Vertreibung aus dem Paradies

Die Schädlingsbekämpfung ist in Städten und Gemeinden eine leidige, aber unumgängliche und wiederkehrende Aufgabe. Die Kommunen wie auch Spezialunternehmen lassen sich einiges einfallen, damit die Population von Ratten oder Eichenprozessionsspinnern nicht zu groß wird.

Ob Wanderratte, Stadttaube, Küchenschabe oder Rosskastanienminiermotte: die Anzahl an Tierarten, die als potenzielle Schädlinge eingestuft werden können, ist lang. Das weiß auch Felix Benders, der mit seinem Geschäftspartner Marc Morgenstern in Eching bei München die ökologische Schädlingsbekämpfungsfirma Mantis betreibt. „Leider werden Gesundheitsschädlinge oftmals gar nicht als solche wahrgenommen“, sagt Benders. „Sie werden erst dann einer offiziellen Stelle gemeldet, wenn der Befall entweder einen persönlich betrifft oder schon so angewachsen ist, dass er nicht zu übersehen ist.“

Ratten, so die Erfahrung, würden am ehesten als Schädlinge erkannt werden. „Mäuse dagegen werden so gut wie nie als Schädlinge angesehen und Tauben in den meisten Fällen nur als störend empfunden“, so Benders. Ameisenbefall wird den ökologischen Schädlingsexperten meist nur in extremen Fällen im Bereich von öffentlichen Spielplätzen oder Grünanlagen gemeldet.

Warum seine Firma immer häufiger in Kommunen zur Schädlingsbekämpfung anrücken muss, liegt für den Schädlingkenner auf der Hand. „Die meisten Tiere, die als Schädlinge klassifiziert werden, sind sogenannte Zivilisationsfolger“, erklärt Benders. „Egal ob Hausmaus, Ratte, Taube, Schabe, Silberfischchen oder Bettwanze, all diese Tiere haben sich an der Seite des Menschen entwickelt und sind mit uns aus den Höhlen in kleine Siedlungen und letztendlich in die Städte gewandert.“

Benders empfiehlt den Kommunen die Sensibilisierung der Mitarbeiter sowie der Anwohner für das Problematik des Schädlingsbefalls. In bestimmten Fällen sei es sinnvoll, seriöse Schädlingsbekämpfer mit dem regelmäßigen Monitoring kritischer Punkte zu beauftragen. „Mit visuellen Kontrollen, aber auch mithilfe von Monitoringstationen lässt sich ein Befall frühzeitig erkennen und eindämmen.“

Bei der ökologischen Schädlingsbekämpfung setzen Felix Benders und Marc Morgenstern unter anderem auf thermische Bekämpfungsverfahren und Siliziumdioxid-Stäube, Nützlinge oder elektronisch überwachte Schlagfallensysteme. Zur Taubenvergrämung hat der Echinger Schädlingsexperte schon mit Falknereien zusammengearbeitet.

Pirmasens will gesunde Bäume

Den Schädlingsbefall so gering wie möglich zu halten, ist auch der Stadt Pirmasens (Rheinland-Pfalz) ein Anliegen. „Beim Eichenprozessionsspinner reichen schon wenige Raupen aus, um Alarm auszulösen“, bestätigt André Jankwitz, der Leiter des Garten- und Friedhofamts. Auf öffentlichen Flächen kümmern sich geschulte Mitarbeiter des Wirtschafts- und Servicebetriebs der Stadt Pirmasens (WSP) um die Bekämpfung dieser Raupen.

Mithilfe eines Spezialstaubsaugers werden die Schädlinge und Nester entfernt. Die Methode sei zwar aufwendig, biete aber den Vorteil, dass sie gegen Larven in allen Entwicklungsstadien wirksam sei“, skizziert Jankwitz die Bekämpfung. „Aus Sicherheitsgründen wird der Eichenprozessionsspinner so lange bekämpft, bis kein Befall mehr bekannt ist.“

Bei der Kastanienminimiermotte und bei Wollläusen verfolgt die Stadt einen anderen Ansatz. „Bei der Kastanienminimiermotte entsorgen wir nur das Falllaub, damit der Ausbreitungsweg unterbunden wird. Allerdings lassen sich nicht alle Blätter flächendeckend beseitigen, sodass es im Folgejahr eventuell zu erneutem Befall kommt“, so Jankwitz.

