Wertvolle Daten

Messdaten liefern genaue Erkenntnisse über das Betriebsverhalten der Kanalisation, Niederschlagsintensitäten und Grundwasserstände. Damit kann die Stadtentwässerung Fremdwassersanierungskonzepte erstellen und langfristig ihr Kanalnetz ausrichten. Die Ingolstädter Kommunalbetriebe haben hierzu ein umfassendes Messsystem aufgebaut.

 

Wie viel Niederschlag fällt tatsächlich in Ingolstadt (rund 134.000 Einwohner, Fläche 133 Quadratkilometer, Bayern)? Welche Mengen können hydraulisch durch das Kanalnetz abgeleitet werden? Mit wie viel Fremdwasser muss das Kanalnetz und die Kläranlage belastet werden? Und wie ist das Kanalnetz strategisch auszulegen, um den Anforderungen einer wachsenden Stadt, den gesetzlichen Anforderungen und sich ändernder Wetterlagen gerecht zu werden?

Vor diesen Fragen standen die Ingolstädter Kommunalbetriebe (INKB) als kommunaler Entwässerungsbetrieb. Ihr Hauptaugenmerk liegt aus siedlungswasserwirtschaftlicher Sicht darauf, die einzelnen hyrdrologischen Prozesse, bestehend aus Niederschlägen, Grundwasser und Kanalnetz, als Gesamtsystem zu verstehen und in seiner Mengenbilanz zu erfassen.

Im Jahr 2013 beschloss der Entwässerungsbetrieb, sein Messsystem auszubauen. Bisher gesammelte Daten zu den Grundwasserständen wurden um konkrete Niederschlagsdaten und die Durchflussmengen im Kanal erweitert. Anlass war vorrangig die strategische Maßnahmenplanung zur Fremdwasserbeseitigung. Die Kommunalbetriebe haben die gesetzliche Anforderung zu erfüllen und müssen den Fremdwasseranteil von rund 40 Prozent auf unter 25 Prozent im Jahresmittel senken.

Anpassung des Generalentwässerungsplans

Parallel dazu wollen die Kommunalbetriebe auch ihren Generalentwässerungsplan, die strategisch langfristige Ausrichtung des Kanalnetzes, anhand der Daten dynamisch anpassen. Dazu dient die Feststellung der maßgeblichen Niederschlagshöhe zur hydraulischen Bemessung des Kanalnetzes.

Weiterer Vorteil der Datenerfassung ist die Bestimmung der Intensität der tatsächlich stattgefundenen Niederschlagsereignisse, was besonders in der Hinsicht von Starkregenereignissen relevant ist. Zudem kann man mit dem neuen System auf die Daten kleinräumiger Niederschlagsereignisse direkt vor Ort zurückgreifen.

Zur Auswertung lokal begrenzter Starkregenereignisse und zur Nachbereitung von Überflutungen können nun minütliche Aufzeichnungen genutzt werden. Dies war bisher noch nicht möglich. Mit der Umsetzung des Projektes ist der Gewässerschutzbeauftragte der Kommunalbetriebe, Uwe Arauner, beauftragt. Das Messsystem besteht aus drei Komponenten.

1. Grundwassermessungen

Erste Säule ist die Messung und Dokumentation der sich aufgrund der Grundwassererneuerung ständig verändernden Grundwasserstände. Dazu unterhalten die Kommunalbetriebe ein umfangreiches Pegelmessnetz, wovon sieben Grundwassermessstellen über eine automatisierte Datenfernübertragung verfügen. Sie sind insbesondere wichtig für das Grundwassermanagement in der Wasserversorgung, aber auch in Versickerungsfragen und im Grundwasserschutz bei der Entwässerung. Die Kommunalbetriebe verfügen seit über 20 Jahren über ein flächendeckendes Grundwassermanagement.

2. Durchflussmessungen

Zweiter Bestandteil sind die Durchflussmessungen im Kanalnetz. Die baulichen Anlagen der Ingolstädter Entwässerung wie Pumpwerke und Rückhaltebecken werden bereits über ein Fernwirksystem gesteuert und überwacht. Die bestehenden Messstellen in den Pumpwerken waren daher nur auf eine Datenfernübertragung umzurüsten.

