bäume häufig vorschnell gefällt, ohne dass die Möglichkeiten zum Erhalt der Bäume voll ausgeschöpft wurden. Solche Konflikte zwischen Artenschutz und Verkehrssicherungspflicht können durch baumpflegerische Maßnahmen umgangen werden.

Das Einkürzen von Kronenteilen oder eine Sicherung durch Erdanker und Stützen kann die ökologisch wertvollen Bäume häufig noch über Jahre sichern. Ein toter Baum kann als Torso auf der Fläche verbleiben und totholzbewohnenden Insekten einen Lebensraum bieten. In größeren Parkanlagen kann der Bereich auch abgesperrt oder ein Weg verlegt werden, um Biotopbäume zu erhalten und die Verkehrssicherungspflicht zu gewährleisten.

Kommunen haben zahlreiche Möglichkeiten zur Förderung der biologischen Vielfalt auf ihren landwirtschaftlichen Flächen. So können sie beispielsweise als Flächeneigentümer Vorgaben zur Bewirtschaftung erlassen, finanzielle Zuschüsse für biodiversitätsfördernde Maßnahmen anbieten oder durch die Förderung regional produzierter Nahrungsmittel eine nachhaltige Landwirtschaft begünstigen. Ebenso ist es für Kommunen möglich, Agrarflächen zu erwerben, um dort Maßnahmen wie zum Beispiel Artenschutz- oder Renaturierungsmaßnahmen umzusetzen. Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit unterstützen die biodiversitätsfördernden Maßnahmen.

Robert Spreter / Martin Rudolph

Die Autoren
Robert Spreter ist Geschäftsführer, Martin Rudolph Projektmanager des Bündnisses Kommunen für biologische Vielfalt mit Sitz in Radolfzell

Info: Bündnis tauscht Informationen aus

Das Bündnis Kommunen für biologische Vielfalt dient den Kommunen zum Informationsaustausch und unterstützt sie bei der Öffentlichkeitsarbeit. Auch Fortbildungsangebote in Form von Fachtagungen und Workshops stehen auf der Agenda. Nicht zuletzt initiiert das Bündnis Projekte für und mit den Mitgliedern wie zum Beispiel das Label „Stadtgrün naturnah“.

Das Bündnis besteht aktuell aus über 200 Mitgliedern aus fast allen Teilen Deutschlands. Im Jahr 2019 kam nahezu jede Woche ein neues Mitglied hinzu. Grundlage des gemeinsamen Handelns bildet die Deklaration „Biologische Vielfalt in Kommunen“. Darin verpflichten sich die Mitglieder, zentrale Handlungsfelder des kommunalen Naturschutzes im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu unterstützen.