Verlässlicher Schutz vor unbefugtem Zutritt

Physische Angriffe auf Gelände und Anlagen der Stromversorger können die Versorgungssicherheit gefährden. Experten fordern daher einen besseren Schutz für die kleineren Systembestandteile, etwa von Umspannwerken. Das Ziel muss sein, Eindringlinge frühzeitig zu entdecken und aufzuhalten.

Auch wenn in Deutschland bisher keine Fälle bekannt wurden, in denen kriminelle Handlungen großflächige Stromausfälle verursacht hätten, die Gefahr ist vorhanden. Für den Schutz von Einrichtungen der Stromversorgung hat die Bundesregierung deshalb in einem Leitfaden, im „Basisschutzkonzept“ und im IT-Sicherheitsgesetz (s. Info) bauliche Schutzmaßnahmen, zugangserschwerende Hindernisse und elektronische Sicherungssysteme vorgesehen, die Sabotage oder Anschläge verhindern sollen.

Daneben kommen umfängliche gesetzliche Vorgaben für einen sicheren Betrieb nach dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) zum Tragen. So haben alle Energieversorgungsunternehmen eine sichere leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Energie zu gewährleisten (§ 2 EnWG). Die Betreiber sind verpflichtet, Energieanlagen so zu errichten und zu betreiben, dass die technische Sicherheit nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik gewährleistet ist (§ 49 EnWG).

Über die gesetzlichen Verpflichtungen hinaus arbeiten die Betreiber von Versorgungsnetzen mit staatlichen und kommunalen Behörden zusammen, um die Bevölkerung vor den Auswirkungen eines Versorgungsausfalles zu schützen. Die Sprecherin des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Marianne Suntrup, erläutert „Diese Kooperationen manifestieren sich unter anderem in gemeinsamen Sicherheitsforschungsprojekten, Austauschplattformen wie dem UP KRITIS, Runden Tischen zur Notfallplanung in Kommunen, gemeinsamen Lehrgängen.“ Auch die technischen Hinweise des Forums Netztechnik/Netzbetrieb im Branchenverband im VDE (S 1001, (Risikomanagement und S 1002 Krisenmanagement) seien mit behördlicher Beteiligung in der Arbeitsgruppe erstellt worden.

Essener Haushalte ohne Strom

Auch wenn bei Sicherheitsbehörden und Gesetzgeber aktuell vor allem Angriffe aus dem Cyberraum in den Fokus rücken, bleibt die Absicherung von Betriebsgeländen (Perimeterschutz) unverzichtbar. Der physische Zugriff auf Anlagen und auf interne Strom- und Kommunikationsnetze muss genauso wirkungsvoll verhindert werden wie ein Online-Angriff. Das zeigt ein Beispiel aus dem Jahr 2015. Damals war ein Eindringling in die Schaltzentrale eines Essener Umspannwerkes eingestieg und hatte dort wahllos Knöpfe gedrückt, sodass 2500 Kunden ohne Strom waren.

Der Vorsitzende des Fachausschusses Perimeter beim Bundesverband Sicherheitstechnik (BHE), Thomas Hermes, warnt daher: „Die Erfahrung zeigt, dass allein ein Zaun und das Warnschild ‚Achtung elektrische Spannung – Lebensgefahr!‘ Täter nicht davon abhalten, die Areale von Hochspannungsanlagen zu betreten.“

Der Strom- und Gasanbieter Entega investierte „einen hohen sechsstelligen Betrag“ in die Weiterentwicklung seines Sicherheitskonzepts, nachdem Kupferdiebe auf Anlagen der Unternehmenstochter E-Netz Südhessen, gelangt waren. Entega-Sprecher Michael Ortmanns resümiert: „In den letzten beiden Jahren wurden keine Einbrüche in unsere Anlagen registriert.“ Eine wichtige Rolle im Konzept spiele die Videoüberwachung. Widerrechtliche Zutrittsversuche können damit in einer rund um die Uhr besetzten Leitstelle aus der Ferne erkannt werden. So sei gewährleistet, dass rechtzeitig Alarm ausgelöst wird und Gegenmaßnahmen, insbesondere eine personelle Intervention, eingeleitet werden können.

