Abwassermonitoring zur Pandemiebekämpfung

Die Klärwerke stehen bereit, betont Sabine Thaler – denn längst sei nachgewiesen, dass Abwasserdaten wertvolle Informationen für die Pandemiebekämpfung liefern können. Foto: Adobe Stock/darknightsky

Abwassermonitoring bietet viele Vorteile, ist mittlerweile fester Bestandteil des Pandemieradars des RKI, der weitere Ausbau auf rund 200 Kläranlagen ist bis zum Frühjahr seitens des RKI vorgesehen. Fragen zur langfristigen Finanzierung sind aber noch offen, so DWA-Abwasserexpertin Sabine Thaler.

Schnell, umfassend ohne Dunkelziffer, kontinuierlich auch an Wochenenden und Feiertagen – die Vorteile des Coronamonitorings über den Abwasserpfad sind seit langem bekannt. Aktuell wird besonders der Aspekt Dunkelziffer deutlich. In einigen Kommunen gehen die über die Tests erhobenen Zahlen des RKI und die Frachten des Abwassermonitorings zum Teil erheblich auseinander.

Hintergrund ist, dass in die RKI-Testzahlen lediglich die PCR-Tests der Bevölkerung einfließen – die werden aber kaum noch durchgeführt. Das Coronamonitoring über den Abwasserpfad spiegelt die Entwicklung daher deutlich besser. Ein weiteres Plus, das sich aktuell immer deutlicher abzeichnet: die Früherkennung von Mutationen. Dies gilt besonders für den gezielten Nachweis neuer Varianten im heimischen Abwasser und für die Verfolgung ihrer Verbreitung.

Dass diese Früherkennung der Mutationen und Varianten nicht unbedingt auf der Kläranlage erfolgen muss, zeigt aktuell das Beispiel Flugverkehr. Länder wie Österreich und Belgien haben bereits die Beprobung von Flugzeugabwässern gestartet, wenn die Flieger aus Risikogebieten kommen. Diese Beprobung wäre auch in Deutschland wünschenswert. Technisch ist dies kein Problem.

Vorerst finanziert durch das RKI

Die Abwasserwirtschaft steht für ein umfassendes Coronamonitoring nach wie vor bereit. Über die Abwassergebühren darf das Coronamonitoring jedoch nach der aktuellen Rechtslage weiterhin nicht finanziert werden. Das RKI hat aber mittlerweile eine Finanzierung von rund 200 Kläranlagen bis Ende 2024 zugesichert – dies ist ein erster Schritt in Richtung wirklich flächendeckendes Monitoring.

Die Auswahl der Kläranlagen erfolgt seitens des RKI in Abstimmung mit den Ländern und ist grundsätzlich abgeschlossen. Im April soll die Ausweitung des Systems weitestgehend durchgeführt sein. Der flächendeckende Einsatz ist möglich, da die grundsätzliche Eignung des Coronamonitorings über den Abwasserpfad sowohl in zahlreichen Forschungsprojekten in Deutschland und anderen Staaten als auch in der Praxis unter Beweis gestellt wurde.

Fragmente des Coronavirus SARS-CoV-2 werden über den Stuhl ausgeschieden und gelangen in das Abwasser. Durch einfache Probenahme im Kanal oder in der Kläranlage kann Corona dann im Labor nachgewiesen werden. Wichtig dabei: Es handelt sich im Abwasser nur um Fragmente des Virus, eine Infektionsgefahr über den Abwasserpfad besteht daher nicht.

Drei entscheidende Vorteile

Es kann klar und eindeutig gesagt werden, dass die aus dem Abwasser analysierbaren Daten sehr wertvolle Informationen für die Pandemiebekämpfung liefern können. Drei Vorteile des Systems stehen dabei im Vordergrund: Schnelligkeit, Vollständigkeit und Variantenerkennung.

  • Schnelligkeit: Über den Abwasserpfad können die Trendentwicklung und Hotspots bis zu zehn Tage früher erkannt werden als über das bisherige Meldesystem. Zudem fließt Abwasser auch an Wochenenden und an Feiertagen.
  • Vollständigkeit: Abwassermonitoring kennt keine Dunkelziffer, über das Abwasser wird jeder erfasst. Aktuell fließen in die RKI-Statistik nur positive PCR-Tests ein, selbst positive offizielle Schnelltests bleiben unberücksichtigt. Als Folge gehen alle Experten aktuell von einer erheblichen und nicht-quantifizierbaren Dunkelziffer aus.
  • Variantenerkennung: Sind neue Varianten aus anderen Regionen oder Ländern bekannt, kann im Abwasser gezielt nach ihnen gesucht werden. Auch hier haben die Forschungsprojekte gezeigt, dass der Nachweis über das Abwasser einen erheblichen Zeitvorteil von bis zu 14 Tagen aufweist. Zudem können klare Aussagen über die Anteile einzelner Mutationen am Gesamtinfektionsgeschehen getroffen werden. Auch hier gibt es den üblichen zeitlichen Vorsprung.

Die Vorteile des Systems sind eindeutig und eindrucksvoll – und die Niederlande sowie die Schweiz belegen seit langem auch die Praxistauglichkeit des Verfahrens. Beide Länder veröffentlichen online über Dashboards aktuelle über das Abwasser gewonnene Daten.

Auch in Deutschland fließen mittlerweile erste Daten in den Pandemieradar des RKI ein. Bei der Anzahl der Daten einspeisenden Kläranlagen, aktuell rund 40, kann aber noch nachgebessert werden. Die Ausweitung des Systems in den nächsten Monaten ist aber eben seitens des RKI fest geplant.

Offen ist noch eine auch langfristig – über das Jahr 2024 hinaus – gesicherte Finanzierung. Abwassergebühren sind zweckgebunden. Über Abwassergebühren dürfen daher nur Aufgaben der Abwasserentsorgung finanziert werden. Da Corona über den Abwasserpfad nicht infektiös ist, handelt es sich bei Coronamonitoring um keine originäre Aufgabe der Abwasserentsorgungspflichtigen. Nach derzeitiger Rechtslage ist daher keine Umlage der Zusatzkosten eines Coronamonitorings über die Abwassergebühren möglich.

Nationale Wasserstrategie

Die Finanzfrage hat auch deshalb hohe Priorität, weil ein entsprechendes Monintoringsystem mittel- und langfristig auf andere Krankheitserreger ausgedehnt werden könnte. Die Niederlande beispielsweise beproben das Abwasser bereits seit Jahren auf Polio-Viren.

Und auch Deutschland plant entsprechende Schritte, insbesondere mit der Nationalen Wasserstrategie. Im Kapitel „Mikrobiologische Gesundheitsgefahren erkennen (Pandemievorsorge)“ heißt es: „Durch den Aufbau eines Abwassermonitorings sollen Gesundheitsgefahren durch Krankheitserreger (Bakterien, Viren) für die Bevölkerung frühzeitig detektiert werden.“

Die Ressortabstimmung der Nationalen Wasserstrategie ist bereits erfolgt. Aktuell läuft die Verbändeanhörung. Bleibt die Pandemievorsorge über den Abwasserpfad Bestandteil der Nationalen Wasserstrategie – was die DWA sehr begrüßen würde – muss die Frage der Finanzierung daher definitiv und langfristig geklärt werden. Sabine Thaler

Die Autorin: Dipl.-Biologin Sabine Thaler leitet die Stabsstelle Forschung und Innovation bei der DWA Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall.