Wassermanagement an den Klimawandel anpassen

25 bis 30 Prozent des Trinkwassers in Baden-Württemberg wird durch Oberflächenwasser gedeckt – unter anderem aus dem Bodensee. Foto: Adobe Stock/Mikalai

Noch ist die Versorgung sichergestellt, zunehmende Hitze und Trockenheit machen sich aber bemerkbar. Worum es aus Sicht der Wasserwirtschaft jetzt gehen muss, erklärt Matthias Weiß am Beispiel Baden-Württemberg.

Verdorrte Maisfelder, rissige Böden, vertrocknete Wälder, Niedrigstwasser und trocken gefallene Gewässer, Fischsterben, verringerte Kühlleistung in Kraftwerken, versiegte Brunnen, niedrige Grundwasserstände – und vieles mehr im Sommer 2022: Das alles zeichnet ein Bild dramatischer Veränderungen im Wasserhaushalt.

Wasser galt bisher in Baden-Württemberg nicht als knappe Ressource. Vom durchschnittlichen jährlichen Wasserdargebot aus Niederschlag und Zuflüssen von rund 49 Milliarden m³/a wurden bislang nur zehn Prozent für Trinkwasser als Kühl- und Prozesswasser von Industrie und Gewerbe sowie für die Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen genutzt.

Der Sommer 2022 war in Baden-Württemberg mit 20,1 °C (1961 bis 1990: 16,2 °C) nach 2003 der zweitwärmste. Die Niederschlagssumme im Sommer erreichte nach vorläufigen Berechnungen nur 190 l/m² (292 l/m²). Gemessen an den anderen Bundesländern schaffte es Baden-Württemberg dennoch auf Platz zwei der nassesten Regionen (Deutscher Wetterdienst). Das Jahr 2022 wird damit wieder als Extremjahr in die Wetterstatistik eingehen – und diese häufen sich signifikant in den letzten 20 Jahren.

Erste Schwierigkeiten beim Erfüllen des Versorgungsauftrags

70 bis 75 Prozent des Trinkwassers wird aus Grundwasser gewonnen. Hydrogeologisch bedingt sind die Grundwasservorkommen allerdings sehr unterschiedlich verteilt. Nur in den Randbereichen des Landes (Rheintal, Donauried) befinden sich ergiebige Grundwasservorkommen, im Landesinnern sind sie deutlich weniger ergiebig. Daher werden 25 bis 30 Prozent des Trinkwassers durch Oberflächenwasser gedeckt (Bodensee, Donau).

Noch hat die öffentliche Wasserversorgung ihren Versorgungsauftrag gut erfüllen können. Jedoch treten erste Einschränkungen auf (kleinere Kommunen, unter anderem Hochschwarzwald mit versiegenden privaten Quellen).

Die mit Klimamodellen zu prognostizierende Steigerung der Temperaturen kann abgeschätzt werden – schwieriger wird es beim Niederschlagsgeschehen und der Grundwasserneubildung für unseren wichtigsten natürlichen Wasserspeicher.

Was kommt auf uns zu?

Verlässliche und ausreichende Niederschläge insbesondere während der Vegetationsruhe in den Wintermonaten sind Voraussetzung für die Grundwasserneubildung – die geht allerdings deutlich zurück! Für das Jahr 2050 wird im Schnitt eine Grundwasserneubildung von 132 l/m² und Jahr (bzw. mm/a) prognostiziert, was ein Drittel (-32 Prozent!) weniger ist als im Mittel der Jahre 1991 bis 2020.

Bereits seit 2002 sind in Baden-Württemberg keine grundwasserneubildungsreichen Jahre mehr zu verzeichnen. Die Grundwasservorräte gehen zurück oder stagnieren bestenfalls. Es ist daher dringlich, die örtliche Versorgungssituation zu überprüfen.

Die öffentliche Wasserversorgung ist ein wesentlicher Beitrag zur Daseinsvorsorge (auch für Krankenhäuser und Altersheime) und steht in kommunaler Verantwortung (§ 44 Wassergesetz Baden-Württemberg). Über Auf- und Ausbau sowie Betrieb der Wasserversorgung muss vor Ort entschieden werden.

Dreigliedriges System

Bewährt hat sich in Baden-Württemberg das dreigliedrige System aus örtlicher Wasserversorgung, 169 regionalen Gruppenwasserversorgungen und vier Fernwasserversorgungen. Dazu gehören Bodensee, Donauried/Donau, Talsperre Kleine Kinzig, regionale Vorkommen des Zweckverbands Wasserversorgung Nordost-württemberg – womit schon traditionell ein Ausgleich zwischen Wassermangelgebieten und Überschussgebieten erfolgte. Auch diese Versorger werden kommunal verantwortet.