Konkrete Vorgaben, Spezialvorschriften oder -normen zum physischen Schutz solcher Anlagen gibt es noch nicht. Im Hinblick auf die Freigeländeüberwachung sollen Anwender und Planer aber demnächst Hilfestellung bekommen. Voraussichtlich bis Ende des Jahres wird, das europäische Komitee für elektrotechnische Normung (Cenelec) die Technische Spezifikation (CLC / prTS 50661-1) für „Alarmanlagen – Externe Perimeter Sicherheitssysteme – Teil 1: Systemanforderungen“ veröffentlichen. Nach dem Entwurf werden hier unter anderem Schutzklassen, Leitlinien zur Perimetersicherung, Hinweise zum Sabotageschutz und zum Umgang mit Umwelteinflüssen enthalten sein. Insbesondere künftige Ausschreibungen dürften sich daran orientieren.

Mehrere Sicherheitszonen

Jürgen Schiller, Planungs- und Ingenieurbüro Schiller, empfiehlt, die Absicherung des Freigeländes mehrschalig, also mit unterschiedlichen Sicherheitszonen zu planen. Oberstes Ziel sei es, Eindringlinge im Idealfall schon vor dem Betreten des Geländes zu entdecken. Wenn erforderlich sollte die Außengrenze nicht nur mittels Zaun gekennzeichnet und geschützt werden, sondern auch die zum Unternehmensgelände gehörende Zone vor und hinter dem Zaun überwacht werden. Schiller: „Die mechanischen Barrieren, in der Regel mindestens zwei Meter hohe Zäune und Tore an der Grundstücksgrenze, sind größtenteils akzeptabel beschaffen.“

Betreiber könnten damit zumindest verhindern, dass spielende Kinder oder unachtsame Personen ungewollt auf das Gebiet gelangen. Für die Sicherung einer kritischen Infrastruktur, insbesondere wenn diese nur sporadisch durch Personen kontrolliert würde, seien aber zusätzlich elektronische Sicherungsmaßnahmen nötig – sowohl an der sogenannten Außenhaut als auch im Geländeinneren. Der Sicherheitsverband BHE hält es daher für erforderlich, Freigeländeüberwachungsanlagen mit Videosicherheit zu ergänzen. Hier könnten auch Wärmebildkameras zum Einsatz kommen. Die Fernüberwachung per Video ermögliche eine unverzügliche Alarmüberprüfung, ohne erst den Techniker oder Wachdienst aussenden zu müssen.

Je nach Risikoprofil und Schutzziel stehen für Detektion und Alarmierung viele Technologien zur Verfügung (s. Info unten). Da moderne Überwachungstechnik in der Regel IT-basiert ist, ist für diesen Bereich auch ein IT-Sicherheitskonzept zu realisieren.

BHE-Fachmann Hermes weist auf eine weitere Besonderheit hin: Anders als bei vielen anderen industriellen Sicherheitsmaßnahmen, basieren Lösungen im Falle von Kritischen Infrastrukturen aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen nicht auf einer Kosten-Nutzen-, sondern auf einer Kosten-Wirkungs-Analyse, denn hier gehe es in erster Linie um die Minimierung von Risiken. Dabei stehe der Investitionsaufwand mit Blick auf die Bedeutung und den materiellen Wert der Anlagen in einem vernünftigen Verhältnis: „Eine einfache Perimetersicherung einer Doppeltrafo-Anlage fängt unter Einbeziehung der vorhandenen Komponenten, zu denen etwa ein Zaun gehört, bei 30.000 Euro an.“ Schon damit ließen sich passende Sensorik, Videotechnik sowie Leitungswege für die Aufschaltungen der Meldeeinrichtungen realisieren. Als Faustregel sei davon auszugehen, dass für einen angemessenen Perimeterschutz etwa 0,15 Prozent der Gesamtinvestition aufzuwenden sind.

Auf die Situation abgestimmes Konzept

Entscheidend ist laut BHE-Geschäftsführer Dr. Urban Brauer, dass das Sicherheitskonzept auf das Objekt und die örtlichen Umstände abgestimmt wird. Hierzu werden zunächst Schutzziele sowie das Täterprofil festgelegt, daraus das Risikopotenzial bestimmt und die Schutzmaßnahmen abgeleitet: Mit welchen Bedrohungen wie etwa Diebstahl, Sabotage oder Vandalismus ist zu rechnen? Ist eher von einzelnen Gelegenheitstätern oder von organisierter Kriminalität auszugehen? Welche Werkzeuge sind bei den möglichen Tätern zu erwarten? Wird erwartet, dass die Eindringlinge mit einem Lkw kommen, wäre auch die Zufahrt ein kritischer Punkt, der entsprechend zu sichern wäre. Beispielsweise durch ein Bodendetektionssystem oder eine Mikrowellenschranke.

