Die Öffentlichkeit und die Medien umfassend und gezielt über Hochwasserrisiken zu informieren, ist eine Herausforderung für kommunale Pressestellen. Dieser Beitrag bietet Anregungen, wie sich Presseverantwortliche auf den Ernstfall vorbereiten können.
Lena Müller ist verzweifelt – seit zwei Tagen stehen weite Teile der Stadt unter Wasser. Feuerwehr, Polizei und THW sind wegen des Hochwassers im Dauereinsatz. Das Telefon an ihrem Arbeitsplatz in der Pressestelle des Rathauses steht nicht mehr still: Journalisten wollen mit ihr sprechen, ihre Vorgesetzten fragen nach Strategien für die Öffentlichkeitsarbeit. Es hat sie unzählige Telefonate und Zeit gekostet, die Informationen zusammenzustellen. Fritz Meier, ihr Kollege in der Pressestelle, versucht so gut er kann den aufkommenden Gerüchten Herr zu werden. Erste Stimmen werden laut, die Stadtverwaltung sei der Situation nicht gewachsen.
Zugegeben: Lena Müller und Fritz Meier sind frei erfunden. Doch die Situation, mit der sie konfrontiert sind, kann für kommunale Presseverantwortliche schnell real werden: Starkregenereignisse machen aus kleinen Flüssen im Nu reißende Ströme. Treffen Hochwasser auf Ortschaften und Industriegebiete, verursachen sie leicht Schäden in Millionenhöhe. Die verheerenden Überschwemmungen im Sommer 2013 an Elbe und Donau sind hierfür eindrückliche Beispiele.
Doch im Gegensatz zu Stürmen oder Erdbeben lassen sich die Auswirkungen von Hochwassern vorausdenken. Das gibt Pressestellen die Möglichkeit, die Kommunikation rechtzeitig zu entwickeln.
Kommunale Pressestellen stehen zunehmend in der Pflicht, die Öffentlichkeit für Hochwasserrisiken zu sensibilisieren und über Schutzmaßnahmen zu informieren. Und das möglichst bevor ihnen das Wasser bis zum Hals steht.
In einer gut geplanten Öffentlichkeitsarbeit zum Hochwasserschutz liegen mehrere Chancen: Sie befähigt sowohl Bürgerschaft als auch Wirtschaftsunternehmen zur richtigen Eigenvorsorge – das kann im Ernstfall Leben retten und hilft Schäden zu minimieren. Zudem steigert eine umfassende Kommunikationsstrategie das Vertrauen in die Kompetenz und Handlungsfähigkeit der Kommune.
Grundlage dafür ist eine umfassende Bestandsaufnahme: Zunächst gilt es, die Hochwassergefahren in der Kommune zu erfassen, die Informationsflüsse zu definieren sowie die Zuständigkeiten zwischen den Verwaltungsebenen im Krisenfall zu klären. Doch woher bekommen die Pressestellen solche Informationen?
Management des Risikos
Die EU-Richtlinie 2007/60/EG aus dem Jahr 2007 definiert vier Güter, für die das Hochwasserrisiko gesenkt werden soll: Menschen, Umwelt, Kultur und Wirtschaft. Bis Ende 2013 sollten alle EU-Staaten Karten erstellen, in denen Überflutungsflächen verzeichnet und gefährdete Güter markiert sind. Darauf aufbauend sind nun bis Ende 2015 Pläne zum Hochwasserrisikomanagement zu erarbeiten. Die Richtlinie wurde in Deutschland 2010 in nationales Recht übertragen (Abschnitt 6, § 72 Wasserhaushaltsgesetz).
Laut einer EU-Richtlinie zum Hochwasserrisikomanagement müssen alle EU-Länder Hochwassergefahrenkarten und Risikomanagementpläne erstellen. So realisiert beispielsweise das Land Baden-Württemberg diese für rund 11.000 Gewässerkilometer. Bis Ende 2015 sollen sie vollständig veröffentlicht und allen Bürgern zugänglich sein.
Mithilfe der Karten lässt sich präzise erkennen, in welchen Gebieten das Wasser wie hoch stehen kann. Diese Grundlagen sind elementar für das Krisenmanagement der Kommune. Und sie zeigen den Pressestellen auf, was im Ernstfall auf sie zukommen kann und wo sie in ihrer Kommunikation vorbeugend aktiv werden sollten.