Aufgrund des Klimawandels ergibt sich auch ein höherer Wasserbedarf durch die Beregnungsbedürftigkeit in der Landwirtschaft, die als neuer Nutzer der Wasservorräte hinzukommt. Zusammen mit weiteren fachlichen Disziplinen und Bedürfnissen nehmen konkurrierende Nutzungsansprüche zu.

Die Abwägung für Entscheidungen wird nur gelingen, wenn das Bewusstsein für den Wert unserer wichtigsten Ressourcen gesteigert wird. Der im Wasserhaushaltsgesetz bestehende Vorrang für die öffentliche Wasserversorgung muss weiter untermauert werden.

Wasserbedarf

Der Anspruch an den Wasserbedarf in einem Wasserversorgungsgebiet kann umso genauer definiert werden, je besser die Bedürfnisse der unterschiedlichen Nutzergruppen aus der Vergangenheit bekannt sind oder zukünftig prognostiziert werden (Haushalte, Gewerbe, Industrie, Landwirtschaft, Veränderung von Siedlungsstrukturen, des demografischen Wandels, Klimawandel). Der mittlere spezifische Trinkwasserbedarf pro Einwohner und Jahr ist mit derzeit rund 129 Liter pro Einwohner und Tag in den letzten Jahren moderat angestiegen. In Spitzenzeiten ist von einer Verdopplung des Trinkwasserbedarfs auszugehen.

Dargebot

Die vorhandenen Bezugskapazitäten aus eigenen Brunnen und Quellen sind hinsichtlich ihrer aktuellen Leistungsfähigkeit und der wasserrechtlichen Genehmigung zu überprüfen. Bei Defiziten können neue interne Verbundmöglichkeiten für einen Ausgleich sorgen, die Reaktivierung alter Gewinnungsanlagen geprüft oder der Bau neuer Gewinnungsanlagen in die Überlegungen einbezogen werden. Wenn die eigenen Ressourcen nicht ausreichen, sind bestehende regionale Verbundstrukturen auf eine Erweiterung hin zu prüfen oder Neuanschlüsse zu planen. Gleiches gilt für Fernwasserbezüge. Jedoch auch diese Versorger hatten und haben eine hohe Auslastung.

Qualität

In vielen Fällen wird es zu einer Mischwasserversorgung kommen, die ergänzende Aufbereitungsmaßnahmen nach sich ziehen kann. Gleiches gilt, falls Rohwässer mit einer qualitativen Belastung zur Versorgung herangezogen werden sollen.

Wasserrechte

Wasserrechte und Bezugsrechte sollten flexibel und ausreichend gestaltet werden.

Kontinuierliches Monitoring

Es ist anzustreben, das nutzbare Wasserdargebot über Bilanzmodelle den Entnahmen aller Nutzergruppen gegenüberzustellen und in einem Echtzeitmonitoring zu überwachen. Das Monitoring wird schon heute durch die staatliche Wasserwirtschaftsverwaltung unterstützt. Es sind bereits einige Versorger (zum Beispiel in Hessen) dazu übergegangen, die Versorgungssituation ihren Kunden über ein Ampelsystem aktuell anzuzeigen und in den Stufen Gelb und Rot aktiv zu Wassersparmaßnahmen (zum Beispiel keine Poolbefüllung) aufzufordern oder zu verpflichten.

Betriebsoptimierung

Hierzu zählen die Überprüfung der Funktion und Größe der Speicheranlagen oder die Minimierung von Wasserverlusten. Aus Gründen der Betriebssicherheit sind Redundanzen zu berücksichtigen.

Masterplan Wasserversorgung

Mit der Umsetzung des Masterplans Wasserversorgung (2021) in den ersten zehn Land- und Stadtkreisen unterstützt das Land Baden-Württemberg mit einer detaillierten Erhebung der Versorgungsstrukturen die Überprüfung. Hieraus sollen Handlungsoptionen zur Verbesserung der Versorgungssituation kommunenscharf abgeleitet werden.

Finanzierung

Die Investitionen für resultierende Maßnahmen werden häufig aufwändig sein – zum Beispiel Leitungsbau, Brunnenbau, zusätzlicher Speicherraum. Die Landesförderung für den Ausbau der wasserwirtschaftlichen Infrastruktur sollte deshalb entsprechend angepasst werden. Matthias Weiß

Der Autor: Dipl.-Ing. Matthias Weiß ist Vizepräsident des Wasserwirtschaftsverbands Baden-Württemberg e. V. (WBW).