Starkregenvorsorge: Alle an einen Tisch

Der Umgang mit dem Starkregenrisiko betrifft mehr Fachbereiche als nur die Wasserwirtschaft und das Bauamt. Deswegen sollte die Starkregenvorsorge breit angesetzt werden und auch die Information der Öffentlichkeit einschließen. Bund und Länder unterstützen die kommunalen Aktivitäten.

Dortmund 2008, Kopenhagen 2011, Münster 2014, Simbach 2016: Nur einige Beispiele aus einer Vielzahl von Überflutungen, die durch lokale Starkregen ausgelöst wurden. Großstädte waren dabei genauso betroffen wie kleine Gemeinden, egal ob im Flachland oder in den hügeligen Mittelgebirgen oder dem Alpenvorland. Die Auswirkungen sind unterschiedlich ausgeprägt, mal geht die Gefährdung von metertief stehendem Wasser aus, mal sind es reißende Wassermassen, die sich innerhalb kürzester Zeit ihren Weg bahnen. Je nach Einzugsgebiet werden neben dem Wasser große Erd- und Geröllmassen mitbewegt, die zusätzliche Gefahren wie die Verlegung von Brücken und Durchlässen verursachen können.

Immer sind Menschenleben gefährdet. Die Schäden gehen bis in den zweistelligen Millionenbereich. Die geringe Vorwarnzeit und die Tatsache, dass sie überall auftreten können, machen Schutz- und Vorsorgemaßnahmen so schwierig. Im Gegensatz zu Überschwemmungen aus Gewässern ist keine räumliche Eingrenzung (Überschwemmungsflächen entlang der Gewässer) möglich.

Statistische Analysen der Niederschläge in den letzten Jahrzehnten in Deutschland und Untersuchungen über die Ausweitungen und Folgen des Klimawandels zeigen, dass in Zukunft vermehrt mit Wetterextremen, insbesondere mit der Zunahme von Starkregen zu rechnen ist. Mittlerweile werden Konzepte zum Umgang mit diesen Veränderungen erarbeitet. Dazu gehört zum Beispiel die „Wassersensible Stadt- und Ortsentwicklung“ als integrales Konzept in Kombination mit Maßnahmen der Stadtplanung für einen nachhaltigen Umgang mit zu viel Regenwasser (innovative Überflutungsvorsorge) und zu wenig Regenwasser (Trockenheit und Hitze).

Jenseits der klassischen Siedlungsentwässerung

Wie sollen Städte und Gemeinden mit Starkregenereignissen umgehen, die jenseits der Bemessungsgrenze der Kanalisation liegen? Es gelten hier keine Allgemein anerkannte Regeln der Technik (AaRT), an denen sich das Verwaltungshandeln orientieren kann. Bei Planungen im innerstädtischen Bereich, die über die klassische Siedlungsentwässerung hinausgehen, begibt man sich schnell in rechtlich nicht abgegrenzte Zonen.

Der Bund fördert seit vielen Jahren im Rahmen der Anpassungsstrategie an den Klimawandel auch Projekte der Starkregenvorsorge. Ebenso widmen sich die Fachverbände wie DWA und BWK in Arbeitsgruppen diesem Thema. Inzwischen gibt es in allen Bundesländern Pilotprojekte und Empfehlungen zum Umgang mit dem Thema bis hin zu Fördermöglichkeiten bei der Analyse und Umsetzung von Maßnahmen.

Was können Städte und Kommunen konkret tun, wenn sie sich mit der Starkregenvorsorge befassen möchten?

  • Alle müssen an einen Tisch. Starkregenvorsorge ist kein ausschließliches Thema der Wasserwirtschaft, der Stadtentwässerung oder des Bauamts. Alle Planungsbereiche sind beteiligt, von Stadt- und Bauleitplanung über Verkehrs-, Straßen- und Entwässerungsplanung bis hin zur Grün- und Freiraumplanung. Nicht zu vergessen: die Feuerwehr und der Katastrophenschutz sowie Vertreter der Forst- und Landwirtschaft.

  • Benennung eines verantwortlichen Ansprechpartners für alle Beteiligten

  • Einbindung der übergeordneten Behörden

  • Frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit und der betroffenen Bürger: Die vorhabensbegleitende Diskussion von Bedürfnissen und Erwartungen, aber auch Möglichkeiten und Grenzen (technisch, finanziell und rechtlich) erhöhen die Akzeptanz der Planung.

  • Analyse des Einzugsgebiets der Kommune: Die Möglichkeiten sind im Themenheft Nummer 1/2013 der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) und des Bundes der Ingenieure für Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft und Kulturbau (BWK) „Starkregen und urbane Sturzfluten – Praxisleitfaden zur Überflutungsvorsorge“ erläutert. Damit lassen sich die Fließwege des Wassers auf der Oberfläche ermitteln (Gefährdungszonen). Ebenso können die Wassermengen abgeschätzt werden, die gegebenenfalls zurückgehalten werden müssen. Je nach Lage ist auch eine Betrachtung von Geschiebe- und Schwemmholz von Bedeutung.

Im Ergebnis werden besonders gefährdete Bereiche beispielsweise mit Gefahr für Leib und Leben (Unterführungen, Tiefgaragen) ausgewiesen und mögliche Maßnahmen wie Notabflusswege oder Rückhalteflächen abgeleitet.

Das Gesamtkonzept sollte darauf abzielen, möglichst viel Wasser durch Rückhalt und gezielte Ableitung schadlos zu beherrschen. Das darüber hinausgehende Maß ist mit möglichst geringer Schadwirkung abzuführen. Elementarschadensversicherungen tragen hier dazu bei, mögliche wirtschaftliche Verluste zu minimieren. Das kommunale Vorsorgekonzept ist auch in Jahren ohne Starkregenereignisse regelmäßig zu überprüfen.

Klaus Piroth

Der Autor
Dr. Klaus Piroth ist Geschäftsbereichsleiter Wasser bei CDM Smith Consult in Nürnberg und Obmann des DWA-Fachausschusses HW4 „Hochwasserrisikomanagement“

Info: Starkregen

Bei Starkregen fällt in kurzer Zeit eine Niederschlagsmenge, die im Mittel einmal im Jahr erreicht oder überschritten wird. Das ist eigentlich nichts Außergewöhnliches. Ortskanalisationen sind nach dem gängigen Regelwerk für bis zu fünfjährliche Regen bemessen, die noch ohne Schäden vielleicht mit einzelnen Wasseraustritten an den Schächten bewältigt werden können. Erst seltene (5- bis 30-jährliche) und außergewöhnliche (> 30-jährlich) Starkregen überlasten die vorhandene Kanalisation oder die Gräben und Gewässer in den Außengebieten und führen zu flächigen Überschwemmungen. Die bekannten Starkregenereignisse waren alle durch Niederschläge < 100-jährlich verursacht.