Über den Tellerrand

Innerhalb globaler Lieferketten betrifft die Frage der sozial verantwortlichen Beschaffung auch Städte und Gemeinden. Zukunftsorientierte Kommunen wählen daher ihre Lieferanten genau aus. Die Stadt Dortmund zum Beispiel fordert im Rahmen der Vergabe verbindliche Nachweise der Unternehmen.

Computer für die Verwaltung, Arbeitsbekleidung für städtische Bedienstete, Nahrungsmittel für Kitas und Schulen – seit mehr als zehn Jahren weisen zivilgesellschaftliche Organisationen auf Menschenrechtsverletzungen bei der Herstellung von Produkten für die öffentliche Hand hin. Anfangs stieß die Forderung an Bund, Länder und Kommunen, die öffentliche Beschaffung an sozialen und umweltbezogenen Kriterien auszurichten, noch weitgehend auf Unverständnis. Diese Kriterien seien „vergabefremd“, war eine häufige Rückmeldung. In den vergangenen Jahren ist diese Ablehnung teilweise einer positiveren Haltung in Politik und Verwaltung gewichen. Die Bundesregierung erkennt im Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte sogar an, dass öffentliche Auftraggeber einer besonderen menschenrechtlichen Verantwortung unterliegen. Nach der Rhetorik muss sich nun aber vor allem die Praxis ändern.

Der Zusammenhang zwischen öffentlicher Beschaffung und Menschenrechten in globalen Lieferketten mutet zunächst abstrakt an. Doch für die betroffenen Menschen sind die oft unerträglichen Bedingungen bei der Herstellung bestimmter Produkte real. In der Arbeitsbekleidungsindustrie in Tunesien oder Vietnam müssen die Näher unzählige Überstunden für einen Hungerlohn schuften. In den Orangenplantagen Brasiliens, die für deutsche O-Saft-Hersteller produzieren, werden Wanderarbeiter schutzlos hochgiftigen Agrarchemikalien ausgesetzt. Widerstand von Gewerkschaftern oder Aktivisten gegen ausbeuterische Arbeitsbedingungen, Umweltzerstörung und Vertreibungen begegnen Unternehmen und Regierungen immer wieder mit Gewalt. Viele Unternehmen in Deutschland nehmen sich dieser Missstände nicht ernsthaft an, sondern verweisen auf die Verantwortung ihrer Zulieferbetriebe.

Kommunale Einkaufsmacht nutzen

Um diese vielschichtigen Problematiken in den Lieferketten anzugehen, reicht es nicht aus, als Kommune gelegentlich den örtlichen Weltladen mit dem Kauf fairen Kaffees zu unterstützen oder sich mit der Auszeichnung „Fairtrade Town“ zu schmücken – auch wenn das wichtige erste Schritte sein können. Vielmehr muss das Ziel sein, bei gefährdeten Produkten Schritt für Schritt durch geeignete Anforderungen in den Ausschreibungen dafür zu sorgen, dass die Unternehmen die Menschenrechte achten. Dieser Aufgabe kann sich keine Kommune alleine stellen. Doch wenn sie sich untereinander vernetzen und Unterstützung von Bund und Ländern erhalten, können die rund 11.000 Kommunen in Deutschland mit ihrer enormen Einkaufsmacht die relevanten Branchen zu mehr sozialer Verantwortung bewegen.

Dies zeigt ein Pilotprojekt zur Beschaffung von sozial verantwortlich hergestellter Berufsbekleidung, das die Stadt Dortmund zusammen mit der Christlichen Initiative Romero (CIR) 2015 durchführte. Das Vergabe- und Beschaffungszentrum in Dortmund schrieb Produkte wie Arbeitshosen und -jacken aus. Soziale Kriterien in einer Ausschreibung zu fordern, war damals nicht völlig neu. Viele Vergabestellen forderten seit einigen Jahren die Einhaltung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Diese beziehen sich auf das Verbot von ausbeuterischer Kinderarbeit, Zwangsarbeit und Diskriminierung sowie das Recht auf Gewerkschaftsfreiheit und Kollektivverhandlungen. In den meisten Fällen akzeptieren die Vergabestellen aber bloße Eigenerklärungen von den Unternehmen.

