Sichere Straßeninfrastruktur rettet Leben

Die Straßen und ihre Infrastruktur sind die Lebensadern, die die Menschen in den Städten und diese miteinander verbinden. Wie es um sie steht und welche An- und Herausforderungen an sie gestellt werden, beleuchtet der aktuelle Report der DEKRA zur Verkehrssicherheit 2024 „Verkehrsräume für Menschen“.

Verkehrssicherheit
Fußgänger, Bus, Straßenbahn, Rad- und Autofahrer – es ist eine große Herausforderung in Großstädten wie etwa Berlin, hier eine für alle sichere und gut funktionierende Straßeninfrastruktur zu ermöglichen. Foto: Adobe Stock/ Yehuda

Eine funktionierende, sichere Verkehrsinfrastruktur ist wichtig, um sicher von einem Ort zum anderen zu kommen – egal ob zu Fuß, mit dem Auto oder einem öffentlichen Verkehrsmittel. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO werden derzeit weltweit jährlich bis zu 50 Millionen Menschen bei Straßenverkehrsunfällen verletzt, rund 1,2 Millionen davon tödlich. „Die Ursachen sind vielfältig. Oft spielen aber die Gestaltung und der Zustand der Straßeninfrastruktur eine negative Rolle – als mitverursachende Faktoren oder indem sie die Unfallfolgen vergrößern“, erklärt Jann Fehlauer, Geschäftsführer der DEKRA Automobil GmbH, bei der Vorstellung des DEKRA Verkehrssicherheitsreports 2024 „Verkehrsräume für Menschen“ in Berlin. Der 17. Report der Reihe beleuchtet zahlreiche Problemfelder aus der Sicht von Unfallforschung, Verkehrspsychologie, Fahrzeugtechnik, Infrastrukturgestaltung und Gesetzgebung.

Hohe Ansprüche an Straßeninfrastruktur

Die Straßeninfrastruktur muss immer mehr unterschiedlichen Ansprüchen gerecht werden. Hinzu kommt ein rasanter Wandel des Mobilitätsverhaltens in vielen Teilen der Welt. Weiterentwicklungen in den Bereichen Sensorik, Rechnerleistung und Akkukapazität bringen neue Mobilitätsformen hervor und revolutionieren bisherige. Dabei ist der Wandel schneller, als die Anpassungen der Infrastruktur möglich sind.

„Angesichts dieser komplexen Herausforderungen sind die sorgfältige Planung und Umsetzung entsprechender Maßnahmen wichtiger denn je, um Unfälle möglichst ganz zu vermeiden oder zumindest ihre Folgen zu minimieren“, so Fehlauer. Die Anforderungen hängen dabei von vielen Parametern ab – etwa vom Zweck der Straße, von der erwarteten Verkehrsstärke und vom Modal Split – also der Nutzung der Straße mit verschiedenen Verkehrsmitteln. Nicht zuletzt spielt es auch eine Rolle, wer die Kosten für Planung, (Um-)Bau und Unterhalt trägt. Aber egal was, wer und wie, am Ende müsse immer die Sicherheit im Fokus stehe, so Fehlauer.

Ein Blick in die Statistik für due Europäische Union zeigt, dass die Zahl der Verkehrstoten von 29.600 im Jahr 2010 auf 20.600 im Jahr 2022 gesunken ist. Für 2023 rechnet die EU erneut mit einem leichten Rückgang auf rund 20.400 Verkehrstote.

Infrastruktur spielt bei Verkehrssicherheit wichtige Rolle

Nach Ansicht von Kristian Schmidt, Europäischer Koordinator für Straßenverkehrssicherheit, spielt die Infrastruktur eine entscheidende Rolle bei den verschiedenen Faktoren, die seitens der EU mit dem „Safe System“-Ansatz angegangen werden. „Die Infrastruktur ist für rund 30 Prozent aller schweren Verkehrsunfälle maßgeblich“, schreibt Schmidt im DEKRA Verkehrssicherheitsreport. Während Straßen mit gutem Instandhaltungszustand das Unfallrisiko senken, würden Fehler verzeihende Straßen den Schweregrad von möglichen Unfällen verringern.  Künftig werde die Sicherheit der Infrastruktur systematischer und proaktiver geprüft, um gezielte Investitionen zu unterstützen. „Es ist keine Option, erst auf das Eintreten tödlicher Unfälle zu warten, wie es bei der vorherigen Erfassung von Unfallschwerpunkten der Fall war“, so Schmidt.

