Angesichts der Zunahme von Starkregenereignissen suchen die Kommunen und wasserwirtschaftlichen Unternehmen verlässliche Informationen über lokale Niederschlagsdaten. Stehen diese digital zur Verfügung, können sie Teil einer integrierten Kanal- und Netzbewirtschaftung werden.
Infolge der zahlreichen kleinräumigen Überflutungen im Sommer 2016 stellen sich kommunale Verantwortliche zunehmend die Frage, wie solche Ereignisse besser vorhersehbar sind und wie man deren negativen Folgen verringern oder vermeiden kann. Die Fachliteratur bietet zwar viele Ansätze, Empfehlungen und Hinweise, deren Wirkung entfaltet sich allerdings erst mittel- und langfristig.
Mit digitalen Werkzeugen wie webbasierten Niederschlagsportalen und digital erfassten Kanalnetzdaten können effektive Gefahrenbeurteilungen und Vorhersagen von Starkregenereignissen kurzfristig erfolgen. Weitergehenden Entwicklungen hierzu widmet sich unter anderem das Forschungsprojekt „Kommunal 4.0“ (s. Info unten), in dessen Verlauf neuartige Lösungen unter Beachtung des IT-Sicherheitsgesetzes bei beteiligten Kommunen am Realobjekt erprobt werden. So zum Beispiel in Schwäbisch Gmünd (Baden-Württemberg).
Laufend Echtdaten
Für viele wasserwirtschaftliche Aufgaben spielt der Niederschlag bei der Bemessung von Anlagen zum Hochwasserschutz und im Netzbetrieb eine herausragende Rolle. Modellregen für die Bemessung basieren auf statistischen Mittelwerten großräumiger Betrachtungen. Kleinräumige Extremereignisse, die maßgeblich für die Schäden verantwortlich sind, werden mit den aktuellen Modellen nur unzureichend erfasst.
Fachexperten sind deshalb bemüht, die bisherigen Modellregen mit lokalen Niederschlagsereignissen besser zu verknüpfen und verwenden hierzu echte lokale Regendaten aus webbasierten Niederschlagsportalen, auch für sogenannte Überstau- und Überflutungsnachweise nach DIN EN 752. Zu Betriebszwecken werden noch viele mechanische Niederschlagsmesser eingesetzt, die eine vergleichsweise hohe Ungenauigkeit und Störanfälligkeit besitzen und Wartungsaufwände verursachen.
Professionell betriebene Webportale bieten dagegen Niederschlagsdaten mit hoher Aussagekraft, eine lokale Genauigkeit von 1 Quadratkilometer und umfangreiche Archivdaten inklusive drei Tage vorausgreifender Prognosen. Auch Gutachter verwenden diese Form der Daten im Zuge des Haftungsnachweises bei Starkregenereignissen.
Die tägliche Verwendung radarbasierter Niederschlagsdaten aus Webportalen stärkt die Nachweispflicht sowie die zeitnahe Informationspflicht bei Extremereignissen, vereinfacht die Berichterstellung und spart die Kosten für mechanische Niederschlagsmessstationen.
Die zunehmende Verknüpfung von Automationstechnologien und Maschinen ist auch in der Wasserwirtschaft etwa in Form sogenannter intelligenter Systeme festzustellen. Ergänzt um webbasierte lokale Niederschlagsdaten können zusätzliche Effizienz- und insbesondere Sicherheitspotenziale erzielt werden.
Strahlreiniger zur Reinigung von Regenbecken werden beispielsweise zusätzlich mit Regenprognosen verknüpft, um die bisherige ineffiziente Betriebsweise aufgrund fix eingestellter Betriebsparameter zugunsten einer ereignisangepassten und damit energieeffizienten Fahrweise zu verändern.
Ebenso sind effiziente und sicherheitsfördernde Speicherstrategien von Kanalstauräumen und Regen-/Hochwasserrückhaltbecken durch direkte Einbindung lokaler Niederschlagsdaten möglich. Erfahrungen wie beispielsweise von Horst Geiger (Stadt Öhringen, Baden-Württemberg) verdeutlichen die Vorteile digitaler Niederschlagsdaten: „Mit einer Niederschlags-App bekomme ich für ausgewählte Gebiete aktuelle Niederschlagsdaten und 72-Stunden-Prognosen. Mit diesen Daten sind wir in der Lage, unsere wasserwirtschaftlichen Einrichtungen besser auf kommende Ereignisse einzustellen.“ Durch den Einsatz dieser App konnten am 29. und 30. Mai 2016 in Öhringen rechtzeitig Maßnahmen ergriffen werden zum Schutz vor Überflutungen im Bereich der Landesgartenschau.
Günter Müller-Czygan
Der Autor
Günter Müller-Czygan ist Leiter des Bereichs M&A Objekte / Kommunal 4.0 bei HST-Systemtechnik in Meschede
Info: Projekt Kommunal 4.0
Das Förderprojekt „Kommunal 4.0“ ist als einer der 16 Sieger des Technologiewettbewerbs „Smart Service Welt“ des Bundeswirtschaftsministeriums hervorgegangen und hat im April 2016 seine Arbeit aufgenommen hat. Unter der Federführung von HST bauen die Partner aus Wirtschaft, Wasserversorgung und Wissenschaft eine internetbasierte Daten- und Serviceplattform für kommunale Infrastrukturen am Beispiel der Wasserwirtschaft auf. Diese Plattformlösung erlaubt die zentrale Sammlung heterogener Daten aus verschiedenen Quellen, eine anschließende Strukturierung und die Verwendung zum Beispiel für die vorausschauende Planung und Betriebsführung technischer Objekte und Infrastrukturnetze.