Glaubwürdige Nachweise fordern

Die Stadt Dortmund erkannte aber, dass die Frage nach glaubwürdigen Nachweisen der Dreh- und Angelpunkt einer sozial verantwortlichen Beschaffung ist. Sie forderte von den bietenden Berufsbekleidungsunternehmen die Mitgliedschaft bei einer Arbeitsrechtsinitiative, in der Unternehmen, Gewerkschaften und Arbeitsrechtsorganisationen gleichberechtigt beteiligt sind. Die Fair Wear Foundation (FWF) ist eine solche Initiative. Sie gilt vielen Menschenrechtsorganisationen deshalb als glaubwürdig, weil sie die Verantwortung nicht auf die Zulieferbetriebe abschiebt, sondern auch die Einkaufspolitik der Markenunternehmen ändern will.

Mittlerweile haben weitere Städte wie Bremen, Bonn, Erfurt oder Münster in ihren Ausschreibungen ähnliche Kriterien gefordert. Eine regelmäßig von der CIR durchgeführte Unternehmensbefragung zu Sozialstandards in der Berufsbekleidungsbranche macht deutlich, dass immer mehr Unternehmen Maßnahmen für bessere Arbeitsbedingungen ergreifen, seitdem öffentliche Auftraggeber das von ihnen fordern.

Was im Berufsbekleidungsmarkt angestoßen wurde, kann auch in anderen Branchen erreicht werden. Im Bereich Lebensmittel vergeben Kommunen etwa Rahmenverträge für die Schulverpflegung, sie verpachten Kantinen oder beschaffen das Catering für den nächsten Empfang im Rathaus. Da auch im Lebensmittelbereich zahlreiche Gütezeichen existieren, die soziale Kriterien wie die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen abdecken, sollten sich Kommunen auch hier nicht mit den Eigenerklärungen der Unternehmen zufrieden geben. Bei bestimmten Produkten wie Kaffee, Tee, Orangensaft, Rohrzucker, Reis und Bananen ist es zudem politisch sinnvoll, die Kriterien des Fairen Handels in Ausschreibungen zu integrieren.

Die Rahmenbedingungen für den „fairen“ Einkauf haben sich in den letzten Jahren verbessert. Die Reform des Vergaberechts auf Bundesebene hat klargestellt, dass die Einhaltung von sozialen und ökologischen Aspekten ein Vergabegrundsatz ist und Auftraggeber sogar bestimmte Gütezeichen fordern können. Außerdem gibt es nun ein umfangreiches Beratungsangebot. Der „Kompass Nachhaltigkeit“ (kompass-nachhaltigkeit.de) hält zum Beispiel Musterausschreibungen bereit, bewertet Nachweise und verweist auf Unternehmen. Mit politischem Willen und Unterstützung von außen, kann jede Kommune einen Beitrag für eine menschenwürdigere Wirtschaft leisten und sich gleichzeitig als zukunftsfähig präsentieren.

Tabitha Triphaus / Christian Wimberger

Die Autoren
Tabitha Triphaus ist Referentin für fairen Handel und öffentliche Beschaffung bei der Christlichen Initiative Romero (CIR) in Münster. Christian Wimberger ist Referent für öffentliche Beschaffung und Rohstoffe bei der CIR

Info: Unterstützung beim fairen Einkauf

Die Christliche Initiative Romero (CIR) mit Sitz in Münster setzt sich als Menschenrechtsorganisation für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen ausgeschlossener Bevölkerungsgruppen in Mittelamerika und anderen Ländern des globalen Südens ein. Sie fordert eine gerechtere Wirtschaft, in deren Lieferketten die Menschenrechte geachtet werden. In diesem Zusammenhang unterstützt die CIR Kommunen bei der Verankerung von sozialen Kriterien in ihren Ausschreibungen. Auf der Webseite der CIR finden Sie Leitfäden, Musterausschreibungen, Bewertungen von Gütezeichen und Rechtsgutachten Kommunen können Kriterien der Nachhaltigkeit ihrer Beschaffung zugrunde legen.

Tipps für Kommunen

Kommunen können Kriterien der Nachhaltigkeit ihrer Beschaffung zugrunde legen. Die Grundlage dafür ist das Vergaberecht. Wie sollten Städte und Gemeinden vorgehen?

  • In den Dialog mit Unternehmen treten: Es haben sich beispielsweise Bieterdialoge bewährt, auf denen sich Unternehmen, Beschaffer und zivilgesellschaftliche Initiativen austauschen.

  • Alle relevanten Akteure einbeziehen: Dazu gehören unter anderem die Nutzer der Produkte, aber auch der lokale Weltladen, der sich für das Thema einsetzt.

  • Von anderen lernen: Orientieren Sie sich an bereits vorhandenen Musterausschreibungen.

  • Politische Grundlagen schaffen: Stadträte können Beschlüsse und konkrete Ziele verabschieden.