Stellenwechsel sind eine kritische Situation für eine Organisation, denn der neue Mitarbeiter sollte möglichst vom Start weg auf das erfolgskritische Wissen seines Vorgängers zugreifen können. Die Stadt Karlsruhe will ihr Wissensmanagement in einem ganzheitlichen Ansatz nachfrageorientiert gestalten.
In den Medien wird über den Wandel von der Industrie- zu einer Wissens- oder Informationsgesellschaft diskutiert. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass Wissen den zentralen Faktor für den Erfolg unserer täglichen Arbeit und damit einen entscheidenden „Produktionsfaktor“ darstellt, insbesondere in der öffentlichen Verwaltung. Besonders bedeutsam wird dies in Anbetracht des demografischen Wandels und dem drohenden Verlust von wertvollem Erfahrungswissen, der die Kommunalverwaltung in den kommenden Jahren vor beachtliche Herausforderungen stellen wird.
Ein funktionierendes Wissensmanagement unterstützt die Verwaltung in vielerlei Hinsicht. Es sichert das wertvolle Erfahrungswissen ausscheidender Mitarbeitender, bewirkt eine schnellere Einarbeitung neuer Mitarbeitenden, reduziert die Kosten für den Wiederaufbau von Wissen, entlastet die Mitarbeiterschaft spürbar und spart enorm Zeit.
Die Stadt Karlsruhe (rund 310.000 Einwohner, Baden-Württemberg) hat sich zum Ziel gesetzt, rechtzeitig Möglichkeiten zu schaffen, um drohendem Wissensverlust entgegenzuwirken. Sie hat sich – als eine der ersten Städte – für eine ganzheitliche Betrachtung des Themas Wissensmanagement entschieden. Während eines zweijährigen Projekts wurde ein gesamtstädtisches Konzept zur Implementierung eines nachfrageorientierten Wissensmanagements entwickelt. Im Februar 2016 hat der Gemeinderat zukunftsweisend entschieden, das Wissensmanagement als dauerhafte Aufgabe zu implementieren. Das Wissensmanagement – auch als Triebfeder des erforderlichen Wertewandels – ist damit eine weitere Säule neben Prozessmanagement und dem angestrebten Controlling der Personaleffizienz, um die Leistungsfähigkeit der Stadt langfristig sicherzustellen.
Alle Lebenslagen im Blick
Der Kerngedanke des Karlsruher Ansatzes ist, Wissensmanagement als Querschnittsaufgabe sowohl zentral als auch dezentral anzusiedeln. Zur Einführung und ämterübergreifenden Steuerung dient eine zentrale Stelle, die neben der organisatorischen auch die technische Komponente vereint und die Dienststellen bei der Einführung begleitet. Die Verantwortung für die operative Umsetzung liegt bei den Dienststellen. Hierzu werden dezentral schrittweise Kompetenzen und Verantwortungen aufgebaut. Eine enge Zusammenarbeit zwischen den zentralen und dezentralen Stellen ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung.
Der Karlsruher Ansatz berücksichtigt alle Lebenslagen eines Mitarbeitenden, von dessen Einstellung bis zu seinem Ausscheiden und den damit verbundenen Wissenstransfer. Um eine bedarfsgerechte Umsetzung sicherzustellen, wird den Dienststellen ein Werkzeugkoffer an die Hand gegeben, der verschiedene Instrumente und Methoden des Wissensmanagements beinhaltet.
Besonderen Wert legt die Stadt auf die Einbindung aller Beteiligten in allen Hierarchieebenen. Neben einer Sensibilisierung der Führungskräfte als Hauptakteure im Prozess, werden alle Mitarbeitenden frühzeitig und umfassend informiert. Das Schulungskonzept umfasst Veranstaltungen zur allgemeinen Information über Wissensmanagement und Maßnahmen zur Qualifikation der Dienststellen.
Im Zuge des Aufbaus von Wissensmanagement bei der Stadt Karlsruhe wurde außerdem der interkommunale „Arbeitskreis Wissensmanagement“ unter Beteiligung der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) initiiert, der einen regelmäßigen Kontakt und den Austausch von Best-Practice-Beispielen ermöglicht.
Die Rolle von Vorgesetzten und Kollegen
Aufgrund des dringenden Handlungsbedarfs werden bereits zum jetzigen Zeitpunkt vielfältige Verfahren, Methoden und Instrumente eingesetzt, um erfolgskritisches Wissen zu bewahren und den Wissensaustausch im Arbeitsalltag zu fördern. Was bedeutet dies in der Praxis?
Häufig besteht schon aus haushaltstechnischen Gründen nicht die Möglichkeit, Schlüsselstellen überlappend zu besetzen und so die Einarbeitung des Nachfolgenden durch den Ausscheidenden zu gewährleisten. Dann spielen die Vorgesetzten und Kollegen eine entscheidende Rolle im Wissentransfer. Ihre Aufgabe ist es nun, die Informationen darüber, wo das erfolgskritische Wissen hinterlegt ist, an den „Neuen“ weiterzugeben. Die Basis hierfür wiederum ist eine Übersicht der Wissensquellen, die der Amtsinhaber vor dem Stellenwechsel erstellt.
Die Bereitschaft zur Wissensweitergabe könnte gefördert werden, indem sie als separates Beurteilungskriterium benannt oder Bestandteil der Leistungsorientierten Bezahlung wird. Ein spezieller Wissenstransferworkshop, der zunächst bei Schlüsselstellen Anwendung finden soll, wird derzeit konzipiert. Im Workshop sollen das erfolgskritische Wissen, Wissensquellen wie auch Erfahrungen und Kompetenzen systematisch erfragt und dokumentiert werden.
Zur regelmäßigen Wissensweitergabe finden unter anderem standardisierte Besprechungen, bereichsübergreifende Arbeitskreise und gezielte Informations- und Multiplikatorenveranstaltungen statt. Der einzelne Mitarbeitende ist gefordert zu reflektieren, was sein persönliches erfolgskritisches Wissen ist und welche Informationen er in welcher Form, wann an wen weitergeben oder dokumentieren muss, um einen Wissensverlust zu vermeiden.
Als Speicherort wichtiger Informationen dienen ein Dokumentenmanagementsystem, das städtische Intranet, bereichsbezogene Wikis, dokumentierte Arbeitsabläufe und verschiedene Dokumentationen wie Checklisten und Mustervorlagen. Entscheidend ist eine systematische und für jedermann nachvollziehbare Ablagestruktur, die ein schnelles Auffinden relevanter Information ermöglicht.
Julia Frisch
Die Autorin
Julia Frisch leitet den Bereich Projektentwicklung/Verwaltungsmodernisierung im Personal- und Organisationsamt der Stadt Karlsruhe