Wagbach gibt in der Klärschlammbehandlung jetzt richtig Gas

Bei der Sanierung seines Klärwerks integriert der baden-württembergische Abwasserzweckverband Wagbach eine Hochlastfaulung in die bestehende Faulung. In Kombination mit einem vorhandenem Faulturm deckt die Klärgasausbeute künftig den Eigenenergiebedarf der Anlage nahezu vollständig ab.

Kläranlagen sind Energiefresser und für rund 20 Prozent des Energieverbrauchs kommunaler Einrichtungen verantwortlich. Der Gesamtstromverbrauch der rund 10 000 Abwasserbehandlungsanlagen in den Städten und Gemeinden Deutschlands summiert sich auf rund 4400 Gigawattstunden (GWh) im Jahr – ungefähr die Leistung eines modernen Kohlekraftwerkes. Entsprechend negativ ist die Klimabilanz: etwa drei Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) werden durch den Energiehunger der Kläranlagen jährlich in die Luft geblasen. Rund 50 Prozent des Gesamtstroms eines Klärwerks wird allein für die Belüftung des Belebungsbeckens gebraucht, bei kleinen Anlagen bis zu 80 Prozent.

Um die Energiebilanz deutlich zu verbessern, bieten sich zwei Wege an: zum einen die Abwasserbehandlung und den Klärprozess durch energieeffiziente Technologien energetisch zu optimieren, zum anderen das Energiepotenzial des Abwassers abzuschöpfen. Das ist beispielsweise durch die Nutzung von KIärgas als Energielieferant möglich. Das Gas entsteht durch die Schlammfaulung bei anaerober Schlammstabilisierung und kann in einem Blockheizkraftwerk (BHKW) oder einer Gasturbine in thermische und elektrische Energie umgewandelt werden. Bei energieeffizienten Abwasseranlagen bestehen insbesondere bei der Faulgasnutzung Potenziale, die Gasausbeute wesentlich zu erhöhen.

Vorteile durch Hochlastfaulung

Das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB hat bereits 1979 ein zweistufiges Verfahren für die Hochlastfaulung entwickelt, das gegenüber der herkömmlichen Schlammfaulung wesentlich effektiver ist. Die Verweilzeit des Schlammes im Faulbehälter ist kürzer, die Klärgasausbeute höher und die Menge an Gärrückständen geringer.

Während Klärschlämme in herkömmlichen Faultürmen durchschnittlich 20 bis 30 Tage verbleiben, werden diese beim Hochlastfaulen in nur fünf bis sieben Tagen umgesetzt. Die Biogasausbeute liegt bei rund 23 Litern Biogas pro Einwohnerwert gegenüber 19,7 Litern bei herkömmlicher Faulung.

Gleichzeitig reduziert sich der Gehalt an organischen Inhaltsstoffen um 50 bis 70 Prozent. Durch den geringeren organischen Anteil kann der Restschlamm nach der Faulung besser entwässert werden, wodurch sich die Mengen des zu entsorgenden Schlamms weiter verringern und der Schlamm sich mit kleinstmöglichem Kostenaufwand entsorgen lässt.

Hochlastfaulung stellt ein wirtschaftliches und effizientes Verfahren dar, Klärschlamm als Energieträger zu nutzen. Das Ingenieurunternehmen BIT Ingenieure (Karlsruhe) plant für die Kläranlage des Zweckverbandes Abwasserverband Wagbach in Waghäusel (Baden-Württemberg) die Umsetzung des unter anderem in Heidelberg, Tauberbischofsheim, Edenkoben, Ilsfeld, Leonberg und Bad Dürrenberg bereits erfolgreich erprobten Verfahrens. Die Hochlastfaulung wird nach dem Konzept in die bestehende Faulung integriert. Nach der Inbetriebnahme der zusätzlichen Faulstufe wird der vorhandene Faulbehälter einer Komplettsanierung unterzogen. Durch die Hochlastfaulung ist es möglich, den bestehenden Faulturm im laufenden Betrieb zu sanieren und den Klärschlamm weiterhin zu verwerten.

Die momentane Faulung der Kläranlage Wagbach produziert 608 Nm3 (Normkubikmeter) Klärgas pro Tag. Durch die vorgesehene zweistufige Faulung mit Hochlaststufe kann der Gasertrag um bis zu 25 Prozent und mehr gesteigert werden. Parallel dazu erhöht sich der Abbaugrad deutlich, die verbleibende Schlammmenge verringert sich um mehr als die Hälfte, die Betriebskosten sinken.

Im Endausbau der Kläranlage werden rund 720 Nm3 Faulgas pro Tag erwartet. Laut Gasanalyse beläuft sich dessen Energiegehalt auf 6,3 Kilowattstunden pro Kubikmeter (kWh/m3). Dies ergibt eine produzierte Energiemenge von 4500 kWh pro Tag. Die Kläranlage Wagbach hat einen Energieverbrauch von 3750 kWh täglich. Daher kann sich die Anlage künftig selbst versorgen. Mit dem Energieüberschuss wird das Betriebsgebäude geheizt, warmes Wasser bereitgestellt und der Klärschlamm vorgewärmt.