Antonio Avenoso, Geschäftsführer des Europäischen Verkehrssicherheitsrats (ETSC), fokussiert sich in seinem Statement auf das Thema „Tempo 30 in der Stadt“. Seiner Ansicht nach sollten Städte und Gemeinden die Möglichkeit haben, standardmäßig Tempo 30 einzuführen, ohne dass die nationalen Regierungen ihnen dabei Steine in den Weg legen. „Es wäre naiv zu denken, dass es aufgrund von Tempo 30 keine Verkehrstoten und Verletzten in den Städten mehr geben wird. Es sollte jedoch als einfache, kostengünstige Maßnahme betrachtet werden, die nicht nur der Sicherheit dient“, sagt Avenoso. Dadurch werde auch wieder deutlich, dass Städte nicht nur für diejenigen gestaltet werden sollten, die sich für das Auto entscheiden, sondern vor allem zum Nutzen ihrer Bewohner. In vielen Ecken Europas sei dies in Vergessenheit geraten.

Unfallfolgen durch Objekte im Straßenraum

Der Verkehrssicherheitsreport beleuchtet unter anderem auch die Unfallrisiken, die von Objekten im Straßenseitenraum herrühren. So sind Ampelmasten, Lichtmasten, Verkehrsschilder oder Pfosten zwar für einen sicheren und geregelten Straßenverkehr unerlässlich, gleichzeitig können sie aber auch gefährliche Hindernisse darstellen. Bereits im Verkehrssicherheitsreport 2017 zeigte DEKRA mit einem Crashversuch eindrücklich die Gefahren von starren Pfosten von Kurvenleittafeln für stürzende Motorradfahrer auf. Um die Risiken starrer Poller für Radfahrende zu verdeutlichen, hat die DEKRA für den aktuellen Report einen Crashtest mit einem dreirädrigen Lastenrad gemacht – verglichen mit einem identischen Test mit einem nachgiebigen Pfosten aus Kunststoff.

Beim Anprall gegen den starren Pfosten kam es zu einer starken Verzögerung, durch die der Dummy vom Sattel in Richtung Lenker geschleudert wurde. Der Pfosten knickte ab und fungierte so als Rampe. Das Heck des Fahrrads wurde angehoben, der Dummy abgeworfen. Das Fahrrad kippte um. Die Person auf dem Lastenrad hätte schwere Verletzungen davontragen können. Im Fall des flexiblen Pfostens wurde dieser einfach überfahren und stellte sich anschließend selbst wieder auf. Es kam zu keiner nennenswerten Verzögerungen, der Dummy blieb auf dem Sattel und der Fahrzustand blieb kontrollierbar.

Höhere Verkehrssicherheit durch Konnektivität

Mit der zunehmenden Vernetzung und Digitalisierung innerhalb und außerhalb von Fahrzeugen werden Kommunikationstechnologien wie etwa 5G eine immer wichtigere Rolle spielen. „Wenn die Fahrzeuge untereinander ebenso wie mit Ampelanlagen oder Verkehrsleitsystemen kommunizieren sollen, muss jederzeit die dafür notwendige Konnektivität gewährleistet sein. Von dieser vernetzten Mobilität profitieren nicht zuletzt auch ungeschützte Verkehrsteilnehmende wie Fußgänger und Zweiradfahrende“, so Fehlauer. Im Zusammenhang mit der zunehmenden Automatisierung rückt auch die Gefahr elektronischer Manipulationen von außen in den Fokus. Um die für Cyberattacken offenen Einfallstore zu schließen, müsse daher so früh wie möglich gegengesteuert werden. Möglich ist dies beispielsweise in Form eines ganzheitlichen Cyber-Security-Management-Systems.

Bei allen Optimierungsmaßnahmen, welche die Verkehrssicherheit erhöhen, darf nach Ansicht des DEKRA Automobil Geschäftsführers aber eines nicht vergessen werden: „Um gefährliche Situationen möglichst erst gar nicht entstehen zu lassen, sind und bleiben verantwortungsbewusstes Verhalten, die richtige Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und ein hohes Maß an Regelakzeptanz unerlässlich.“ Daran könnten auch die beste Straßen- und Kommunikationsinfrastruktur oder Fahrzeugtechnik nichts ändern.

Der DEKRA Report zur Verkehrssicherheit 2024 „Verkehrsräume für Menschen“ kann auf www.dekra-roadsafety.com heruntergeladen werden.

Red.