Um das Auftreten von potenziellen Schädlingen in der Stadt generell zu vermeiden, haben sich André Jankwitz und sein Team mit der Pflege des Baumbestands befasst. Die Überzeugung: Gesunde Bäume bedeuten deutlich weniger Schädlinge. „Hoher Versiegelungsgrad und Abstrahlungseffekte sorgen für Stress bei den Bäumen. Seit einigen Jahren wird deswegen vor allem kleinwüchsigen Bäumen mehr unterirdischer Raum gegeben. Ungefähr acht Kubikmeter spezielles Substrat werden pro Baum eingebaut. Das Substrat erleichert die Versorgung mit Mineralien, die Drainage sowie die Wasser- und Sauerstoffspeicherung im Wurzelbereich. „Auch berücksichtigen wir die Standorteignung von Bäumen und nutzen hierbei die Straßenbaumliste der Gartenamtsleiterkonferenz im Deutschen Städtetag“, bekräftigt Jankwitz.

Wilde Entsorgung von Abfällen und Speiseresten vermeiden

Im Gesundheitsamt der Stadt Dessau-Roßlau (Sachsen-Anhalt) gehen fast täglich Beschwerden und Hinweise über das Auftreten von Ameisen, Schaben, Tauben und vor allem von Wanderratten ein. Amtsleiter Frank Lange berichtet: „Uns wurde leider schon berichtet, dass Ratten in Wohnhäuser, Balkone und Terrassen eingedrungen sind.“

Der kurze Vermehrungszyklus der Wanderratte sorgt nach Ansicht von Frank Lange dafür, dass die Ratten im öffentlichen Bereich zum Problem werden können, wenn sie nicht bekämpft werden. Durch die Wühltätigkeit von Wanderratten in der Kanalisation komme es zu großflächigen Aushöhlungen im Untergrund, was zu Absenkungen von Fußwegen, Radwegen oder Straßenzügen führen könne.

„Eine erfolgreiche Rattenbekämpfung muss damit beginnen, den Tieren die Nahrung wie zum Beispiel Essensreste, Tierfutter und Lebensmittel zu entziehen und auch Unterschlupfmöglichkeiten wie Müllplätze oder Flächen mit viel Unkraut zu verhindern.“

Die Stadt Köln geht bei der Schädlingsbekämpfung akribisch vor. „Bekannte anfällige Innenbereiche und bei Ratten auch Außenbereiche werden regelmäßig von städtischen Schädlingsbekämpfern begangen“, sagt Sabine Wotzlaw vom Amt für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Sollte sich bei den Kontrollen ein Befall zeigen, greift das Schadnagerkonzept des Gesundheitsamtes. „In privaten Gebäuden oder auf Privatgelände können die Eigentümer private Schädlingsbekämpfer beauftragen. Hier dürfen die städtischen Schädlingsbekämpfer nicht tätig werden“, so Sabine Wotzlaw. Bei Rattenbefall in Kanalisationen baut die Millionenstadt auf die Kompetenz und Erfahrung der Stadtentwässerungsbetriebe (StEB Köln).

In einer Großstadt ist das Ausbreitungsrisiko von tierischen Schädlingen höher als in kleinen Kommunen, dessen ist man sich im Rathaus bewusst. Begünstigt wird der Schädlingsbefall durch die wilde Entsorgung von Abfällen, insbesondere von Speiseresten. Darüber hinaus tragen brachliegende Grundstücke und defekte Kanalisationen zum Schädlingsbefall bei. Die Stadt will daher mit regelmäßigen Instandhaltungsmaßnahmen von Kanalisationssytemen und einer korrekten Abfallentsorgung im öffentlichen wie im privaten Raum das Schädlingsrisiko minimieren.

Für Schädlingsbekämpfer Felix Benders aus Eching bilden eine bessere Müllentsorgung und die Reduzierung des Nahrungsangebotes aber nur Teilaspekte, um den Bestand an Ratten und Tauben zu kontrollieren. „Taubenfutter lockt auch Mäuse und Ratten an. Kommunen empfehlen wir daher neben einem Fütterungsverbot für Tauben das Einrichten von Schlafplätzen und Futterplätzen für Tauben.“ In Taubenhäusern könne die Stadt mithilfe von Gipseiern auch Geburtenkontrolle betreiben.

Andreas Scholz

Der Autor
Andreas Scholz, Schwäbisch Hall, ist freier Journalist

Info: Weitere Beiträge zur Praxis der kommunalen Schädlingsbekämpfung finden Sie in der Ausgabe Oktober des Fachmagazins der gemeinderat:
Ratten – Rechtslage fordert umfangreiche Dokumentation der Bekämpfungsmaßnahmen; Digitalisierung – Elektronisch überwachte Rattenfallen unterstützen das Monitoring; Neues aus der Wirtschaft – Professioneller Einsatz gegen Schadnager und Tauben.
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