In vielen Fällen greifen die Täter am Zaun an. Wird ein Untergraben befürchtet, bieten sich verdeckt im Erdreich installierte Sensoren und Matten an. Gegen die Gefahr des Durchtrennens von Gitterstäben sind unter anderem elektromechanische Detektionssysteme geeignet. Sie arbeiten mit Spann-, Schreck- oder Scherdraht. Wird der Draht verformt, wird die nachstehende Elektronik aktiviert. Auch mit digitalen Zaunmeldesystemen sind Betreiber gegen derartige Angriffe gewappnet, die zudem hocheffektiv gegen Kletterversuche sind.

Je mehr Sensorik ins Spiel kommt, desto aufwendiger gestaltet sich die Konfiguration. Dem vorzugsweise interdisziplinären Projektteam sollte nach Ansicht von Fachleuten daher unbedingt ein IT-Sicherheitsspezialist angehören, der sich mit der Absicherung und Konfiguration eines IT-Netzwerkes auskennt. Neben dem Zaunbauer werde zudem ein Facherrichter benötigt, der wisse, wie er seine Komponenten in dieses sichere Netz integrieren könne. Beispielsweise sei zu beachten, dass elektronisch überwachte Tore eine eigene Meldelinie, unabhängig von anderen Meldelinien, erhalten. Doris Porwitzki

Doris Porwitzki

Die Autorin
Doris Porwitzki, Kirchheim, ist Fachjournalistin mit Schwerpunkt Sicherheit

Info: Detektionsverfahren

Fachleute raten dazu, das Freigelände von Anlagen der Kritischen Infrastruktur mehrschalig auszuführen, also mit unterschiedlichen Sicherheitszonen zu planen. Das oberste Ziel ist, Eindringlinge im Idealfall schon vor dem Betreten des Geländes zu entdecken. Im folgenden werden ausgewählte Detektionsverfahren vorgestellt.

  • Feldänderungsmelder: Registrieren Bewegungen oder Veränderungen

  • Passiv-Infrarot-Melder: Alarmieren, wenn die Wärmestrahlung variiert, zum Beispiel durch Anwesenheit einer Person

  • Streckensensoren wie Infrarot- und Laserschranken: Reagieren beispielsweise auf Unterbrechung des Lichtstrahls, aber nicht auf Kleintiere

  • Zaunmeldesysteme: Sprechen auf Körperschall oder/und Neigung sowie auf Schwingungen an, die etwa beim Durchtrennen, Überklettern, Demontieren des Zauns entstehen

  • Videoanalysesysteme: Setzen bei vordefinierten Verhaltensmustern, bei Veränderungen von Bewegungsrichtungen oder Geschwindigkeiten automatisiert Alarmmeldungen an verschiedene Endgeräte ab

  • Bodendetektionssysteme: Erkennen Belastungen und Druckänderungen durch beispielsweise in den Bereich gelangende Personen oder Kraftfahrzeuge. Ein Vorteil: Sensoren und Detektionsmatten werden unterirdisch und somit manipulationssicher verlegt.

Info: Fachinformationen

Zum baulichen Schutz Kritischer Infrastrukturen wie etwa Einrichtungen der Stromversorgung hat das Bundesinnenministerium verschiedene Ratgeber vorgelegt. Informationen dazu und Download unter www.bmi.bund.de > Service > Publikationen > Suche „Schutz Kritischer Infrastrukturen“.

  • Schutz Kritischer Infrastrukturen – Risiko- und Krisenmanagement, Leitfaden für Unternehmen und Behörden (Stand 2011)

  • Schutz Kritischer Infrastrukturen – Basisschutzkonzept, Empfehlungen für Unternehmen (Stand 2005)

Auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) informiert Betreiber Kritischer Infrastrukturen über Gefahren und Schutzmaßnahmen. – www.bsi.bund.de > Themen > Industrie und Kritische Infrastrukturen