Jede Zielgruppe für dieses komplexe Thema braucht speziell aufbereitete Informationen. So hat zum Beispiel das Land Baden-Württemberg umfassendes Informationsmaterial erarbeitet, das gedruckt und online zur Verfügung steht. In rund 25 Themenbereichen listen die Informationsblätter konkret auf, was etwa Bürger in gefährdeten Gebieten zur Eigenvorsorge tun müssen, worauf bei einer Gewässerschau zu achten ist oder wie eine hochwassergerechte Bauleitplanung erfolgen kann.
Diese Informationsblätter sind für unterschiedliche Zielgruppen verfasst, seien es Kommunen, Landesbehörden, Bauplaner oder die Öffentlichkeit. Für die Pressestellen sind sie hilfreich, um gezielt in „Trockenzeiten“ Informationen bei den relevanten Ämtern und auf der Webseite der Kommune bereitzustellen.
Nach dem Hochwasser ist vor dem Hochwasser
Um die Medien vor Ort für das Thema Hochwasserschutz zu interessieren, braucht es konkrete Anlässe. Neben aktuellen baulichen Maßnahmen zum Hochwasserschutz sind das beispielsweise Gewässerschauen, der Jahrestag eines lokalen Hochwassers oder der jährliche Weltwassertag am 22. März. In lokalen Medien oder dem eigenen Amtsblatt kann eine Artikelserie lanciert werden, die das Thema Hochwassergefahren und Schutzmaßnahmen aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet.
Kommunale Webseiten können Verhaltenstipps und wichtige Informationsquellen, wie die Hochwasserzentralen oder regionale Infoportale, auflisten. Veranstaltungen wie zum Beispiel Podiumsdiskussionen, die in Zusammenarbeit mit Industrie- und Handelskammern und Unternehmen in gefährdeten Gebieten oder Regionalgruppen der Architektenkammer durchgeführt werden, halten das Thema in der öffentlichen Wahrnehmung lebendig.
Was tun, wenn das Wasser kommt? Auch hier gilt: Eine gute Vorbereitung ist mehr als die halbe Miete. Ein Hochwasserereignis kann innerhalb weniger Stunden zu chaotischen Zuständen führen. Daher sollten sich Presseverantwortliche bereits frühzeitig Fragen stellen wie: Welche Bereiche der Kommune werden voraussichtlich von Hochwasser betroffen sein und welche sensiblen Einrichtungen, wie etwa Kindergärten, Schulen oder Krankenhäuser, sind gefährdet?
Medien sind wichtige Partner
Ein umfassender Krisenplan der Pressestelle kann das Szenario zum größten Teil vordenken und bietet im Ernstfall einen verlässlichen Handlungsleitfaden. Er listet beispielsweise auf, welche Verwaltungsvorschriften im Krisenfall greifen und wie die Aufgabenverteilung geregelt ist. Er beinhaltet die Kontaktdaten aller Ansprechpartner, die Informationen bereitstellen können und mit welchen übergeordneten oder benachbarten Behörden die Kommunikation abzustimmen ist.
Die regelmäßig aktualisierte Liste benennt zudem die Presseverantwortlichen, ihre Erreichbarkeit für die Medien und den internen Kontakt sowie deren Vertretungen etwa in Urlaubs- oder Fortbildungszeiten.
Die Medien sind wichtige Partner, die die Bevölkerung informieren und warnen können. Daher sollten sie – auch in einer Krisensituation – umfassend informiert werden, beispielsweise durch regelmäßig veranstaltete Pressekonferenzen. Eine sichere und klare Kommunikation kann dazu beitragen, aufkommenden Gerüchten frühzeitig entgegenzutreten. Auch nach Abfließen des Wassers besteht ein erheblicher Informationsbedarf der Öffentlichkeit: Welche Gefahren bestehen weiterhin, ist das Trinkwasser noch genießbar, wie erfolgt die Entsorgung von Schlamm und Müll, welche Unterstützung bietet die Kommune? Eine sachliche Manöverkritik klärt Kommunikationspannen und wie diese in zukünftigen Ereignissen vermieden werden können.
Denn leider gilt: Nach dem Hochwasser ist vor dem Hochwasser.
Martin Prösler
Der Autor
Martin Prösler ist Geschäftsführer der Agentur Proesler Kommunikation in Tübingen