Wie Stadtwerke im Messstellenbetrieb Spielraum sichern

Die Energiewende verändert das Messwesen. Stadtwerke und Stromnetzbetreiber müssen mit Blick auf die eigene Geschäftsstrategie abwägen, wie ein intelligenter Messstellenbetrieb umzusetzen ist. Das schließt die Frage nach Eigen- oder Fremdleistung und nach Kooperation ein.

Die Weichen sind gestellt, der Zeitplan steht. Seit Jahresbeginn entfalten das Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) – als Teil des Gesetzes zur Digitalisierung der Energiewende – und der verpflichtende Rollout im intelligenten Messstellenbetrieb (iMSB) langsam aber stetig ihre Wirkung. Das Gesetz schreibt Stadtwerken und Verteilnetzbetreibern vor, im Rahmen von größeren Gebäudesanierungen bei Kunden, bei Neubauten oder Turnuswechseln zumindest moderne Messeinrichtungen für die Erfassung des Stromverbrauchs einzubauen. Mit der Marktverfügbarkeit von Smart Meter Gateways – sie dienen der Übermittlung der erfassten Daten an den Versorger – greift dann, gestaffelt nach Kundensegmenten und Verbrauch, der verbindlich definierte Installationsplan für intelligente Messsysteme mit Kommunikationseinheit.

Für Stadtwerke oder Netzbetreiber bedeutet das komplexere Prozesse und umfangreicherer IT-Bedarf, aktiverer Umgang mit den Marktrollen „Messstellenbetreiber“ (grundzuständig oder wettbewerblich), da der Gesetzgeber mehr Wettbewerb im Messstellenbetrieb etablieren möchte sowie Abdecken der Tätigkeit der Gateway-Administration (GWA), die im Verantwortungsbereich des grundzuständigen Messstellenbetreibers liegt.

Angesichts dieser Rahmenbedingungen werden die Verantwortlichen in kommunalen Betrieben die unternehmerischen Risiken der Leistungserbringung sorgfältig abwägen. Insbesondere mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit müssen Stadtwerke die drei grundlegenden Optionen „Make“ (selbst machen), „Buy“ (kaufen) und „Cooperate“ (kooperieren) in Bezug auf Synergien und Betriebseffizienz bewerten. Zumal der Gesetzgeber einen äußerst knapp bemessenen Preisrahmen für den Messstellenbetrieb setzt.

Smart-Metering-Pioniere geben die Richtung vor

Die Pioniere unter den Stadtwerken in Sachen Smart Metering geben die Richtung vor. Diese weist eindeutig auf Kooperation und Einbindung externer Dienstleister. Vor dem Hintergrund ihrer Pilotprojekte erkannten beispielsweise EWE, Rheinenergie und Westfalen Weser Netz unabhängig voneinander, dass ein wirtschaftlicher Betrieb erst möglich ist, wenn weit über Hunderttausende von intelligenten Messsystemen zu verwalten sind.

Die Konsequenz aus der nüchternen Kalkulation: Die drei Firmen mit starken kommunalen Wurzeln gründeten das Gemeinschaftsunternehmen GW Adriga mit dem Ziel, die Aufgaben der Gateway-Administration und der Messwertverarbeitung (Meter-Data-Management, MDM) zu bündeln und wirtschaftlich anzubieten.

Neben den Smart-Meter-Installationen der Gesellschafter wird das Unternehmen als Full-Service-Anbieter auch den grundzuständigen und wettbewerblichen Messstellenbetrieb dritter Stadtwerke bedienen.

Für die passende IT-Unterstützung setzt man bei GW Adriga gleichfalls auf Kooperation: Es kommen die Softwarelösungen der BTC aus Oldenburg für die Smart-Meter-Gateway-Administration und das Messdatenmanagement zum Einsatz. Diese werden in den zertifizierten Rechenzentren des IT-Dienstleisters in Oldenburg als Application Service Providing (ASP) bereitgestellt. Stadtwerke können also die Softwareunterstützung für den vollständigen Betrieb einer intelligenten Messstellenverwaltung als Cloud Service beziehen.

Messwertverarbeitung als Dienstleistung

Aufgaben der Gateway-Administration und der Messwertverarbeitung als Dienstleistung einzuholen, ist einen lohnenswerte Option. Denn zum einen gibt es im intelligenten Messbetrieb vielschichtige Anforderungen – insbesondere auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnik sowie der IT-Sicherheit –, die zu erfüllen nicht zwangsläufig zur Kernkompetenz eines Stadtwerkes zählt.

Zum anderen bieten Leistungen wie die Gateway-Administration, die nahezu vollständig aus standardisierten Prozessen bestehen und einen großen IT-Anteil mit hohem Spezialisierungsgrad aufweisen, hohe Skaleneffekte bei geringem Margenpotenzial. Dies ermöglicht Stadtwerken den gesetzlichen Anforderungen für den intelligenten Netzbetrieb nachzukommen, ohne hohe finanzielle Vorleistung und Zeitverzug.

Gleichzeitig gewinnen sie den unternehmerischen Freiraum, das eigene Angebot zu stärken, zum Beispiel indem sie die vorhandenen Kundenbeziehungen – etwa mit der Wohnungswirtschaft oder in Objektnetzen – weiterentwickeln oder neue Leistungsbündel mit kommunalen Schwesterfirmen schnüren. Gerade hier sehen immer mehr Stadtwerke den eigentlichen Handlungsspielraum, um wirtschaftlich attraktive Leistungen verbunden mit regionalem Bezug und Mehrwert für den Bürger auf Basis des intelligenten Messwesens zu etablieren.

Ralf Deters

Der Autor
Ralf Deters ist bei Business Technology Consulting (BTC) in Oldenburg für den Bereich Geschäftsfeldentwicklung Smart Metering verantwortlich

Info: Rechtlicher Hintergrund
Das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende hat der Bundestag im Juli 2016 verabschiedet. Mit ihm wurde der Einbau von intelligenten Messsystemen und modernen Messeinrichtungen bei den Stromkunden beschlossene Sache. Rund 40 Millionen Haushalte in Deutschland erhalten die neuen Stromzähler. Ausgestattet mit einem Kommunikationsmodul schaffen diese Systeme Voraussetzungen, unter denen schwankend verfügbare erneuerbare Energien in die Versorgungsnetze integriert werden können. Das Energiewende-Digitalisierungsgesetz regelt auch die Sicherheit, Speicherung und Nutzung der bei den Stromkunden erfassten Verbrauchsdaten. Es soll den Datenschutz und die Datensicherheit gewährleisten.