Rüge eines Vergabeverstoßes

Eine Beteiligung an einer nationalen Ausschreibung als Bieter schließt die Antragsbefugnis hinsichtlich der pflichtwidrig unterlassenen europaweiten Ausschreibung nicht aus, wenn der Auftragswert nicht erkennbar war. (OLG München vom 2. Juni 2016 – AZ Verg 15/15)

Maßgeblich für die Frage, wann der Bieter einen Vergabeverstoß rügen muss, ist auch nach Paragraf 160 Abs. 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) die Erkennbarkeit eines solchen Verstoßes. War ein Vergabeverstoß für den Bieter im Verlauf des Vergabeverfahrens nicht erkennbar und wurde daher auch nicht gerügt, steht dies einer Antragsbefugnis nicht entgegen.

Für die Anforderungen an die Erkennbarkeit ist auf den konkreten Markt, die betrieblichen Verhältnisse beim Bieter und die aus der Unternehmenstätigkeit resultierende Häufigkeit der Teilnahme an Vergabeverfahren abzustellen.

Der Auftraggeber muss die Schätzung des Auftragswertes ordnungsgemäß vornehmen und nachvollziehbar begründen. Geht er auf dieser Grundlage davon aus, lediglich ein nationales Vergabeverfahren durchführen zu müssen, kommt ihm ein Schutz durch den zugestandenen Beurteilungsspielraum zu. In diesem Sinn urteilte das OLG München bereits am 11. April 2013 (AZ Verg 3/13).

Ute Jasper / Reinhard Böhle

Die Autoren
Dr. Ute Jasper ist Rechtsanwältin und Partnerin der Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek in Düsseldorf und leitet die Practice Group „Öffentlicher Sektor und Vergabe“, Reinhard Böhle ist Rechtsanwalt der Kanzlei