Sie wurden ergänzt um fünf hochauflösende Durchflussmessungen an strategisch ausgewählten Messstellen im Kanalnetz. Diese messen kontinuierlich die Abwassermengen im Kanal mittels Ultraschallwasserstandsensor und Puls-Doppler-Fließgeschwindigkeitssensor. Zusätzlich wird an einer exponierten Kanalhaltung mittels hochgenauen Radarverfahrens der Durchfluss ermittelt.

Die strategische Platzierung der Messstationen erfolgte unter Berücksichtigung 13 hydraulisch abgegrenzten Einzugsgebieten. So kann in einem räumlich definiertem Gebiet mittels der gemessenen Durchflüsse der Fremdwasseranteil ermittelt und entsprechend gebietsgenaue Fremdwassersanierungskonzepte erstellt werden.

3. Niederschlagsmessungen

Als dritte Komponente des Messsystems wurden insgesamt acht repräsentativ über das gesamte Stadtgebiet angeordnete Niederschlagsmessstationen eingerichtet. Die Aufzeichnungen der Niederschläge erfolgen mittels Niederschlagssensoren nach dem Wäge-Prinzip in minütigen Zeitintervallen auf. Die Stationen entsprechen in technischer Hinsicht den Qualitätsanforderungen des Deutschen Wetterdienstes.

Die punktuellen Messstationen wurden um eine flächenhaft arbeitende radarbasierte Niederschlagsmessung ergänzt. Hier wird anhand Radarmessungen im tatsächlichen Wolkenbild der Niederschlag virtuell berechnet und daraus eine Prognose gestellt.

Die gemessenen Daten aller Komponenten werden kontinuierlich mittels GPRS an ein webbasierendes Datenerfassungssystem übermittelt und dort gespeichert sowie analysiert. Sie bilden in ihrer Gesamtheit eine vollständig flächendeckende Aufzeichnung der hydrologischen Prozesse für Ingolstadt ab.

Phase der Datengewinnung

Das Projekt befindet sich gerade in der Phase der Datengewinnung. Die Messstationen wurden bereits aufgebaut, die Rohdaten laufen auf dem Server auf. Derzeit führen die Kommunalbetriebe noch die Plausibilitätsprüfungen und Nachkalibrierungen vor allem im Durchflussmesssystem im Kanalnetz durch.

Erst einwandfrei funktionierende Messgeräte stellen sicher, dass die gewonnenen Daten korrekt sind und zur Bewertung des Entlastungs- und Betriebsverhaltens herangezogen werden können. Nur dann lassen sich aus ihnen entsprechende Erkenntnisse gewinnen. Ziel ist es, eine möglichst hohe Messgenauigkeit zu erreichen.

Des Weiteren werden Prüfalgorithmen erarbeitet, um sicherzustellen, dass die Daten qualifiziert, belastbar und nutzbar sind. Die Kommunalbetriebe rechnen 2017 mit der Fertigstellung dieses Projektabschnittes. Im nächsten Schritt werden die Daten flächenhaft ausgewertet.

Anhand der gebietsgenauen flächenhaften Daten können zukünftige Fremdwassersanierungsschwerpunkte ausgearbeitet und auch der Generalentwässerungsplan für Ingolstadt dynamisch angepasst werden. Die Daten finden zusätzlich Anwendung bei zukünftigen Modellsimulationen (hydrodynamischen Kanalnetzberechnung) im Hinblick auf die Fortschreibung der Generalentwässerungsplanung.

Die Vorgehensweise ermöglicht es den Kommunalbetrieben, das hydraulische Entwässerungsverhalten des Kanalnetzes als Ganzes zu verstehen und die anstehenden Ingenieurplanungen langfristig optimal zu entwickeln und umzusetzen.

Uwe Arauner

Der Autor
Uwe Arauner ist für die Wasserwirtschaft und Gewässerschutz als Projektleiter der Ingolstädter Kommunalbetriebe zuständig

Info: Ingolstädter Kanalisation
Die Ingolstädter Kommunalbetriebe (INKB) unterhalten ein Kanalnetz mit einer Gesamtlänge von 602 Kilometern. Die Kanallängen unterteilen sich in 432 km Mischwasserkanäle, 71 km Schmutzwasserkanäle und 74 km Regenwasserkanal sowie 22 km Druck- und Vakuumleitungen. In der Unterhaltspflicht der INKB befinden sich derzeit vier Regenüberlaufbecken, 17 Entastungsbauwerke, acht Regenrückhaltebauwerke, 23 Pump- und Hebewerke, drei Hochwasserpumpwerke sowie vier Drossel- und zwei Dükerbauwerken.