Der Neubau der Hochlastfaulung und die Sanierung des Faulturms wird in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut geplant und gebaut. Das Institut führt zunächst Faulversuche mit dem Schlamm der Kläranlage in seinem abwassertechnischen Labor durch, um die optimale Reaktorgröße und die Aufenthaltszeiten des Klärschlamms zu ermitteln.

Maximilian Nonnenmacher

Der Autor
Maximilian Nonnenmacher plant und entwickelt Konzepte zur Anlagentechnik in der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung bei BIT Ingenieure mit Hauptsitz in Karlsruhe

Stichwort: Hochlastfaulung von Klärschlamm

Das Verfahren ist zwar schon fast 40 Jahre alt, aber erst jetzt scheint sich Hochlastfaulung bei den Kommunen als energieeffiziente Lösung zur Klärschlammbehandlung durchzusetzen. Die Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB), Dr.-Ing. Werner Sternad und Barbara Waelkens, erläutern im Interview das Verfahren und die Praxis in Waghäusel (Baden-Württemberg).

Frau Waelkens, Herr Sternad, woran liegt es, dass seit 1994 erst acht Anlagen der vielversprechenden Hochlastfaulung durchgesetzt wurden?

Sternad: Als 1994 die Kläranlage Mittleres Glemstal in Leonberg in Betrieb genommen wurde, wurde das Vorhaben, bei einer Kläranlage mit „nur“ 60.000 Einwohnergleichwerten eine Klärschlammfaulung mit Blockheizkraftwerk einzurichten, noch belächelt. Heute arbeiten wir beim aktuellen Projekt in Waghäusel mit einer wesentlich kleineren Kläranlage zusammen! Daran zeigt sich, dass wir mit unserem Verfahren der Hochlastfaulung schon damals der Zeit weit voraus waren.

Waelkens: Kläranlagen durchlaufen einen Zyklus von etwa 30 Jahren. Faulbehälter werden also nur dort installiert, wo es großen Bedarf gibt, also wo ein alter Faulbehälter saniert werden muss oder von einer aeroben Schlammstabilisierung auf eine anaerobe Schlammstabilisierung umgerüstet wird.

Wie reagieren die einschlägigen Regelwerke auf den Stand der Verfahrenstechnik?

Sternad: Das Merkblatt 368 der Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall zur biologischen Stabilisierung von Klärschlamm aus dem Jahr 2003 enthält noch explizit eine Warnung vor den sehr kurzen Aufenthaltszeiten der Hochlastfaulung. Im neuen Merkblatt 368 von 2014 wird diese Warnung bewusst nicht mehr ausgesprochen. Leider fehlt in vielen Regelwerken noch der Hinweis, dass die Hochlastfaulung funktioniert. Will ein Ingenieurbüro die Hochlastfaulung trotzdem umsetzen, braucht es den Mut, von diesen Regelwerken abzuweichen.

Wie weit lässt sich der Abbaugrad der organischen Trockensubstanz steigern?

Sternad: Eine Steigerung des Abbaugrades ist, zumindest bei Klärschlamm, nur begrenzt möglich. Faulung ist ein natürlicher Prozess. Die Hochlastfaulung führt ihn nur kompakter durch. In der Natur haben wir am Ende einer Faulung auch immer noch organische Endprodukte, wie zum Beispiel Humus. Genauso lässt sich auch mit der Hochlastfaulung von Klärschlamm ein gewisser organischer Restanteil nicht vermeiden.

Waelkens: Mitunter hängt der mögliche Abbaugrad auch von der Qualität des Klärschlammes ab. Die Betreiber der Kläranlage müssen auf die Behandlung ihres Klärschlammes achten. Klärschlamm, der älter als 20 Tage ist, baut sich schlechter ab. Auch eine schlechte Vorklärung wirkt sich negativ auf den Abbaugrad aus. Auf diese Weise ist zwischen 50 und 70 Prozent alles möglich.

In der Vergangenheit haben Sie die ursprüngliche Version der Hochlastfaulung, das Schwarting-Uhde-Verfahren, bereits stark umgestellt, um zu der aktuellen zweistufigen Version der Hochlastfaulung zu kommen. Zeichnet sich eine erneute Verbesserung des aktuellen Verfahrens ab?

Sternad: Die Verfahrensumstellung hat sich durch Probleme ergeben, die nach zehn bis zwölf Jahren Betriebszeit unvorhergesehen an den Lochblechen auftraten. Bei einer Anlage mit einer Lebensdauer von 30 Jahren sollte man nicht nach zwölf Jahren die Lochbleche auswechseln müssen. Aus diesem Grund ist das aktuelle Verfahren mit einer Mammutpumpe wesentlich robuster. Für Hochlastfaulungsanlagen im angestrebten Größenbereich reicht ein Schlaufenreaktor mit einer Mammutpumpe völlig aus. Sollten größere Volumina anfallen, könnte man in Erwägung ziehen, wie bei großen, industriellen Anlagen mehrere Mammutpumpen parallel laufen zu lassen. Aber dies sollte bei kommunalen Kläranlagen in unserem Zielgebiet nicht auftreten.

Interview: Maximilian Nonnenmacher